Union fordert Anhörung zum Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt
Berlin: (hib/VOM) Die CDU/CSU-Fraktion hat am Mittwochvormittag im Finanzausschuss eine Anhörung zum Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt verlangt. Der Ausschuss befasste sich mit Initiativen der Fraktionen im Hinblick auf eine Veränderung des Paktes auf europäischer Ebene. Die Sozialdemokraten hatten in einem Antrag (15/3957) die bisherige Anwendung des Paktes als zu starr bezeichnet. Der Pakt sei in den vergangenen fünf Jahren eher "mechanistisch" interpretiert worden, mit der Folge, dass er keinen ausreichenden Konsolidierungsdruck in konjunkturell guten Zeiten ausgeübt habe. Andererseits seien bei schwachem Wachstum teilweise weitere restriktive Maßnahmen empfohlen worden, die Wachstums- und Konsolidierung gefährdet hätten. Die Fraktionen traten dafür ein, jeden Einzelfall im Rahmen des allgemein gültigen Regelwerks zu analysieren, wobei alle länderspezifischen Umstände gewürdigt werden sollten. Dagegen hatte sich die Union in ihrem Antrag (15/3719) dafür ausgesprochen, den Pakt im Interesse einer stabilen Wirtschafts- und Währungsunion nicht zu verändern. Die FDP hatte gar einen Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes (15/3721) vorgelegt und gefordert, die Stabilitätskriterien in die Verfassung aufzunehmen.
Die SPD plädierte in der Sitzung dafür, die Vorlagen heute abzustimmen, respektierte aber den Wunsch der Union nach einer Anhörung. Wenn der Ausschuss die Anträge vor sich herschiebe, könnten sie im Bundestagsplenum nicht mehr behandelt werden. Das Parlament könne der Regierung dann nicht mehr sagen, welchen Kurs sie bei den anstehenden Verhandlungen in Brüssel einschlagen soll. Die Union hatte ihren Wunsch damit begründet, dass der Ausschuss sich vertiefend mit den Fragen des Stabilitätspaktes beschäftigen sollte, etwa damit, ob es ein Problem der Ausgestaltung des Paktes oder nur ein Umsetzungsproblem gibt.
Zuvor hatte die Bundesregierung die Bereiche genannt, in denen der Pakt weiterentwickelt werden sollte. So sollte das Kriterium des Schuldenstandes ein größeres Gewicht erhalten, und auch dem Aspekt der Nachhaltigkeit der Finanzpolitik sollte mehr Bedeutung eingeräumt werden. Darüber hinaus sollten länderspezifische Umstände bei der Bewertung stärker berücksichtigt werden. Ebenso geht es für die Regierung darum, beim Defizitverfahren den länderspezifischen Spielraum anzuheben und mit Korrekturen in der Finanzpolitik möglichst früh anzusetzen, damit in "guten Zeiten" mehr konsolidiert werden kann. Dabei müsse die wirtschaftliche Situation der Einzelstaaten mehr berücksichtigt und eine "mechanistische" Anwendung aufgegeben werden. Die Schwellenwerte beim Defizitkriterium von drei Prozent und beim Schuldenstand von 60 Prozent würden jedoch nicht in Frage gestellt. Die Unionsfraktion verwies auf Aussagen des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, der es für falsch gehalten habe, Hand an das Regelwerk zu legen. Die Regierung interpretierte die Sorge Trichets so, dass eine "Kiste aufgemacht wird", wenn man an das Regelwerk herangeht, die man später vielleicht nicht mehr zubekommt. Der Pakt sei keineswegs tot, so die Regierung, in Europa gebe es mittlerweile eine "Stabilitätskultur". Für die Sozialdemokraten hat sich die strikte Anwendung des Paktes als kontraproduktiv erwiesen. Die Reformvorschläge der EU-Kommission zielten nicht darauf ab, ihn unverbindlicher zu machen, sondern wollten ihn stärken. Die Liberalen hielten es für falsch, über die Interpretation des Paktes zu reden. Erforderlich sei vielmehr eine andere Politik.