Deutscher Bundestag
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15. Wahlperiode
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   6. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2005

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Die Sitzung ist eröffnet.

   Ich begrüße Sie alle herzlich.

   Gemäß § 93 a Abs. 6 unserer Geschäftsordnung sind auf Vorschlag der Fraktionen deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments zu berufen, die an den Sitzungen des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union teilnehmen können. Die Anzahl und die Zusammensetzung des Kreises dieser Mitwirkungsberechtigten müssen nach der Bundestagswahl neu festgelegt werden. Die Fraktionen haben sich auf insgesamt 16 mitwirkungsberechtigte Mitglieder des Europäischen Parlaments verständigt. Davon entfallen auf die CDU/CSU acht Mitglieder, auf die SPD vier, auf Bündnis 90/Die Grünen zwei sowie auf FDP und Die Linke jeweils ein Mitglied. Sind Sie mit diesem Vorschlag einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Bevor wir in unsere Tagesordnung eintreten, haben wir einen Geschäftsordnungsantrag zu behandeln. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat fristgerecht beantragt, die heutige Tagesordnung um die Beratung ihres Antrags zur Überwachung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst zu erweitern.

   Das Wort zur Geschäftsordnung erhält zunächst der Kollege Volker Beck für die antragstellende Fraktion.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Guten Morgen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt heute, den Tagesordnungspunkt „Überwachung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst“ auf die Tagesordnung zu setzen. Die Arbeit des BND beschäftigt die Öffentlichkeit gegenwärtig in zwei Fällen: BND- und BKA-Beamte sollen den Deutsch-Syrer Zammar in Damaskus in einem für Folter berüchtigten Gefängnis verhört haben. Und: Über Jahre hinweg hat der Bundesnachrichtendienst im Inland Journalisten observiert. Gerade wenn man den Bundesnachrichtendienst als Teil unserer Sicherheitsarchitektur bejaht, hat man als Parlament die Verantwortung, durch Kontrolle dafür zu sorgen, dass die Geheimdienste geheim, aber auch innerhalb von Recht und Gesetz handeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir werden in beiden Fällen darauf dringen, dass unter der notwendigen Beachtung des Geheimschutzes Parlament und Öffentlichkeit erfahren, inwieweit sich der BND bei seiner Arbeit außerhalb von Recht und Gesetz gestellt hat.

   Die staunende Öffentlichkeit erfuhr am 8. November von der Überwachung verschiedener deutscher Journalisten in Deutschland durch den deutschen Auslandsgeheimdienst BND. In doppelter Überschreitung der Kompetenzen wurden Journalisten durch den BND zumindest in den 90er-Jahren widerrechtlich observiert, der Müll eines Forschungsinstituts systematisch durchwühlt und ausgewertet. Die „Berliner Zeitung“ berichtete am 19. November - ich zitiere -:

Der Bundesnachrichtendienst hat mindestens bis Ende der Neunzigerjahre Journalisten observiert. Außerdem hat der Geheimdienst in der gleichen Zeit mehrere Medienvertreter als operative Verbindungen geführt, die auch bezahlt wurden. Das bestätigte ein ehemaliger BND-Mitarbeiter im Gespräch mit dieser Zeitung.

   Meine Damen und Herren, wir akzeptieren diesen zweifachen Angriff auf die Pressefreiheit nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Bürger muss davon ausgehen können, dass, wenn er mit einem Journalisten spricht, die Informationen nicht bei den Geheimdiensten landen. Gerade auch um das Vertrauen in den Journalismus und die Pressefreiheit wiederherzustellen, muss die Aufklärung dieser BND-Affäre öffentlich erfolgen

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

und nicht hinter den verschlossenen Türen des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Die Bürger müssen erfahren, was vorgefallen ist und wie in Zukunft Ähnliches verhindert wird. Das sind wir der Pressefreiheit und dem öffentlichen Vertrauen in einen unabhängigen Journalismus schuldig.

   Die Haltung der Bundesregierung zu diesen Vorgängen, bislang nur das Parlamentarische Kontrollgremium zu unterrichten, schreit nach einer Korrektur.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Hier schreit nur einer, das ist Herr Beck!)

   Wir wollen wissen: In welchem Umfang und in welchen Zeiträumen hat der Bundesnachrichtendienst Journalisten observiert? Dauern diese Observierungen etwa noch an? Wer war von diesen Observierungen betroffen? Welches sind die Strukturen innerhalb des Bundesnachrichtendienstes, die diese rechtswidrige Praxis ermöglicht haben? In welchem Umfang sind Journalisten vom BND angeworben und bezahlt worden? Auch muss dem Parlament an der Aufklärung der Frage gelegen sein, ob die BND-Spitze von den Vorgängen wusste und das Bundeskanzleramt informiert war.

