|  
  
 
 10.2.1.4   
„Regional Governance“ als Baustein einer Global Governance Mit Blick auf die bislang existierenden völkerrechtlichen 
Regelwerke sind v.a. regionale Integrationsprojekte (wie die EU, NAFTA, ASEAN, 
Mercosur) Vorreiter für das Regieren jenseits des Nationalstaates. Hier lässt 
sich nicht nur eine Orientierung der Wirtschaft, sondern – zumindest in Ansätzen 
– auch der Politik in Richtung auf plurinationale Regionen beobachten. Global 
Governance muss auf solchen größeren regionalen Kooperationskernen aufbauen 
und sie als organisatorischen Unterbau nutzen, weil das Subsidiaritätsprinzip 
auch im globalen Kontext sinnvoll bleibt und dem Aufbau teurer, aber ineffizienter 
bürokratischer Wasserköpfe vorbeugen kann. Die Spanne zwischen den Bedürfnissen 
der Menschen auf der lokalen Ebene und den globalen Ereignissen soll durch regionale 
Komponenten überbrückt werden.  In Europa ist diese Instanz die sich erweiternde Europäische 
Union, die sich seit Mitte der 90er Jahre – mittels der GASP – auch als außenpolitischer 
Akteur zu konstituieren begann. Häufig wird von außen gar eine Vorbildfunktion 
der EU für andere Regionen gesehen.19 Dabei steht vor allem das europäische, 
auf sozialen Ausgleich gerichtete Marktmodell im Vordergrund, das in den Augen 
vieler Menschen eine attraktive Alternative zum amerikanischen Modell ist. Diese 
Wahrnehmung Europas in der Welt sollte von den Regierungen als Aufforderung 
verstanden werden, dieses Modell zu verteidigen und die soziale Absicherung 
von Menschen weltweit zu befördern (vgl. auch Kapitel 4).Auch die demokratische 
Qualität der EU muss verbessert und durch Strukturreformen gefestigt werden. 
Dies gilt auch im Hinblick auf die Verwirklichung von Geschlechterdemokratie 
und Gleichstellung.20 Die Strukturreformen der EU sollten noch vor 
der anstehenden Erweiterung abgeschlossen werden und eine Ausweitung des Mehrheitsprinzips 
sowie ein höheres Maß an Legitimität der EU beinhalten.21 Das Weißbuch „Europäisches Regieren“ der EU-Kommission (2001f.) 
geht vom Befund eines rückläufigen 
Zutrauens der EU Bürger in die EU-Institutionen bei gleichzeitig zunehmenden 
Forderungen nach politischen Lösungen von Alltagsproblemen (Arbeitslosigkeit, 
Nahrungsmittelrisiken, Kriminalität, Konflikte an den Außengrenzen) aus. Zusätzliche 
Herausforderung erkennen die Autoren im laufenden Erweiterungsprozess.  Das Weißbuch hebt die folgenden Grundsätze „guten 
Regierens“ hervor: Offenheit, Partizipation, Verantwortlichkeit, Effektivität 
sowie Kohärenz, neben Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität.22 Seine 
Autoren fordern die Entwicklung von Kriterien, die auf eine stärkere und transparente 
Einbeziehung der Menschen in die Politik gestaltung zielen.23 Zivilgesellschaftliche 
Organisationen sollten an der Erarbeitung solcher Kriterien beteiligt werden. 
Über die Organisation und Rolle des bisherigen Wirtschafts- und Sozialausschusses 
soll neu nachgedacht werden, für die Beiziehung von Sachverständigen (derzeit 
fast 700 beratende ad-hoc Gremien) mehr Transparenz,24 Rechenschaftspflicht 
und damit auch Chancengleichheit erreicht werden. Die EU-Kommission will dafür 
einen Verhaltenskodex vorlegen. Weitere Vorschläge zielen auf eine Konzentration 
der Organe auf ihre Kernaufgaben: Der Rat sollte die Fachministerräte besser 
koordinieren und seine politische Führungsfähigkeit verbessern. Die EU-Kommission 
soll sich auf die Formulierung von Ini- 
  tiativen und deren Durchführung konzentrieren. Sie ist die Hüterin der Verträge 
und übernimmt die internationale Vertretung der Gemeinschaft. Das Europäische 
Parlament soll die öffentliche Debatte über die Zukunft der EU und ihrer außenpolitischen 
Rolle anleiten sowie die Durchführung der EU-Politiken und den Vollzug des Haushalts 
stärker kontrollieren. Außerdem sollen seine Mitentscheidungsbefugnisse erweitert 
werden. Leider bleibt im 
Weißbuch die Rolle des Europäischen Parlaments, dessen Stärkung ein wichtiger 
Schritt zu einer größeren Legitimität der Exekutive in Brüssel wäre, sonst weitgehend 
ausgeblendet. Ein 
105-köpfiger EU-Konvent, unter Beteiligung aller EU-Organe und der nationalen 
Parlamente, soll in den kommenden zwei Jahren Schlüsselfragen zur künftigen 
Entwicklung der Europäischen Union erörtern und beantworten helfen sowie einen 
