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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Friedhelm Ost, CDU/CSU Dr. Peter Paziorek, CDU/CSU >>

Unser Herz gehört Berlin: Jeder von uns hat sich gefreut, als im November 1989 die Mauer eingerissen wurde, als Menschen aus Ost- und West-Berlin wieder frei zueinanderkommen konnten. Wir alle freuen uns über die Wiedervereinigung Deutschlands und wollen unseren Beitrag dafür leisten, daß die Landsleute in Ostdeutschland nach über 40 Jahren unter dem Regime einer sozialistischen Diktatur möglichst bald jenen wirtschaftlichen Wohlstand und jene große soziale Sicherheit erreichen, die wir in Westdeutschland seit langem in Freiheit und Sozialer Marktwirtschaft genießen.

Von Bonn aus wurde die Politik betrieben, die darauf ausgerichtet war, »die Einheit in Freiheit zu vollenden«. Der Wiederaufbau des östlichen Teils unseres Vaterlandes, der von den Sozialisten und ihren Funktionären ausgepowert und zerstört worden ist, stellt die größte Herausforderung für uns alle in der nächsten Zeit dar. Viele hundert Milliarden DM müssen in die Verbesserung und den Neubau der Infrastruktur in den neuen Bundesländern, in die Renovierung der Städte, in die Rekultivierung der verwüsteten Landschaften, in neue Betriebe und Arbeitsplätze investiert werden. Wir alle wollen doch so schnell wie möglich gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen von Dresden bis Aachen, von Schwerin bis München, von Potsdam bis Bonn erreichen.

Deshalb geht es jetzt vor allem darum, Bonn und Berlin ebenso wie West- und Ostdeutschland» bestmöglich zu entwickeln. Der Verstand -- vor allem der ökonomische -- spricht für eine sinnvolle Arbeitsteilung, für ein Miteinander, für eine kooperative Zukunftsperspektive, Berlin als deutsche Hauptstadt, Bonn als Regierungs- und Parlamentssitz, beide verkehrs- und kommunikationsmäßig optimal verbunden -- so bringen wir Herz und Verstand auf einen großen gemeinsamen Nenner, der allen politischen, historischen und insbesondere ökonomischen Aspekten Rechnung trägt.

Diese Lösung mit Doppelherz und Verstand hat im übrigen nichts mit jener kleinkarierten Diskussion zu tun, daß es den Bonnern nur um die Sicherung ökonomischer Werte geht -- um Immobilien, Geschäfte, Betriebe usw. Aber richtig ist, daß es auch um die Zukunftsperspektiven dieser Region geht -- einer Region, die weit ausstrahlt in viele Richtungen.

Es geht indessen darüber hinaus um die Sicherung des föderalen Gleichgewichts in Deutschland -- und gegen einen Zentralismus, der weder politisch noch wirtschaftlich, weder gesellschaftlich noch kulturell für unser Land insgesamt wünschenswert ist.

Viele Historiker verbinden mit Berlin das Kaiserreich, die Weimarer Republik, das »Dritte Reich« und mit Ost-Berlin den roten DDR-Staat. Von Bonn aus wurde die Demokratie und Soziale Marktwirtschaft für Westdeutschland eingeführt, wurde die Partnerschaft im Atlantischen Bündnis begründet und die europäische Integration vorangetrieben. Bonn steht auch für deutsche Bescheidenheit, für Understatement und -- trotz Beethoven -- für leise Töne. So gesehen wäre es wohl ein Treppenwitz der Geschichte, wenn nicht nur Bonner Gebäude geräumt, sondern auch dieser gute Geist unserer Republik verändert würde. Föderalismus statt Zentralismus, Arbeitsteilung in Wirtschaft, Kultur und Politik -- dies sind Qualitätsmerkmale unserer Demokratie und sollten es auch in Zukunft bleiben. Die volkswirtschaftlichen Kosten, die mit einem Wechsel verbunden wären, würden gewaltig sein; der Strukturwandel hätte negative Konsequenzen für einen weiten Umkreis -- für Arbeitnehmer und Unternehmer gleichermaßen. Es wäre im übrigen auch eine Zumutung für die Steuerzahler, deren Milliarden nicht zum Abbruch und Stillegen im Bonner Raum, sondern für den Aufbau und die Mobilisierung wirtschaftlicher Kräfte in den neuen Bundesländern eingesetzt werden sollten.

Die Hauptstadtfrage ist im Einigungsvertrag entschieden worden: Berlin ist die Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands. Berlin sollte in dieser Funktion gestärkt werden und Amtssitz des Bundespräsidenten, des Bundesrates und zahlreicher Bundesbehörden sein. Außerdem sollten die Bundesversammlung und bei besonders herausragenden Ereignissen bzw. Themen Plenarsitzungen des Bundestages in Berlin stattfinden.

In Bonn sollten das Parlament und die Bundesregierung ihren Sitz behalten. Dies garantiert auf absehbare Zeit volle Arbeitsfähigkeit und entspricht der föderalen Struktur unseres demokratischen Staates.

Eine solche Regelung wäre mit geringen Kosten für die Steuerzahler zu bewältigen, während eine Konzentration aller staatlichen Organe in Berlin dort gewaltige Kosten -- zu Lasten aller Steuerzahler und insbesondere auch der neuen Bundesländer -- und in Bonn hohe Ausgleichsleistungen und strukturelle Hilfe zur Folge hätte.

Das Herz der meisten Deutschen spricht für Berlin, der Verstand der meisten Deutschen spricht für Bonn. In den nächsten Jahren gilt es, die wirtschaftliche und soziale Einheit Deutschlands so rasch wie möglich zu schaffen und dafür alle verfügbaren Finanzmittel und ökonomischen Kräfte zu mobilisieren. Über 50 Milliarden DM für oder noch mehr für die einseitige Allokation aller Bundesorgane in Berlin zu investieren und gleichzeitig viele Milliarden DM für einen fairen Ausgleich in der Bonner Region einzusetzen widerspräche jedem rationalen ökonomischen Vorgehen.

Die westdeutschen Transferzahlungen, die für die neuen Bundesländer in den neunziger Jahren dringend erforderlich sind, sollten für den wirtschaftlichen Aufbau und die sozialen Aufgaben in Ostdeutschland bereitgestellt werden. Mit dieser Herausforderung müssen sich alle Bürger unseres Landes identifizieren. Eine historisch-politisch motivierte Entscheidung für die Konzentration aller Bundesorgane auf Berlin könnte zu einer Schwächung der Solidarität führen, wenn sie Bürger überfordert, ohne Rücksicht auf Regionen und Arbeitsplätze erfolgt und möglicherweise die Gewichte einer bislang wohl austarierten föderalen Struktur einseitig verändert.

Die Bundesstaatslösung stellt eine gute Lösung für eine Aufgabenteilung zwischen der Hauptstadt Berlin, dem Parlaments- und Regierungssitz Bonn sowie den neuen und alten Bundesländern dar.

Dr. Peter Paziorek, CDU/CSU >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_171
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