   Zum Schluss ein Wort zum Zeitpunkt dieser Debatte. Am 8. November gab es die ersten Pressemitteilungen. Am 21. November stellt das Parlamentarische Kontrollgremium einstimmig fest:

... dass der BND mit seiner Vorgehensweise teilweise seine ihm in § 2 Abs. 1 BNDG eingeräumten Befugnisse, Maßnahmen zum Schutz seiner Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen zu treffen, überschritten hat. Jedoch sieht das Gremium hier noch weiteren Aufklärungsbedarf.

Heute, dreieinhalb Wochen nach den ersten Presseberichten, wollen wir, dass auch der Deutsche Bundestag sich endlich mit diesem Skandal befasst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

   Unser Anliegen ist wirklich keine Zumutung für die Kolleginnen und Kollegen im Hohen Hause. Die heutige Debatte ist bis 12.30 Uhr geplant. Ich glaube, wir alle schaffen es, auch bis 13.30 Uhr hier zu bleiben, um uns dieses wichtigen Themas anzunehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

   Wir beschweren uns als Parlamentarier immer wieder, dass Talkshows und Medien den Debatten des Deutschen Bundestages in der öffentlichen Aufmerksamkeit den Rang ablaufen. Überlassen wir die Aufklärung dieses BND-Skandals nicht der Diskussion außerhalb des Plenums! Nehmen wir uns hier und in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages dieses Themas an und nehmen wir die Aufklärung selbst in die Hand! Dazu haben Sie mit der Zustimmung zu unserem Antrag heute die Chance.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Norbert Röttgen das Wort.

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Beck, ich muss Ihnen sagen, dass ich Ihren Ton parteipolitischer Aufgeregtheit in dieser Debatte - offen gestanden - für völlig deplatziert und unangemessen halte.

(Beifall bei der CDU/CSU - Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo war denn da Parteipolitik?)

Denn die Wahrheit ist, dass das gesamte Haus der Auffassung ist - das finde ich positiv; das sollten wir nicht relativieren -, dass die Kontrolle der Tätigkeiten der Geheimdienste ein parlamentarisch und rechtsstaatlich wichtiges, uns verbindendes Anliegen ist.

(Jörg van Essen (FDP): Genauso ist es! - Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nur hinter verschlossenen Türen!)

   Uns verbindet weiterhin die Einschätzung, dass die Vorfälle, die schon Jahre zurückliegen - damit wird ihre Bedeutung aber nicht relativiert -, ernsthaft und gravierend sind. Es geht um den Vorwurf rechtswidriger Observierungen von Journalisten. Dabei handelt es sich, wie gesagt, um einen ernsthaften Vorfall. Alle Kolleginnen und Kollegen, die im Parlamentarischen Kontrollgremium arbeiten, haben deshalb gesagt, dass es einer lückenlosen Aufklärung bedarf. Das ist die Position aller Fraktionen und nicht nur einer Fraktion. Wenn wir die notwendigen Erkenntnisse haben, dann müssen daraus auch die notwendigen Konsequenzen gezogen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

So hat das Parlamentarische Kontrollgremium in der Vergangenheit gearbeitet. Genau das ist auch hier gefordert.

   Aber es bedarf an dieser Stelle nicht parteipolitischer Profilierungsbemühungen, die auch etwas verkrampft wirken.

(Jörg van Essen (FDP): Richtig! - Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie scheinen wenig Argumente zu haben!)

Es war vielleicht die Woche der neuen grünen Profillosigkeit. Dieser Eindruck wird durch den verkrampften Auftritt heute Morgen eher etwas verstärkt als widerlegt. Sie sollten sich auf anderen Gebieten profilieren. Denn alle im Parlamentarischen Kontrollgremium haben festgestellt: Das ist ein ernsthafter Vorgang. Er bedarf noch weiterer Sachaufklärung. Diese ist noch nicht abgeschlossen. Das ist mit Ihren Stimmen so im Parlamentarischen Kontrollgremium beschlossen worden.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber es ist nicht von uns beschlossen worden, dass das weiter geheim bleiben muss!)

Es ist weiterhin von der Möglichkeit Gebrauch gemacht worden, einen Sachverständigen mit einer Untersuchung zu beauftragen.

   All das geschieht. Die Bundesregierung hat ausführlich berichtet. Man muss den Vorgängen weiter nachgehen. Es macht doch Sinn, dass man zunächst den Sachverhalt aufklärt und dann über ihn diskutiert, und es macht keinen Sinn, zunächst zu diskutieren und dann den Sachverhalt aufzuklären, über den man bereits diskutiert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

   Wenn wir den rhetorischen Anspruch, den Sie heute Morgen erhoben haben, nämlich die Forderung nach parlamentarischer, rechtsstaatlicher Kontrolle der Tätigkeiten der Geheimdienste, ernst nehmen, dann ist unser Appell richtig - das wird unsere Abstimmung heute zeigen -, dies parlamentarisch ernsthaft, seriös und konsequent umzusetzen. Profilierung hat, wie wir finden, ihren Platz an anderer Stelle. Hier sollten wir sorgfältig und sachorientiert vorgehen.