weit gehenden Vorschlag für einen neuen EU-Vertrag bzw. eine mögliche Verfassung 
der EU erarbeiten.25 Ziel ist es, die innere und äußere Handlungsfähigkeit 
einer sich erweiternden Union in einer globalisierten Welt sicherzustellen und 
gleichzeitig auch die demokratische Legitimität und Transparenz der EU zu verbessern. 
Die Mitglieder des Verfassungskonvents sollen hierzu bis Sommer 2003 Reformvorschläge 
ausarbeiten. Auch die Institutionen der EU stehen dabei auf dem Prüfstand. So 
soll etwa das Zusammenwirken und die Zusammensetzung der wichtigsten Gremien, 
wie dem Rat als Organ der Regierungen, der Kommission und dem Parlament, neu 
geregelt werden. Eine weitere Frage wird sein, wie die Effizienz der Beschlussfassung 
in einer künftigen Union von etwa 30 Mitgliedstaaten erhöht werden kann, z.B. 
ob mehr Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden können sollten. 
Der Konvent will einen intensiven Dialog mit der Zivilgesellschaft suchen, die 
über ein Forum eingebunden werden soll.26 Eine 
erfolgreiche Reform der Governance im eigenen Haus kann auch mehr Glaubwürdigkeit 
und Gehör bei multilateralen Verhandlungen verschaffen. Die innerhalb der EU 
verfolgten Ziele Frieden, nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und soziale Gerechtigkeit 
sollten auch jenseits ihrer Grenzen gefördert werden. Regionale Integrationsprojekte, 
die sich bislang nur als rein wirtschaftliche Freihandelszonen verstehen (z.B. 
NAFTA), sollten auch auf der politischen Ebene ausgebaut werden, um Handlungsspielräume 
gegenüber dem Globalisierungsdruck zu erweitern. Schließlich sollte auch die 
Kooperation zwischen den Regionen ausgebaut werden. Mit dem Ziel einer verbesserten 
Kooperation wurde am 23. Juni 2000 das sog. „Abkommen von Cotonou“ zwischen 
der EU und den z.Zt. 77 Ländern der Staatengruppe Afrikas, der Karibik und des 
Pazifiks (AKP-Staaten) unterzeichnet. Das neue Kooperationsabkommen setzt auf 
die Weiterentwicklung des politischen Dialogs, die Beteiligung der 
Zivilgesellschaft, Bekämpfung der Armut, regionale Freihandelsabkommen (statt 
der bisherigen Handelspräferenzen und der Exporterlösstabilisierung) sowie die 
Reform der finanziellen Zusammenarbeit. Ebenso wichtig ist die Absicht der EU, 
die subregionale Integration zu fördern, um die Stellung dieser Gebiete auf 
dem Weltmarkt langfristig zu verbessern. Kritische 
Beobachter aus dem Süden27 haben einhellig auf das heute in Folge 
des Nord-Süd Machtgefälles fehlende „level playing field“ im internationalen 
Handel hingewiesen. Zugleich formulieren sie das Bedürfnis nach einem 
– in der Sprache der Handelspolitik – „special and differential treatment“ als 
unerlässliche und in den Prinzipien von ITO28 und GATT verankerte 
Voraussetzung für die nachholende Industrialisierung der EL. Die Beschränkung 
auf je Land und den Einzelfall spezifizierte Ausnahmen im Rahmen der WTO habe 
den Aufholprozess gerade von Ländern auf der Schwelle zur Industrialisierung 
aufgehalten. Vor diesem Hintergrund haben sich Vertreter des Südens (vgl. Bello 
2001) für stärker regionale Governance Strukturen anstelle der zunehmend zentralisierenden 
Strukturen von Weltbank, IWF und WTO ausgesprochen. Empfehlung 10-3       Regionalisierungsanstrengungen 
der Entwicklungs länder unterstützen Die Enquete-Kommission empfiehlt Bundestag 
und Bundesregierung im Bereich der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit 
mit Entwicklungsländern Strategien zu unterstützen, die auch in anderen Regionen 
der Welt Formen der regionalen Kooperation entstehen lassen.  Ein erster Ansatz ist der Stabilitätspakt 
Südosteuropa, der auf eine regionale Zusammenarbeit abzielt, bei der internationale 
Institutionen nur noch flankierend den Prozess begleiten, die Initiativen letztendlich 
aber aus den Ländern der Region selbst entstehen. Im Rahmen des Abkommens von 
Cotonou sind politische und wirtschaftliche Partnerschaften zwischen der EU 
und AKP-Staaten bzw. deren regionalen Zusammenschlüssen vereinbart worden. Solche 
Ansätze zur Bündelung regionaler Kräfte und Interessen sollten auf die regionalen 
Bedürfnisse zugeschnitten werden, um Entwicklungsländer dabei zu unterstützen, 
stärker als bisher von den Vorteilen der Globalisierung zu profitieren. 
  19 Vgl. den Bericht der Delegationsreise 
der Enquete-Kommission 
nach Mexiko 2001.
 
