*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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6.5          Handlungsempfehlungen

Empfehlung 6-1         Erarbeitung von gender­ spezifischen Indikatoren und Statistiken

Die Ausgangslagen von Frauen in der Globalisierung sind in allen zentralen Lebens- und Arbeitsbereichen von Ungleichheit geprägt. Darüber besteht in Politik und Gesellschaft kein ausreichendes Problembewusstsein. Ein solches Bewusstsein herzustellen, kann nicht allein Aufgabe der Frauenpolitik sein. In den Veröffentlichungen aller Politikressorts, die Daten und Fakten über die Entwicklung menschlicher Lebensverhältnisse präsentieren, müssen die Lebenslagen von Frauen umfassend dokumentiert werden. Sonderpublikationen über die spezifische Situation von Frauen sind dafür hilfreich, aber kein Ersatz für die Verpflichtung auf eine Querschnittspolitik. Sonderkapitel in allgemeinen Publikationen wirken hingegen dann kontraproduktiv, wenn sie als Ersatz für eine durchgängige geschlechtliche Differenzierung von Daten und Fakten fungieren.

Der Bundesregierung wird empfohlen, auf die entsprechenden Ministerien und Verwaltungen hinzuwirken, genderspezifische Indikatoren und Statistiken auf nationaler, europäischer und globaler Ebene zu erheben, um genderspezifische Auswirkungen der Globalisierung transparent zu machen. Gender Audits and Gender Accounting sind die Voraussetzung zur Durchsetzung von Gender Mainstreaming auf allen Ebenen von Politik und Gesellschaft.

Unter anderem ist der Human Poverty Index ein zentrales Instrument zur Messung von Ausmaß und Verbreitung menschlicher Armut. Es wird der Bundesregierung empfohlen, sich dafür einzusetzen, dass dieses Instrument so weiter entwickelt wird, dass geschlechtliche Unterschiede in Bezug auf menschliche Armut erfasst werden können.

Empfehlung 6-2         Erweiterung der Definition von Menschenhandel in § 180, 181b StGB

Um ausreichende Handhabe nicht nur gegen Zwangspros­ titution, sondern gegen alle Formen des Menschenhandels zu entwickeln und um vollen Schutz der Menschenrechte von Frauenhandelsopfern zu gewährleisten, wird der Bundesregierung empfohlen darauf hinzuwirken, dass die strafrechtliche Definition von Menschenhandel in § 180, § 181b entsprechend dem „Protokoll zur Verhütung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauenhandels“ erweitert wird. Das genannte Protokoll ist Teil der von der Bundesrepublik ratifizierten UN-Überein­ kommen gegen grenzüberschreitende Kriminalität. Verschleppten Frauen ist Opferschutz zu gewährleisten, der medizinisch und sozioökonomisch die Basis für ein selbstbestimmtes Leben in Sicherheit bietet.

Die Konvention zur „Unterdrückung des Menschenhandels“ von 1949 soll erweitert werden, weil diese sich auf den Handel in die Prostitution beschränkt und andere Ausbeutungsverhältnisse nicht erfasst. Menschenhandel soll an Zwang, Täuschung, Schuldknechtschaft, Zwangsarbeit, Knechtschaft und Sklaverei festgemacht werden.

Empfehlung 6-3         Egalitärer Zugang zu beruflicher Bildung und Qualifikation

Es wird der Bundesregierung empfohlen, sich in der internationalen Arbeitspolitik und der Entwicklungszusammenarbeit umfassend für den gleichen Zugang zu beruflicher Bildung und Qualifikation, auch im IuK-Sektor und in technischen Berufen, einzusetzen:

In der Entwicklungszusammenarbeit sind kurzfristig Maßnahmen zum verstärkten Einbezug von Mädchen und Frauen in technische und Ausbildungs­ projekte im IuK-Sektor und von Jungen und Männern in Pflege- und lehrende Berufe auf breiter Ebene zu entwickeln.

Angesichts der Engpässe in der tertiären Bildung und Weiterbildung in vielen Entwicklungsländern bietet die virtuelle Lehre in Kooperationsprogrammen mit Insti­ tuten vor Ort auch unter Gleichstellungsaspekten große Chancen und ist zu fördern. Allerdings ist darauf zu achten, dass die Angebote qualitativ hochwertig, interkulturell und ge­ schlechtspezifisch angelegt sind. Solche Ansätze bieten die Virtuelle Internationale Frauenuniversität (VIFU) und die Virtuellen Internationalen Geschlechterstudien (VINGS).

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die Carl Duisberg Gesellschaft (CDG) müssen auf Gender Mainstreaming achten, wobei hier bereits gute Ansätze existieren, und auf eine Orientierung von mindestens 40 Prozent jedes Geschlechts unter den verschiedenen Gruppen von Geförderten abzielen. Der DAAD kann Modellprojekte für verstärkte Förderung von Frauen in Natur- und Ingenieurswissenschaften, sowie in der Informatik entwickeln.

