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    4.9.1.5 Exkurs: Schattenwirtschaft als Teilbereich der 
                          informellen Arbeit49 Als Teilbereich 
der informellen Arbeit umfasst Schattenwirtschaft all diejenigen Tätigkeiten, 
die im Sinne der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Wertschöpfung darstellen, 
aber in den bestehenden amtlichen Statistiken nur zum Teil ausgewiesen werden. 
Schattenwirtschaft unterscheidet sich insofern von den Aktivitäten, die als 
Summe aller Güter und Dienstleistungen im offiziellen BIP enthalten sind, als 
keine Steuern und Sozialversicherungsabgaben bezahlt werden. Ein weiteres Merkmal 
der Schattenwirtschaft ist die häufige Verletzung von arbeits- und sozialrechtlichen 
Normen (u.a. Überstundenregelung, Arbeitsschutzgesetzgebung) (Schneider 2001, 
2001a). Bei der 
Messung von Schattenwirtschaft wird zwischen direkten und indirekten Methoden 
unterschieden. Direkte Methoden umfassen Umfragen und Erhebungen. In Deutschland 
haben sie in den letzten Jahren deutlich an Relevanz gewonnen, da die Auskunftsverweigerungsquote 
zu Schattenwirtschaft bei Haushaltsbefragungen seit 1996/97 nur noch bei ungefähr 
0,8 Prozent liegt. Diese Quote lag Ende der 1970er Jahre noch bei über 30 Prozent, 
so dass zu diesem Zeitpunkt das Instrument der Direktbefragung kaum aussagefähig 
war. Die enorm gestiegene Bereitschaft, über Schattenwirtschaft Auskunft zu 
geben, kann als allgemeiner Wertewandel interpretiert werden. Schattenwirtschaft 
wird offensichtlich zunehmend als „Kavaliersdelikt“ empfunden, über das bereitwillig 
Auskunft gegeben wird.50  
  Nach dem Bargeldansatz (vgl. Fußnote 49) haben besonders die südeuropäischen 
Länder einen relativ hohen Anteil an Schattenwirtschaft (25–30 Prozent des offiziellen 
BIP). Die skandinavischen Länder und Belgien haben Anteile von ca. 17 bis 19 
Prozent. Deutschland liegt mit 
16 Prozent des BIP im mittleren Feld. Die Länder Schweiz, USA, Japan, Österreich 
sind im unteren Drittel vertreten. Der ungewichtete OECD-Durchschnitt liegt 
bei 16,7 Prozent in den Jahren 1999/2000 (Schneider 2001, s. Abbildung 4-17). Im Gegensatz zu den Ländern Südeuropas, in 
denen die Anteile der Schattenwirtschaft auf hohem Niveau in den 90er Jahren 
relativ stabil oder leicht rückläufig waren, ist der Anteil der Schattenwirtschaft 
von 1989 bis 1999 in Deutschland von 11,8 auf 16 Prozent gestiegen. Jüngste 
Schätzungen zeigen, dass die Schattenwirtschaft in Deutschland von 643 Milliarden 
DM (2000) auf 658 Milliarden DM (ca. 335 Milliarden Euro) im Jahr 2001 gestiegen 
ist. Innerhalb Deutschlands gibt es beim Umfang der Schattenwirtschaft erhebliche 
regionale Unterschiede. Mit Abstand weist Berlin West die höchste Zunahme der 
Schattenwirtschaft in den Jahren 1995–1999 auf. Im Bundestrend zeichnen sich 
noch  Niedersachsen und Schleswig Holstein 
durch hohe Raten in der Schattenwirtschaft aus (Schneider 2001). Bezüglich der Daten über Schattenwirtschaft 
in Entwicklungs- und Schwellenländern bestehen große Unsicherheiten. Studien 
Schneiders (2001, 2001a) zufolge lag 1998/99 die Schattenwirtschaft in ausgewählten 
Ländern des asiatischen Raums in Prozent des offiziellen BIP in Bangladesh bei 
34,6 %, Indien bei 22,4 %, Malaysia bei 30,7 %, Pakistan bei 35,8 %, den Philippinen 
bei 42,4 % und Thailand bei 51,6 %, so dass in vielen Ländern 
Asiens, Afrikas und Südamerikas, sowie in ehemaligen Ostblockländern auch von 
einer Parallelwirtschaft gesprochen werden kann. Diese Werte steigen in Afrika 
bis auf 50 Prozent. Im Durchschnitt liegt der prozentuale Anteil der Schattenwirtschaft 
am BIP der 33 afrikanischen Ländern bei circa 26 Prozent. Gleichwohl beträgt 
der prozentuale Anteil der in Schattenwirtschaft arbeitenden Personen bezogen 
auf alle Erwerbstätige circa 55 Prozent. In Lateinamerika erreicht der Anteil 
der Schattenwirtschaft am BIP-Wert von durchschnittlich über 20 Prozent. Auch 
hier sind jedoch die Hälfte der Erwerbstätigen in der Schattenwirtschaft tätig. 
Auch in den neun ost europäischen Ländern liegt der durchschnittliche Anteil 
der Schattenwirtschaft am BIP 1998 bei ca. 24 Prozent. Ähnlich wie in Lateinamerika 
sind auch hier 49 Prozent der Erwerbstätigen in der Schattenwirtschaft tätig. Im Gegensatz 
zu Altvater und Mahnkopf (2001) erklärt Schneider die zunehmende Schattenwirtschaft 
in OECD-Ländern mit einer steigenden staatlichen Regulierungsintensität und 
mit strukturellen Veränderungen des Arbeitsmarktes und des Beschäftigungssystems 
(z. B. steigende Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge, Verkürzung der 
 
