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 4.9.2.3 Arbeitsmigration 4.9.2.3.1  Allgemeine Entwicklungen52 Die Migration der Arbeitskräfte ist ein wichtiger Bestandteil 
der Globalisierung; sie wird durch wirtschaftliche und politische Faktoren beeinflusst 
und wirkt sich andererseits auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt aus (Lorenz 
2001: 2). Angaben der International Organisation for Migration (IOM) zufolge 
waren im Jahr 2000 etwa drei Prozent der Weltbevölkerung Migranten. Die absolute 
Anzahl der Migranten stieg damit von 120 Millionen im Jahr 1990 auf 150 Millionen 
im Jahr 2000. Mit steigender Tendenz gehören auch immer mehr Frauen zu den Migranten, 
sie machen derzeit fast die Hälfte. Europa, Nordamerika und einige Länder Asiens 
zählen zu den bedeutendsten Einwanderungsländern. So verzeichnet die USA eine 
jährliche legale Zuwanderung von einer Million Menschen. Weitere 300 000 wandern 
nach Schätzungen der IOM illegal ein (vgl. auch Kapitel 6.2.2.2). Zur Zeit leben etwa über 90 Millionen Arbeitsmigranten und 
ihre Familien legal oder illegal außerhalb ihrer Herkunftsländer. Die Migration 
von Arbeitskräften ist noch immer eine wichtige Komponente der internationalen 
Wanderungsbewegungen, und ihre Entwicklung spiegelt tiefgreifende Veränderungen 
bei der Weltwirtschaft wider, vor allem auf der regionalen und interregionalen 
Ebene (Lorenz 2001: 1). Die Migration aus den Entwicklungsländern ist dabei sowohl 
im Hinblick auf die Herkunfts- als auch auf die Zielländer vielfältiger geworden. 
Sie wird durch die Globalisierung, die technologischen Fortschritte bei Kommunikation 
und Transport und das Wachstum regionaler Wirtschaftsblöcke (in Europa, Nordamerika, 
Asien und dem pazifischen Raum) erleichtert. Während die Migration der Arbeitskräfte 
aus den Entwicklungsländern in die 
  Industriestaaten andauert, haben Wanderungsbewegungen zwischen den Entwicklungsländern, 
sowie die Ost-West-Ströme, vor allem in Europa, erheblich zugenommen. Heute 
kommt es außerdem häufiger zu Bewegungen innerhalb von Regionen, und jede Region 
hat ihre eigenen typischen Muster (z. B. die Systeme der zeitlich begrenzten 
Verträge in Asien). Da viele Zielländer der Migranten die Möglichkeiten für eine 
dauerhafte Einwanderung stark eingeschränkt haben, ist die vorübergehende oder 
illegale Migration für viele Menschen die einzige Möglichkeit zur Migration. 
Selbst in Ländern wie Australien, Kanada, Neuseeland und den Vereinigten Staaten, 
die weiterhin dauerhafte Einwanderungsgenehmigungen vergeben, ist die vo rübergehende 
und illegale Migration dramatisch angestiegen. Nach wie vor ist die Migrationspolitik der Zielländer durch 
den Versuch gekennzeichnet, die Migranten nach den Erfordernissen des heimischen 
Arbeitsmarkts aus zuwählen und zu steuern. In den 60er Jahren war z. B. 
die einheimische Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland vollbeschäftigt, 
und es gab eine zusätzliche Nachfrage aus der Wirtschaft. Um diese Lücke auf 
dem Arbeitsmarkt zu schließen, wurden massenhaft Arbeitskräfte aus dem Ausland 
angeworben. Auch damals 
wurden die Grenzen nicht für alle, sondern nur für den prognostizierten Arbeitskräftebedarf 
geöffnet. Die ausländischen Arbeitskräfte wurden vorher anhand ihres Alters 
und gesundheitlichem Zustand aus einem Bewerberpotenzial ausgewählt. Heute ist 
der Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland durch Massenarbeitslosigkeit 
gekennzeichnet. In einigen Branchen, insbesondere in der Informationswirtschaft, 
wird jedoch zeitgleich ein Mangel an Fachkräften beklagt. Die Möglichkeit, auf 
ausländische Fachkräfte zurückzugreifen, kann aber in den Zielländern die Motivation 
senken, in hinreichendem Maße finanzielle Ressourcen für eine angemessene 
Bereitstellung von Ausbildungskapazitäten bereitzustellen. Allgemein globalisiert wurde die legale Migration von Arbeitskräften 
nur für Gruppen bestimmter Spezialisten wie Computer-Fachleute, bei denen in 
vielen westlichen Ländern die Nachfrage nicht ausreichend durch einheimische 
Kräfte gedeckt werden kann. In manchen Fällen ist die Arbeit zu Subunternehmern 
in Ländern wie Indien ausgelagert worden, in denen ein großes Reservoir von 
Fachkräften existiert. Außerdem werben, vor allem in den USA, private Firmen 
selektiv Fachpersonal aus Europa und Südamerika an (Lorenz 2001: 3). Ein zentrales Probem in diesem Zusammenhang all gemeiner 
Migration, ist die Zunahme der illegalen Einwanderung und des Menschenschmuggels 
als schwer wiegende Folge des Ungleichgewichts zwischen dem Emigrationsdruck 
und der restriktiven Einwanderungspolitik traditioneller Zielländer. Illegale 
Einwanderung, Menschenschmuggel sowie Zwangsprostitution sind wichtige Themen 
für eine Folge-Enquete-Kommission. 4.9.2.3.2  Die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte53 In der Diskussion um die digitale Spaltung spielt die Migration 
von Fachkräften des IuK-Sektors eine zentrale Rolle. Hier existiert seit mehreren 
Jahren ein ausgeprägter internationaler Wettbewerb. Dabei übersteigt die Nachfrage 
das Angebot an Arbeitskräften im IuK-Sektor deutlich.  Neben der Notwendigkeit, genügend hochqualifizierte Arbeitskräfte 
auszubilden, muss auch Vorsorge getroffen werden, um Fachkräfte mit monetären 
und nicht-monetären Anreizen im Land zu halten bzw. sie zur Rückkehr zu bewegen. 
Kehren Migranten in ihr Heimatland zurück, können sich das erworbene Wissen 