Empfehlung 6-4         Förderung und Schutz der Rechte von Arbeitnehmerinnen

Es wird empfohlen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die die Rechte von Arbeitnehmerinnen zur Beseitigung    der Segregation am Arbeitsmarkt, der Belästigung am Arbeitsplatz, der Diskriminierung bei den sozialen Schutzleistungen und bei den betrieblichen Aufstiegschancen fördern und schützen. Solche Maßnahmen entsprechen Abschnitt 82 a der Resolution der Sondergeneralversammlung Peking +5 der Vereinten Nationen.

Empfehlung 6-5         Verwirklichung des Menschen­ rechts auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit

Mit den Kernarbeitsnormen der ILO existiert ein geeigneter Mechanismus zur Verwirklichung des Menschenrechts auf der Basis von gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Bis die uneingeschränkte Umsetzung der Arbeitsstandards verwirklicht ist, müssen spezielle Programme zur sukzessiven Reduzierung der Einkommensunterschiede von Frauen und Männern angewendet werden, die zu den festen Bestandteilen der Arbeitsmarktpolitik, der Entwicklungspolitik und der internationalen Politik der Bundesregierung gehören müssen.

Empfehlung 6-6         Die Benachteiligung von Frauen beseitigen

Die Einbeziehung von Frauen in Entscheidungspositionen im Wirtschafts- und Finanzbereich, die Erhöhung ihrer Wirtschaftskompetenz durch Förderung der Forschung, der universitären und außeruniversitären Bildung, der beruflichen Aus- und Weiterbildung und die Beratung stellen eine Grundvoraussetzung für eine Überwindung der wirtschaftlichen Benachteiligung dar. Geschlechtsspezifische Hürden im Zivil- und Wirtschaftsrecht sind zu korrigieren. Die Errichtung von Gender­ referaten („Gender-Desks“) in den Verwaltungen, wie sie von vielen Frauenorganisationen vorgeschlagen werden, könnte dazu beitragen, Frauen verstärkt an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen.

Empfehlung 6-7         Soziale Sicherungssysteme stärken

Eine Voraussetzung neben Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sind soziale Sicherungssysteme, die der besonderen Situation von Frauen, vor allem von armen, kinderreichen Frauen, die auf Grund ihrer familiären Verpflichtungen oder fehlender Qualifikationsmöglichkeiten nur schwer oder nur für beschränkte Zeit über Zugang zum formellen Arbeitsmarkt verfügen, gerecht werden. Es wird empfohlen darauf hinzuwirken, dass die konkrete Umsetzung der 20:20 Initiative des Weltgipfels für soziale Entwicklung (WSSD) 1995 in Kopenhagen erfolgt.

Empfehlung 6-8         Genderspezifische Koheränz der Internationalen Verhandlungen

Es wird empfohlen, darauf hinzuwirken, dass eine Gender-Perspektive bei Handelsverträgen berücksichtigt wird. Das heißt für die vorgeschlagenen Handelsabkommen sollen vor der Unterzeichnung geschlechtsspezifische Folgenabschätzungen durchgeführt werden. Es handelt sich also um einen Bildungs- und Kohärenzprozess, der eingeleitet werden muss. Die gleichen Regierungen, die in der WTO eine ganze Reihe von Abkommen beschliessen, sind dieselben Regierungen, die auch in den Diskussionen zu Gender Mainstreaming und an fünf Weltfrauenkonferenzen, Umweltabkommen unterzeichnen und in den Vereinten Nationen über Menschenrechtskonventionen diskutieren. Eine Gleichrangigkeit der unterschiedlichen Abkommen ist anzustreben.

Empfehlung 6-9         Gezielte Unterstützung von Frauen in Entwicklungsländern

Die gezielte Förderung von Frauen in der ökonomischen Transformationsphase hat Auswirkungen auf das Gesamtwohl einer Gesellschaft. In Zeiten der Transformation ist aus afrikanischer und europäischer Perspektive historisch ersichtlich, dass Frauen auch in kritischen Zeiten eine Schlüsselfunktion einnehmen, z.B. während und nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg in Europa. Die Unterstützung von Frauen und ihr Recht auf Selbstbestimmung und menschenwürdige Arbeitsbedingungen kann viele Gesellschaften aus der derzeitigen völligen Deprivation heraushelfen. Hinsichtlich der politischen Partizipation gilt es, Frauen in Entwicklungsländern sowohl bei der Wahrnehmung des passiven wie des aktiven Wahlrechts gezielt zu unterstützen. Die Teilhabe von Frauen an politischen Entscheidungsprozessen ist ein wichtiger Gradmesser für eine Verbesserung der Stellung und Einfluss der Frau. Bei parlamentarischen Kontakten zwischen Entwicklungs- und In­ dustrieländern muss daher verstärkt Wert auf die Be­ rück­ sichtigung von Parlamentarierinnen aus den Ländern des Südens gelegt werden.




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