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 11.3.3.4   Korruption und Bestechung Wir begrüßen, dass dieses Thema als globales Problem identifiziert 
und in den Endbericht mit aufgenommen wurde, allerdings greifen sowohl die Ursachenanalyse 
wie auch die Empfehlungen zu kurz. Völlig ausgeklammert bleibt bei der Betrachtung 
der Korruption die umfangreiche Privatisierungswelle der Vergangenheit, die 
ohne ausreichende demokratische Kontrolle und Transparenz als Quelle des massiven 
Anstiegs von Korruption und Bestechung gewertet werden kann. Den Nährboden für 
Korruption bildet beispielsweise das „Verleasen“ von Fahrzeugpark und Schienenanlage 
mit Steuergeschäften über viele Milliarden Euro, die über Offshorezentren abgewickelt 
werden oder Public-Privat-Partnership-Modelle, die Garant dafür sein sollten 
öffentliche Aufgaben effizienter als „träge, bürokratische“ Verwaltungen zu 
erledigen, aber gleichzeitig intransparente Netzwerke herausbilden. Korruption 
und Bestechung gedeiht offensichtlich auch dort, wo es im Konkurrenzkampf von 
Banken und transnationalen Konzernen bei der Privatisierung um lukrative Bereiche 
der öffentlichen Daseinsvorsorge geht.   
  Im Endbericht wird gefordert, ein Umfeld zu schaffen, auf dem Korruption nicht 
gedeiht. Doch Privatisierungen und Beteiligungen werden in der Analyse der Ursache 
und bei den Empfehlungen völlig ausgeblendet. Transparenz wird eingefordert, 
aber in den Empfehlungen überwiegen Maßnahmen zur Strafverschärfung bei Korruption. 
Wir teilen zwar diese Empfehlungen, halten jedoch die Demokratisierung und mehr 
Transparenz für wesentliche Mittel, um der Korruption und Bestechung die Grundlage 
zu entziehen. In Ländern, wie z.B. Schweden, die hohe Transparenz und Informationsrechte 
gewährleisten, ist der Korruption sehr viel weitergehend die Grundlage entzogen 
als bei uns. Als Vorbild gilt uns in diesem Sinne auch der „Beteiligungshaushalt“ 
von Porto Alegre, weil dort neben Transparenz und Information, direkte Beteiligung 
ermöglicht wurde. Seit 1989 entscheiden dort Bürgerinnen und Bürger der südbrasilianischen 
Landeshauptstadt mit über die Verwendung der kommunalen Haushaltsmittel. Jährlich 
finden zweiundzwanzig öffentliche Bürgerversammlungen statt, an denen jeder 
interessierte Einwohner der Stadt teilnehmen kann und ein Stimmrecht hat. Auf 
den Versammlungen werden die Prioritäten für den Haushalt festgelegt sowie Vertreter 
der Stadtviertel für den kommunalen Beirat des Beteiligungshaushalts gewählt. 
Daneben wird in thematischen Foren seit 1994 über Projekte entschieden, welche 
die ganze Stadt betreffen. Die Foren repräsentieren die Kernbereiche der kommunalen 
Aufgaben: Transport und Verkehr, Gesundheit, Bildung, Soziales, Wirtschaftsentwicklung, 
Stadtentwicklung und Steuern. Selbst die Ansiedlung von Konzernen wird in solchen 
Projekten begleitet. Je zwei Vertreter/innen der Foren und der Stadtviertel 
werden für ein Jahr in den Haushaltsrat gewählt. Hier wird über die Umsetzung 
der Beschlüsse und Vorhaben für das folgende Haushaltsjahr die Rechenschaft 
der Stadtverwaltung eingefordert sowie die Richtlinien, die Vergabe der Finanzmittel 
und die Einhaltung von Verteilungskriterien für die Haushaltsplanung überwacht. 
Jährlich beteiligen sich inzwischen mehr als 100000 Menschen, was rund 15 Prozent 
der Wahlberechtigten in Porto Alegre entspricht.  Seit 1999 werden darüber hinaus im brasilianischen Bundesland 
Rio Grande de Sul die Prioritäten des Landeshaushalts in einem ähnlichen Verfahren 
festgelegt. Einem Bundesland, das größer ist als Westdeutschland. Das partizipative 
Verfahren des Beteiligungshaushalts hat inzwischen Nachahmung in mehr als 200 
brasilianischen Städten gefunden. Im Jahre 1999 stellten auf einer internationalen 
Konferenz Politiker und Wissenschaftler aus u.a. Barcelona, Montreal, Saint 
Denis, Stockholm und Toronto ihre unterschiedlichen Praxiserfahrungen mit Beteiligungshaushalten 
dar. Das Spektrum reichte von stärkerer Transparenz über Planungszellen, Konsultationsprozesse, 
„Runde Tische“ bis hin zur direkten Einflussnahme der Bürgerinnen und Bürger 
auf die Haushaltsentscheidungen. Auch einige wenige deutsche Kommunen haben 
inzwischen Schritte in diese Richtung unternommen und in einem Netzwerk „Kommunen 
der Zukunft“ (auf Initiative der Bertelsmann Stiftung) die Erfahrungen Porto 
Alegres der letzten zwölf Jahre aufgegriffen. Bis jetzt gilt Porto Alegres Bürgerhaushalt 
als das am weitesten entwickelte Modell direkter Demokratie. Auf der VN-Konferenz 
„Habitat II“ im Jahr 1996 wurde Porto Alegre deshalb zur Hauptstadt der Demokratie 
erklärt, die Weltbank lobte sie als Modell für nachhaltige Stadtentwicklungspolitik. 
Zahlreiche Auswertungen verweisen zudem darauf, dass die Korruption merklich 
zurückgegangen sei. Auch die Bürger/innen Porto Alegres teilen diese Sicht. 
In einer Umfrage erklärten 98 Prozent der Befragten, dass sie ihre Stadt für 
korruptionsfrei halten. Wir meinen, dass die Empfehlungen der Enquete-Kommission 
erweitert werden müssen, um einen vergleichbaren Demokratisierungsprozess zu 
unterstützen. Empfehlungen Wir fordern 
Bund, Länder und Gemeinden auf, die Erfahrungen mit Bürgerhaushalten zu evaluieren 
und Schritte zur Umsetzung der Bürgerbeteiligung auf zunächst kommunaler Ebene 
zu ergreifen: Dabei sollten die Kommunen von Bund und Ländern unterstützt werden. 
Die Erfahrungen des Netzwerks „Kommunen der Zukunft“ sind in den Prozess einzubeziehen. Die von 
der Enquete-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Transparenz in der Auftragsvergabe 
müssen auch für Privatisierungs- und Beteiligungsvorhaben gelten. Darüber hinaus 
ist ein allgemeines Recht auf Akteneinsicht zu gewähren. Unternehmen 
müssen über Absichtserklärungen hinaus in die Korruptionsbekämpfung durch mehr 
Transparenz einbezogen werden. Bei der öffentlichen Auftragsvergabe, Privatisierungs- 
und Beteiligungsvorhaben müssen Unternehmen eventuelle Parteispenden sowie Verträge 
mit Amtsträgern, die auch ehemalige Amtsträger mit ein schließen, offenlegen. 
Diese Angaben sind jährlich fortzuschreiben und zu veröffentlichen. 
 
  
  
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