Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Home  |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 2002 > Deutscher Bundestag - Blickpunkt 8/2002 >
Oktober 10/2002
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

Wie kommt man in den Bundestag?

Der steinige Weg ins Parlament

Viele Wege führen nach Rom, sagt das Sprichwort. Aber welcher führt in den Deutschen Bundestag? Wie wird man Abgeordneter? Kann man das lernen? Muss man dazu geboren sein? Weder noch. Denn Abgeordnete sind Vertreter des Volkes, so verschieden wie wir alle, so unterschiedlich an diese Aufgabe gekommen, wie wir alle unseren Weg nehmen. Und doch gibt es bestimmte Muster, die weniger als die Regel, aber mehr als die Ausnahme sind.

Grafik: Wie kommt man in den Bundestag? (PDF-Datei)

Gundsätzlich kann sich jeder um einen Sitz im Deutschen Bundestag bewerben, sofern er volljährig und Deutscher ist. Einfach die Fristen für die Kandidatenaufstellung beachten, die Form für die Einreichung beim Kreiswahlleiter einhalten, 200 Unterschriften von Unterstützern einsammeln – und schon steht man auf dem Wahlzettel. Doch Abgeordneter ist man deswegen noch nicht. Denn man muss in seinem Wahlbezirk unter allen Kandidaten auch die meisten Stimmen auf sich vereinen. Und das ist eine hübsche Hürde.

Rund 200.000 Wahlberechtigte gibt es in jedem Wahlbezirk. Geht man davon aus, dass sich rund 80 Prozent der Bürger an der Wahl beteiligen, sind das 160.000 abgegebene Stimmen. Wenn sich fünf Kandidaten diese Stimmen teilen, der eine zehn Prozent bekommt, der nächste 15 Prozent, der dritte 20 Prozent, der vierte 25, dann reichen dem fünften schon 25 Prozent und eine Stimme, um den Wahlkreis, und damit den Sitz im Bundestag zu erringen. Freilich heißt das, in Stimmen ausgedrückt, dass diesem Einzelbewerber 40.001 Bürger ihre Stimme geben müssen, um ihm das Direktmandat zu sichern. Rund 40.000 Menschen, die erst davon überzeugt werden müssen, dass dieser Kandidat der beste Vertreter für sie im Bundestag wäre.

Noch sind die Reihen leer: Plenarsaal in Berlin.

Noch sind die Reihen leer: Plenarsaal in Berlin.

So viele Menschen zu überzeugen – kein leichtes Unterfangen für Leute, die nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen, sondern jeden Einzelnen in einem Gespräch für sich gewinnen müssen. Also ist es einfacher, die Willensbildung über die Kandidaten in die unterstützenden Hände professioneller Organisationen zu legen, die sich mit der Formulierung von politischen Zielen und der Auswahl von politischem Personal auskennen – den Parteien. Aber auch hier gibt es natürlich keine simple Reihenfolge nach dem Motto: Beitrittsantrag unterschreiben, Mitgliedsbeiträge bezahlen – und schon ist man Bundestagsabgeordneter. Denn natürlich wollen Parteien in ihrem Wirken Erfolg haben. Sie wollen einerseits einen Kandidaten, der am besten zu ihnen und ihren politischen Zielen passt, und andererseits einen Bewerber, der bei den Wählern die größtmöglichen Chancen hat. Und darüber gehen die Meinungen naturgemäß auseinander. Sprich: Es gibt verschiedene Bewerber.

Die stellen sich in der Regel rechtzeitig vor der entscheidenden Mitglieder- oder Delegiertenversammlung der Basis in den einzelnen Orts- und Stadtparteiverbänden vor, die zum jeweiligen Bundestagswahlkreis gehören. Wer dabei die besten Chancen hat, lässt sich nie vorhersagen. Im Zweifel zieht die Basis diejenigen vor, von denen sie weiß, dass auf sie Verlass ist. Sprich: Diejenigen, die in der Ochsentour schon eine gute Strecke zurückgelegt haben.

Ochsentour heißt, dass man erst einmal selbst den Parteikarren gezogen hat, bevor man selbst im Gefährt Platz nimmt. Mitglied werden reicht nicht. Mit anpacken ist schon besser, also Plakate kleben, Versammlungen besuchen, da sein, wenn man gebraucht wird. Im Laufe der Zeit bekommt ein Name auf diese Weise ein Gesicht, und dieses Gesicht hinterlässt einen positiven Eindruck.

