*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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4.9.1.3 Der Zusammenhang von Globalisierung und Informalisierung

Oft wird informelle Arbeit als vormodern und ohne Verbindung zum zeitgemäßen globalen Geschehen gesehen. Am Beispiel des Straßen- und Grenzhandels sowie der Subcontracting-Arrangements lässt sich jedoch beispielhaft nachvollziehen, wie sehr auch informelle Tätigkeiten mit formeller Arbeit und globalen Produktions- und Distributionsprozessen von Waren, Leistungen, Kapital und Arbeitskräften verwoben sind. So hat z. B. die Liberalisierung des Handels direkten Einfluss auf Rahmenbedingungen und Sortimente der Straßen- und Grenzhändler/-innen. Einerseits fallen angestammte Märkte weg, anderseits tun sich neue Absatzchancen auf. Die Globalisierung wirkt u.a. in folgenden Zusammen­ hängen auf eine Informalisierung von Wirtschaft und Beschäftigung:

Subcontracting-Strategien entlang globaler Wertschöpfungs- und Beschaffungsketten

Die Globalisierung erweitert die Optionen der Unternehmen in Bezug auf weltweite Investitionsmög­ lich­ keiten in kostengünstige Standorten. Dies gilt besonders für arbeitsintensive Produktionsschritte, die häufig in hohem Maße nach Geschlechtern getrennt erfolgen. So arbeiten z. B. vorrangig Frauen in der Elektronik- und Bekleidungsindustrie. Die Auslagerungsmobilität von arbeitsintensiven Teilen der Produktion in diesen Branchen wird durch Subcontracting-Strategien entlang globaler Wertschöpfungs- und Beschaffungsketten verstärkt. Subcontracting bezieht zunehmend informelle Beschäftigungsformen mit ein und erfolgt dann entweder in regulärer Heimarbeit, in registrierten „Sweatshops“ oder in freien Exportzonen (FEZ) (Lenz 2002, Altvater und Mahnkopf 2001)

Informalisierung innerhalb des formellen Sektors

Innerhalb des formellen Sektors – auch in Industrieländern – zeichnen sich Informalisierungsprozesse im Zusammenhang mit der Globalisierung ab. Dabei werden bestimmte soziale und arbeitsrechtliche Schutzregeln, die für formelle Arbeitsverhältnisse gelten, vermieden oder umgangen. Dies kann z. B. durch untertarifliche Arbeitsverhältnisse oder überlange Arbeitszeiten erfolgen (Lenz 2002).

Ergänzend zu diesen direkten Auswirkungen der Globali­ sierung auf Produktionsprozesse weisen Altvater und Mahnkopf auf folgende Zusammenhänge hin (s. Abbildung 4-16).

Die Teilnahme am globalen Wettbewerb erfordert die Herstellung von lokaler (nationaler) Wettbewerbsfähigkeit. Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ist in der Regel mit der Anhebung der Produktivität des    Produktionsfaktors Arbeit verbunden. Daraus ergibt sich aber eine Tendenz der Freisetzung von Arbeitskräften. Entweder finden die freigesetzten Arbeitskräfte in einer dynamisch wachsenden Wirtschaft wieder einen Arbeits­ platz. Das setzt eine hinreichende Qualifikation aber auch ein gewisses Maß an Mobilität und Flexibilität voraus. Andernfalls werden sie arbeitslos. Jedoch zeigt sich gerade in Entwicklungsländern und Schwellenländern, dass im formellen Sektor freigesetzte Arbeitskräfte im informellen Sektor unterkommen. Dieser dient damit der sozialen Abfederung der Anpassung an globale Herausforderungen.

Die Bewertung des informellen Sektors fällt somit zwiespältig aus. Einerseits ist der informelle Sektor ein Bereich, in den die sozialen Kosten im Zuge einer gesteigerten globalen Konkurrenz externalisiert und in dem teilweise grundlegende Menschenrechte wie Kernarbeitsnormen unterschritten werden. Andererseits ist der informelle Sektor auch eine Art „Schockabsorber“, der die Gesellschaften die Konsequenzen der Globalisierung weniger stark spüren läßt und den Menschen Arbeit und Einkommen sichert (Altvater und Mahnkopf 2001). Einige Beispiele zu dieser ambivalenten Bewertung werden in Kapitel 4.9.1.4 erläutert.


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Tabelle 4-8

Kasten 4-2



















Abbildung 4-16