 
 20 Die EU hat im Vertrag 
von Amsterdam (1997, gültig seit 1999) die 
Gleichstellung als vorrangiges Ziel fest geschrieben; Art. 2 des Vertrages 
lautet: Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung 
eines gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion 
sowie durch die Durchführung der in den Art. 3 und 4 genannten 
gemeinsamen Politiken und Maßnahmen in der ganzen Gemeinschaft 
(...) die Gleichstellung von Männern und Frauen (...) zu 
fördern. Art. 3 Abs. 2 des Amsterdamer Vertrages besagt: Bei 
allen 
in diesem Artikel genannten Tätigkeiten wirkt die Gemeinschaft 
darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von 
Männern und Frauen zu fördern.
 
 
 21 Vgl. dazu auch Helmut Schmidt 
(2000: 248ff.), für den jedoch ein Gelingen 
dieser notwendigen Reformschritte noch nicht garantiert ist.
 
 
 22 Governance steht für 
die Regeln, Verfahren und Verhaltensweisen, 
die die Art und Weise, wie auf europäischer Ebene Befugnisse ausgeübt 
werden, kennzeichnen, und zwar in Bezug auf Offenheit, Partizipation, 
Verantwortlichkeit, Effektivität und Kohärenz (Europäische 
Kommission 2001f: 11).
 
 
 23 Entsprechend wird das Weißbuch 
derzeit in einem öffentlichen Diskussionsprozess 
(bislang über 2 500 beteiligte Organisationen und 
Personen) diskutiert (vgl. http://europa.eu.int/comm/governance/ 
index_en.htm 30. April 2002).
 
 
 
 24 Wegweisend ist hier im Umweltbereich 
die Aarhus-Konvention, das 
UN-ECE Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die 
Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang 
zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (vgl. http://www.unece. 
org/env/pp/documents/cep43e.pdf 10. Mai 2002).>
 
 
 25 Die Erklärung über 
die Zukunft der Union des Europäischen Rats 
vom 14./15. Dezember 2001 in Laeken erläutert Inhalt und Verfahren 
des Prozesses zur Zukunft Europas. Dieser Prozess soll im Jahr 
2004 in eine erneute Regierungskonferenz münden, die durch den 
Konvent zur Zukunft Europas vorbereitet wird (für Dokumente und 
weitere Informationen vgl. die Internetseite des Konvents http://european- 
convention.eu.int/ 10. Mai 2002).
 
 
 26 Siehe die Internetseite dieses 
Forums zum EU-Konvent 
(http://www.europa.eu.int/futurum/index_de.htm 10. Mai 2002).
 
 
 27 Vgl. die Beiträge von 
Bello (2001), Bullard (2001), Singh und Dhumale 
(1999), siehe auch UNCTAD (2002).
 
 
 28 Die International Trade 
Organisation war in den Nachkriegsjahren 
als UN-Sonderorganisation geplant. Die Satzung der ITO, die Havanna 
Charta, wurde jedoch 1947 von den USA nicht ratifiziert, da 
die Ausnahmen bei den Handelsbestimmungen, wie sie v. a. von den 
Entwicklungsländern gefordert wurden, auf Kritik stießen.
 
 
 
  
  
 |