und die internationalen Kontakte in Wissenschaft und Industrie positiv auf die 
Volkswirtschaft des Heimatlandes auswirken. Dieses „brain gain“ gilt insbesondere 
für Entwicklungs- und Schwellenländer. Der IOM zufolge konnte Mexiko von einer 
Person, die in den USA ein Jahr Berufserfahrung gesammelt hat, acht Mal höher 
profitieren, als wenn die entsprechende Person in Mexiko geblieben wäre (IOM 
2001: 33). Teilweise wird dieser Verlust von Humankapital durch Rückkehrer kompensiert, 
die den Aufbau einer einheimischen Software Industrie durch ihre Berufserfahrungen 
und internationalen Kontakte in hohem Masse fördern (Zuwanderungskommission 
2001: Kap. 6.4). Dennoch wird der finanzielle Verlust durch Brain Drain 
z. B. in Indien im Jahr 2000 auf zwei Milliarden US-Dollar geschätzt (UNDP 2001a). Fazit ist, dass die Abwanderung von Fachkräften in vielen 
Ländern ein reales Entwicklungshemmnis darstellt. Die Zuwanderungskommission 
der Bundesregierung schreibt hierzu: „Grundsätzlich gefährdet eine Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften 
die technische Kompetenz eines Landes, und sie kann potenzielle Entwicklungschancen 
reduzieren. Die Abwanderung kann Auswirkungen auf das im Land vorhandene Know 
How, die Produktivität und nicht zuletzt die gesamtgesellschaftliche Entwicklung 
haben. Negative Rückwirkungen auf den Arbeitsmarkt des Herkunftslandes sind 
nicht ausgeschlossen. Es besteht die Gefahr eines sich selbst verstärkenden 
Prozesses wirtschaftlichen Niedergangs und der Nichterfüllung staatlicher Aufgaben, 
was weitere Abwanderung nach sich ziehen kann.“ (Zuwanderungskommission 2001: 
Kap. 6.4) Im Bereich des Brain Drain fehlen verlässliche, international 
vergleichbare Zahlen. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die Emigration 
hochqualifizierter Arbeitskräfte insgesamt, d.h. nicht nur IuK Experten, aus 
Süd- und Mittelamerika und Asien nach Nordamerika besonders hoch ausfällt. So 
hielten sich im Jahr 2000 annähernd 200000 hochqualifizierte Arbeitskräfte, 
vor allem Software Experten aus Indien, mit H-1B Visen in den USA auf, die ihnen 
eine Arbeitserlaubnis von 
  zunächst drei Jahren gewähren. In Indien verlassen ca. 60 Prozent der Absolventen 
der Technischen Universitäten das Land (Zuwanderungskommission 2001: 81). Afrika hat Schätzungen der Weltbank zufolge zwischen 1960 
und 1987 etwa ein Drittel seiner ausgebildeten Fachkräfte an die Industrieländer 
verloren. Auch weiterhin wandern durchschnittlich jährlich ca. 23000 qualifizierte 
Arbeitskräfte insbesondere Akademiker und Ingenieure ab (Kriks 1997: 232f., 
Körner 1998: 27, Weltbank 1995). Zwischen 1988 und 1997 wanderten ca. 233 000 
Südafrikaner dauerhaft in fünf Länder (GB, USA, Kanada, Australien, Neuseeland) 
ab. Besonders betroffen sind Länder wie Nigeria, Ghana und der Sudan, aber auch 
nordafrikanische Länder wie Ägypten und Algerien (Stamm 2001a, Körner 1998: 
27)54. Die ökonomischen und sozialen Folgen des Brain Drain sind 
insbesondere für Entwicklungs- und Schwellen länder enorm. Die zentrale Frage 
ist, wie diese Kosten kompensiert, wie die betroffenen Länder ihre Aus bil 
dungssys teme erhalten und auf welchem Wege die Fachkräfte im Land gehalten 
bzw. zur Rückkehr bewegt werden können.  Eine Möglichkeit ist die Einführung von Steuern, um die finanziellen 
Verluste durch das Brain Drain zu kompensieren. Dabei werden verschiedene Konzepte 
diskutiert. Zum einen wird die “Exit-Steuer” debattiert. Diese Steuer wird erhoben, 
sobald ein Visum ausgestellt wird und entweder vom Arbeitnehmer oder dem neuen 
Arbeitgeber gezahlt. Zudem sollen Studierende eventuelle Darlehen beim Verlassen 
des Landes zurückzahlen. Des Weiteren wird über eine sogenannte Kopfsteuer diskutiert, 
die von allen im Ausland lebenden Personen zu zahlen wäre. Internationale Absprachen 
können zudem darauf hinwirken, den Verlust durch Brain Drain bilateral zwischen 
einzelnen Ländern auszugleichen (UNDP 2001a: 92).  Eine andere Möglichkeit wäre, von den Firmen und Institutionen, 
die in den Zuwanderungsländern von speziellen Anwerbeverfahren („Green Cards“) 
profitieren, eine Gebühr zu erheben, die sich ggf. an den üblichen Entlohnungen 
von „Head Huntern“ orientiert. Die so geschöpften Ressourcen könnten dann gezielt 
zur Förderung von Ausbildungskapazitäten in den am wenigsten entwickelten Ländern 
(LDCs) eingesetzt werden. Korea und Taiwan versuchen über attraktive Forschungsinstitute, 
eine moderne Wissenschaftsinfrastruktur, hohe Gehälter und Karrieremöglichkeiten 
sowie 
Investitionsmöglichkeiten für forschungsintensive High-Tech-Unternehmen Hochqualifizierte 
ins Land zurückzuholen. So lag die Rückkehrrate von Personen, die ihre Promotion 
in den USA abgeschlossen haben, in Korea in den 1960er Jahren bei ca. 16 Prozent 
während die Rate in den 1980er auf über zwei Drittel anstieg. Infolge der standortungebundenen 
Kommunikationsmöglichkeiten engagieren sich darüber hinaus beide Länder im Aufbau 
von internationalen Netzwerken (UNDP 2001a: 92, BMBF 2001d: 8).  In Afrika gestaltet sich die Rückkehr qualifizierter Arbeitskräfte 
aufgrund gravierender politischer, sozialer und ökonomischer Probleme wesentlich 
schwieriger. Dort versucht eine Kommission „The Return of Qualified African 
Nationals Programme“ die Reintegration hochqualifizierter Afrikaner, jedoch 
mit geringem Erfolg (UNDP 2001a: 92). 
  52 Dieser Abschnitt basiert auf Lorenz (2001).
 
