*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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4.2.2.3    Unzureichende Makropolitik und Sonderprobleme in Ostdeutschland?

Eine andere Auffassung widerspricht der Einschätzung, die Beschäftigungskrise hierzulande und der Anstieg der Arbeitslosigkeit seien durch die Rigidität der Arbeitsmärkte und die niedrige Rentabilität zu erklären (vgl. z.B.    Lindlar u. a. 1998). Danach hat die unbefriedigende Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland im Wesentlichen zwei Ursachen: zum einen die besonderen Transformationsprobleme Ostdeutschlands, zum anderen die Nachfrage- und Wachstumsschwäche in Westdeutschland. Die Hauptursache dieser Nachfrage- und Wachstumsschwäche liege in der unkoordinierten, widersprüchlichen und prozyklischen makroökonomischen Steuerung – mangelhafte Koordination von Fiskal-, Geld- und Lohnpolitik – und in der wachsenden Abgabenbelastung der Löhne. Die hohe Finanzierungslast der Sozialversicherungen bei den Kosten der deutschen Einheit sei dafür mit ursächlich gewesen. Hinzu käme noch ein chronischer und empfindlicher Mangel an öffentlichen Investitionen, besonders auf kommunaler Ebene.

Die Angebotsbedingungen in Westdeutschland seien hingegen nicht generell ungünstiger geworden. In diesem Zusammenhang wird angeführt, dass sich die Kapitalrendite – von Schwankungen der Kapazitätsauslastung abgese­ hen – nicht verschlechtert und die Steuerlast auf Kapitaleinkünfte und Gewinne nicht erhöht habe (Lindlar u.a. 1998: 12, 14).

Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland, wie auch in den anderen europäischen Ländern, nicht kontinuierlich zugenommen habe, wie es nach der Rigiditätstheorie zu erwarten gewesen wäre, sondern diskontinuierlich und in großen Schüben. Die Phasen stark zunehmender Arbeitslosigkeit fielen mit Konjunktur­ einbrüchen zusammen, die ihrerseits durch restriktive Geldpolitik verstärkt worden seien.

Dementsprechend beruhe der Erfolg von Volkswirtschaften, die im Vergleich zu Deutschland in der Arbeitsmarkt­ entwicklung günstig abschneiden, wie z.B. der USA oder Großbritannien, nicht auf deren Arbeitsmarktverfassung und Sozialsystem, sondern hauptsächlich auf der besseren Makropolitik, besonders in der stärker wachstumsorientierten Geldpolitik (Horn 1998, DIW 2000: 80). Zwar sei der Arbeitsmarkt in Deutschland in der Tat viel stärker reguliert als beispielsweise in den USA oder Großbritannien. Dies könne jedoch die deutsche Arbeitsmarktkrise nicht erklären, denn diese Rigiditäten hätten seit Mitte der 70er Jahre in Deutschland nicht zu-, sondern abgenommen12. Auch das RWI ist der Auffassung, dass die Erfolge der US-amerikanischen Arbeitsmarktpolitik nicht durch die Deregulierung erklärt werden können, da der Arbeitsmarkt in den USA in den 80er und 90er Jahren nicht wesentlich dereguliert worden, sondern vielmehr seit jeher wenig reguliert gewesen sei (Heilemann u.a. 2000, Kalmbach 2001).



12 Zum Beispiel erhebliche Arbeitszeitflexibilisierungen, Rückgang der Bedeutung des Flächentarifvertrages und des Einflusses der Gewerkschaften, Verminderung der passiven Geldleistungen bei Arbeitslosigkeit, teilweise strengere Sozialhilferegeln bei Arbeitslosen.

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