  Arbeitszeit und/oder steigende Arbeitslosigkeit). Bei einem Preisverhältnis 
von Schatten- zu formeller Arbeit von circa 1:4 bis 1:5 können die Steuer- und 
Sozialabgaben keineswegs in dem Maße gesenkt werden, wie es theoretisch notwendig 
wäre, um den Kostenabstand zwischen formeller Arbeit und Schattenwirtschaft 
deutlich zu verkürzen. Vielmehr weist er darauf hin, dass die Ausweitung der 
Schattenwirtschaft durch einen nachhaltigen Wertewandel in der Bevölkerung begünstigt 
werde. Schneider verneint allerdings, dass die zunehmende Schattenwirtschaft 
regulären Betrieben Aufträge im großen Masse entzieht. Vielmehr seien circa 
zwei Drittel der Schattenwirtschaft komplementär zur formellen Arbeit, so dass 
zusätzliche Wertschöpfung entstünde. Zwei Drittel des schwarzverdienten Geldes 
fließen als Konsumnachfrage in die offizielle Wirtschaft zurück. Steuer- und 
Sozialversicherungsausfälle können deshalb nicht auf Basis der 335 Milliarden 
Euro berechnet werden. Dieser 
Argumentation folgend ist Schattenwirtschaft ein „hausgemachtes“ Problem. In 
Deutschland sei insbesondere durch komplizierte Abschreibungsmodelle und die 
Wiedervereinigung, die eher Einkommensstarke begüns tigt hat, ein „Ungerechtigkeitsgefühl“ 
entstanden. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass die Menschen in diesem 
Gefühl indirekt durch die Globalisierung bestärkt werden, wenn mit dem Hinweis 
auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit eine Verschiebung der Steuerlast 
zu Gunsten der Kapitaleinkommen und zuungunsten der Arbeitnehmer bzw. Konsumenten, 
begründet wird. Das „Ungerechtigkeitsgefühl“ schlägt sich in der steigenden 
Bereitschaft nieder, Schattenwirtschaft auszuführen oder zu nutzen. Diese Bereitschaft 
wird durch die enormen Preis unterschiede zwischen Schattenwirtschaft und Tätigkeiten, 
die über den formellen Sektor abgewickelt werden, gefördert (Schneider 2001a, 
2001b). 
  49 Das 
Kapitel basiertauf einem Vortrag von Friedrich Schneider am 
7.12.02 in Berlin (vgl. auch Schneider 2001, 2001a).
 
 
 50 Neben 
den direkten Umfragen werden zudem indirekte Messverfahren 
verwendet, u. a. kann Schattenwirtschaft über den sogenannten 
Bargeldansatz oder den Elektrizitätsverbrauch berechnet werden. 
Bei diesem monetären Ansatz wird davon ausgegangen, dass schattenwirtschaftliche 
Aktivitäten größtenteils in bar abgewickelt werden, 
um gegenüber den Steuerbehörden keine Spuren (Rechnungen, 
Kontenbewegungen etc.) zu hinterlassen. Man kann also von einem 
Normalwert des Bargeldbedarfs ausgehen und immer dann auf schattenwirtschaftliche 
Aktivitäten schließen, wenn der Bargeldbedarf 
über den Normalpegel steigt. Am Bargeldansatz wird kritisiert, dass 
bei dieser Methode ein Referenzwert benötigt wird, bei dem eine Referenzperiode 
unterstellt werden muss, in der es keine Schattenwirtschaft 
gab. Doch diese lässt sich schwer belegen. Zudem müssten 
auch andere Einflüsse als die der schattenwirtschaftlichen Aktivitäten 
auf die Veränderungen des Bargeldkoeffizienten ausgeschlossen 
werden. Dies ist ebenfalls problematisch, da der Bargeldkoeffizient 
mit dem Konjunkturverlauf schwankt und von technischen Entwicklungen 
des Zahlungsverkehrs (Kreditkarte etc.) abhängig ist (Altvater 
und Mahnkopf 2001). 
Ein anderer Versuch der Indizierung der Schattenwirtschaft ist die 
Messung des Elektrizitätsverbrauchs. Unter der Annahme, dass die 
Elastizität des Elektrizitätsverbrauchs in Bezug auf das Sozialprodukt 
nahe bei eins liegt, kann auf schattenwirtschaftliche Aktivitäten 
geschlossen werden, wenn der Elektrizitätsverbrauch stärker steigt 
als das offizielle BIP. Allerdings wird gegen die Verwendung des 
physischen Indikators die gleiche Kritik wie an monetären Indikatoren 
erhoben: Die Annahme eines normalen Verhältnisses von BIP 
und Elektrizitätsverbrauch ist schwer begründbar und obendrein gibt 
es technische Entwicklungen, die die Annahme einer konstanten 
Elastizität fragwürdig machen. Bestimmte schattenwirtschaftliche 
Tätigkeiten in wenig energieintensiven Dienstleistungen werden 
möglicherweise gar nicht erfasst. Gleiches gilt für die prekären 
Arbeitsverhältnisse 
im formellen Sektor (Altvater und Mahnkopf 
2001).
 
 
 
  
  
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