 
 53 Dieser Abschnitt basiert auf Lorenz (2001).
 
 
 54 Die (zeitweilige) Abwanderung hochqualifizierter 
Arbeitskräfte betrifft 
auch Industrieländer. Grundsätzlich ist der mehrjährige internationale 
wissenschaftliche Austausch positiv zu bewerten und nicht 
als Brain Drain zu bezeichnen. So weist das BMBF in einer Studie 
darauf hin, dass 12-14 Prozent aller deutschen Nachwuchswissenschaftler 
im Durchschnitt 3-4 Jahre als Postdocs in den USA forschen. 
Die sehr produktive wissenschaftliche Zeit nach der Promotion 
wird folglich an führenden Forschungsuniversitäten oder 
-laboratorien in den USA verbracht. Eine ähnliche Situation ergibt 
sich in der Schweiz, die ebenfalls zu den Entsendeländern von Nachwuchswissenschaftlerinnen 
und -wissenschaftler zählt. Als sogenannte 
Push-Faktoren werden ähnlich wie in Deutschland die Lage 
des akademischen Mittelbaus und des Ordinariensystems sowie abnehmende 
Forschungsfinanzierung genannt. Ein Pull-Faktor ist die 
Attraktivität eines Netzwerkes von gut ausgebildeten Nachwuchswissenschaftlern 
aus aller Welt, u. a. in Form von Think Tanks und 
Centers of Excellence (BMBF 2001d: 7f).
 
 
 
  
  
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