Und je mehr sich das Mitglied an der Arbeit beteiligt, desto häufiger wird es gezwungen sein, die Haltung der eigenen Partei im Meinungswettstreit mit den Vertretern der anderen Parteien zu begründen und sich am Erfolg oder Misserfolg dieser Auseinandersetzung messen zu lassen. Vielleicht sogar als Mitglied im Gemeinderat oder Kreistag, in der Bezirksvertretung oder im Stadtrat. Das ist auf jeden Fall die beste Schulung für das große Ringen der Meinungen später im Bundestag. Und der meistens überzeugendste Nachweis dafür, dass dieser Mann oder diese Frau am besten geeignet ist, ins Rennen um den Gewinn des Direktmandates im eigenen Wahlkreis zu gehen.

Doch bevor es so weit ist, müssen auch die von den Parteien präsentierten Kandidaten in einem genau vorgeschriebenen Verfahren dafür nominiert werden. Vorstellung, Befragung, Abstimmung inbegriffen. Wenn dann ord-nungsgemäß je Partei ein Kandidat je Wahlkreis angemeldet ist und vor Ort an den Start geht, folgt eine weitere Ochsentour. Diesmal außerhalb der eigenen Partei: Tag für Tag an Ständen in den Fußgängerzonen die Wähler ansprechen, von Haus zu Haus ziehen, Veranstaltungen besuchen, an Podiumsdiskussionen teilnehmen, den Medien Interviews geben, überall Präsenz zeigen – aber auch das alles ist keine Garantie für den Einzug in den Bundestag.

Das Ziel der Mühen: Eingang des Reichstagsgebäudes.

Das Ziel der Mühen: Eingang des Reichstagsgebäudes.

Denn natürlich muss die Sympathie der Wähler im eigenen Wahlkreis hinzukommen, um die Mehrheit letztlich zu erhalten. Und die ist oft genug auch von landes- und bundesweiten Stimmungen abhängig.

So weit, so spannend. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn die andere Hälfte der Bundestagabgeordneten kommt von den Landeslisten. Mit der Zweitstimme bestimmt der Wähler das Stärkeverhältnis der Parteien im Bundestag. Und hier kommen, nach Abzug der auf direktem Wege errungenen Mandate, die Landeslisten zum Tragen. Je höher man darauf platziert ist, desto größer ist die Chance, in den Bundestag zu kommen.

Bei der Aufstellung dieser Listen zählen natürlich auch dieselben Kriterien wie bei der Nominierung der Direktkandidaten. Die verschiedenen Regionalverbände einer Landespartei bemühen sich aber auch unter anderen Gesichtspunkten um einen Ausgleich: Ist ein angemessenes Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Kandidaten erreicht? Spiegelt sich die konfessionelle Landschaft des Bundeslandes wider? Wie steht es mit den aufgebotenen Berufsbildern? Welcher Kandidat hat es besonders verdient, eine zusätzliche Absicherung auf der Landesliste zu finden, weil seine Kandidatur im Wahlkreis auf "wackligen Füßen" steht? Und, nicht zuletzt: Finden sich die verschiedenen innerparteilichen Gruppierungen – Frauen, Mittelständler, Gewerkschafter, Senioren, Nachwuchs und viele andere – auf den Kandidatenlisten einigermaßen gerecht verteilt wieder?

Die Landeslisten bieten auch Möglichkeiten für personelle Gestaltungen: Welche politischen Talente können die Bundestagsfraktionen gut für ihre Gesetzesarbeit gebrauchen? Welche mehr oder weniger prominenten "Seiteneinsteiger", also nicht über die Ochsentour von unten, sondern von der Seite ins Parteileben eintretende Persönlichkeiten, stünden der Landes- und Bundespartei gut zu Gesicht? Viele Gespräche und Verhandlungen werden deshalb im Vorfeld solcher Listennominierungen geführt. Manchmal gibt es Absprachen, aber immer kommt auch hier die "Tagesform" der Kandidaten hinzu, wenn sie sich der Landespartei vorstellen, um für einen bestimmten Platz auf der Landesliste zu kandidieren.

Es führen also viele Wege in den Bundestag. Eine Garantie für einen bestimmten gibt es nicht. Alles entscheidet letztlich der Wähler.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2002/bp0208/0210028a
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion