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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Jochen Feilcke, CDU/CSU Dr. Karl H. Fell, CDU/CSU >>

In den vergangenen Wochen erreichte uns Abgeordnete eine unendliche Flut von Briefen aus Bonn und dem Umland, insbesondere aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes, in denen vor den sozialen Folgen eines Parlamentssitzes Berlin für die Region Bonn gewarnt wird. Das unbeschreibliche Elend, das in die Familien einkehren werde, wurde beschrieben.

Wenn die Formulierungen im Einzelfall auch nicht nachzuvollziehen sind, müssen die Argumente doch ernst genommen werden.

Diesen Ängsten kommt der »Geißler-Antrag« umfassend entgegen. Die Frage der Machbarkeit einer Trennung von Parlament und Regierung ist positiv beantwortet worden. Wir haben politisch zu entscheiden, ob wir das wollen.

Ich spreche für den Berliner Antrag. Auch dieser Antrag berücksichtigt umfassend die berechtigten Sorgen der Arbeitnehmer in Bonn und im Umland. Wir wollen, daß die Leistungsebenen der Ministerien beim Parlament in Berlin sind, und erwarten von der Bundesregierung, daß sie selbst organisiert, welche Teile der Verwaltungen in Bonn verbleiben können und welche zusätzlichen Einrichtungen des Bundes hier in Bonn angesiedelt werden können.

Das alles darf aber über eines nicht hinwegtäuschen: Die Verelendung des Bonner Raumes wird nicht stattfinden. Wir befinden uns hier in der reichsten Region Europas -- nach den Selbstdarstellungen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Wir alle müssen uns darüber freuen, daß es gerade diesen beiden Bundesländern so gutgeht und daß die Wirtschaftskraft hier einen großen Beitrag dazu leisten kann, die gewaltigen Anstrengungen des Einigungsprozesses zu finanzieren.

Unser gemeinsames Ziel ist es doch wohl: Welche Entscheidung fördert den Einigungsprozeß am ehesten?

Es muß doch unser gemeinsamer Wunsch und Wille sein, daß die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen möglichst bald in der Lage sind, sich ebenfalls in ganzseitigen Anzeigen als Kraftregionen Europas zu präsentieren.

Natürlich ist es bisher schon möglich und wird es auch in der Zukunft möglich sein, den Einigungsprozeß von Bonn aus zu gestalten, besser geht es jedoch von Berlin aus!

Frau Kollegin Professor Süssmuth hat auf die Entscheidungen, die gerade in letzter Zeit in Bonn für Deutschlands Einigung und für die Einigung Europas getroffen worden sind, verwiesen. Nur: Diese Entscheidungen verdanken wir nicht Bonn, sondern der Politik der hier handelnden Personen. Die gleichen Ergebnisse wären in jeder anderen Stadt, die die Würde und die Bürde der provisorischen Hauptstadt zu tragen hätte, getroffen worden.

Es ist immer wieder geäußert worden: Was nützt es den neuen Ländern heute, wenn wir erst morgen oder übermorgen umziehen? Für mich ist die Antwort einfach: Mit einer Grundsatzentscheidung, die wir heute zugunsten Berlins treffen, entscheiden wir uns für eine Hinwendung zu den neuen Ländern und damit zu Gesamtdeutschland. Die östlichen Länder brauchen Zuwendung und nicht nur Zuwendungen. Ein sehr glaubwürdiger Zeuge ist der Abteilungsleiter des BMA, der die Außenstelle Berlin über mehrere Monate geleitet hat. Er sagte mir: »Ohne Präsenz vor Ort dauert die innere Vereinigung zu lange.«

Ein heutiger Beschluß zugunsten Berlins führt aber auch dazu, daß Investoren des In- und Auslandes wissen, »wo es in der Zukunft langgeht«. Die Entwicklung Berlins und Brandenburgs wird erheblich beschleunigt und muß nicht ausschließlich aus Bundesmitteln finanziert werden. Das private Engagement wird erheblich erleichtert, wenn wir bereits heute die Entscheidung für morgen treffen.

Nach dem Verlust der Funktionen Berlins -- im Osten »Hauptstadt der DDR«, im Westen Schaufenster, Leuchtfeuer der Freiheit, Insel im Roten Meer, Offenhalten der deutschen Frage -- braucht die Stadt, brauchen die Menschen in Berlin Orientierung und Verbindendes. Es darf nicht wild zusammenwuchern, was zusammenwachsen kann und zusammenwachsen muß.

Immer wieder wird darauf hingewiesen, daß der Einigungsvertrag, der ja mit Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden ist, ausdrücklich eine neue Ausgangslage geschaffen habe. Tatsache ist jedoch, daß mit dem Satz »Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands« eigentlich geregelt worden ist, daß Berlin Hauptstadt mit allen Hauptstadtfunktionen in der Zukunft sein wird.

Die einzige Einschränkung ist in Art. 2 Satz 2 formuliert: Über die Frage des Sitzes von Parlament und Regierung wird nach Herstellung der deutschen Einheit entschieden, aber auch nur über die Frage des Sitzes von Parlament und Regierung. Alle diejenigen, die einen Kompromiß darin sehen, gerade Parlament und Regierung nicht nach Berlin zu geben, sondern alles andere, was bereits geregelt ist, verteilen bereits Verteiltes. Der wahre Kompromißvorschlag ist deshalb der Vorschlag von Heiner Geißler, der Parlament und Regierung auf Bonn und Berlin aufteilen will.

Das Argument, bei den Bekenntnissen zur Hauptstadt Berlin sei man in der Vergangenheit von einem Deutschland in den Grenzen von 1937 ausgegangen, ist fadenscheinig. Gerade bei Meinungsführern des Bonn-Antrages -- Ehmke, Blüm, Baum -- ist mir keine Äußerung bekannt, daß sie sich für ein Deutschland in den Grenzen von 1937 ausgesprochen hätten. Die Behauptung also, daß eine Meinungsänderung in dieser Frage zwangsläufig eine Meinungsänderung in der Hauptstadtfrage rechtfertige, ist unglaubwürdig, wenn man berücksichtigt, daß wesentliche Bonn-Streiter seit eh und je die Vorkämpfer der Anerkennung der polnischen Westgrenze waren.

Ich bitte Sie eindringlich: Stimmen Sie für Berlin, damit wir die Einheit Deutschlands auch nach innen vollenden!

Dr. Karl H. Fell, CDU/CSU >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_120
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