   Darum gibt es keinen Grund, von der in der Geschäftsordnung vorgesehenen Form und den Fristen, die für die Beratung vorgesehen sind, abzuweichen. Im Sinne der Sache stimmen wir dagegen, dass über dieses Thema heute voreilig debattiert wird. Es wird aufgeklärt werden. Es werden Konsequenzen gezogen werden und es wird debattiert werden, aber in einer sachorientierten Reihenfolge und nicht aus parteipolitischer Motivation heraus.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Jörg van Essen, FDP-Fraktion.

Jörg van Essen (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch meine Fraktion wird dem Antrag der Grünen nicht zustimmen. Das, was der Kollege Röttgen hier vorgetragen hat, ist, wie ich finde, richtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Behauptung des Kollegen Beck, dass sich der Bundestag mit diesen Vorgängen, die natürlich der parlamentarischen Aufmerksamkeit bedürfen, nicht befasst hat, ist schlicht falsch. Das entsprechende Kontrollgremium ist zusammengetreten. Für uns war ganz wichtig: Es hat die notwendige Aufklärung in Auftrag gegeben.

   Deshalb ist es unser Ziel - vor allen Dingen auch das Ziel unserer Innenpolitiker -, diese Fragen schnellstmöglich auf den Tisch dieses Hauses zu bringen. Aber wir sind im Augenblick in der Phase der Sachaufklärung. Wir bedürfen auch heute keiner Debatte, weil das Vorgänge aus der Vergangenheit sind,

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

bei denen nicht zu befürchten ist, dass sie sich fortsetzen, wenn wir hier keine Stäbe einziehen, mit denen dafür gesorgt wird, diese Tätigkeiten zu unterbinden. Das heißt, wir klären die Vergangenheit sorgfältig auf. Auf dieser Grundlage wollen wir hier im Deutschen Bundestag diskutieren.

   Die Linie, die wir als Opposition in Zukunft vertreten werden, ist, eine Opposition zu betreiben, die die notwendigen Entscheidungen auf sachlicher Grundlage herbeiführt und die nicht so agiert, wie Sie es tun.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Das, was der Kollege Röttgen gesagt hat, ist doch zutreffend. Wir haben es in dieser Woche in der „taz“ gelesen: Sie sind in keiner Regierung mehr und versuchen jetzt, nicht durch vernünftige Sachvorschläge, sondern durch Aktionismus Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erregen. Wir machen dabei nicht mit. Wir als Opposition werden für eine sachliche Politik hier im Deutschen Bundestag sorgen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Das ist konstruktive Opposition!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort der Kollege Olaf Scholz.

Olaf Scholz (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich den Ausführungen des Kollegen Röttgen und des Kollegen van Essen anschließen. An dieser Debatte ist nichts aktuell, außer dem nach langem Zaudern gestern gefassten Beschluss der Grünen, heute eine Geschäftsordnungsdebatte zu führen.

   Natürlich ist klar, dass die Redezeit jeweils fünf Minuten umfassen sollte, weil ein paar inhaltliche Sätze gesagt werden sollten. Das Problem an dieser Sache ist jedoch, dass für die öffentliche Diskussion noch nicht viel mehr als das, was sich in den fünf Minuten Redezeit des Kollegen Beck unterbringen ließ, bekannt ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist natürlich richtig, dass das Parlamentarische Kontrollgremium die Aufklärung betreibt, die wir benötigen, damit wir hinterher über die Vorgänge diskutieren können.

   Es wäre schön gewesen, Herr Kollege Beck, Sie hätten das gemacht, worüber wir alle uns schon fast einig waren, nämlich in der nächsten Sitzungswoche eine ordentliche Diskussion zu führen - zwar noch mit viel Unwissen; denn wir wissen ja noch nicht viel - und diese fortzusetzen, wenn die Aufklärung abgeschlossen ist. Diese kann dann auch sachlich geführt werden und dann kann man Konsequenzen ziehen. Es ist dem Ernst der Sache nicht ganz angemessen, hier den Versuch zu betreiben, irgendwie eine kleine Pressemeldung zustande zu bringen.

   Mein Vorschlag: Aufregung runter, Debatte, wenn es so weit ist. Dann fahren wir alle besser mit dem Thema.

   Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Ulrich Maurer, Fraktion Die Linke.

Ulrich Maurer (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion hält das Anliegen der Grünen, sowohl was den Zeitpunkt als auch was den Inhalt angeht, für vollständig berechtigt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Kollege Scholz, Ihre Aussage war jetzt nicht ganz mit der des Kollegen Röttgen abgestimmt. Kollege Röttgen hat hier erklärt, das verantwortliche Gremium müsse jetzt erst einmal in Ruhe die Sachaufklärung betreiben und man solle nach Abschluss der Sachaufklärung hier darüber debattieren. Sie haben gesagt: Wir können durchaus über einen Zwischenstand debattieren, aber bitte nicht heute. Das ist nicht das Gleiche. Deswegen sage ich Ihnen: Wenn Sie, Herr Kollege Scholz, der Auffassung sind, dass man über einen Zwischenstand debattieren kann, dann können wir darüber auch heute debattieren,

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und zwar, weil es sich hier - das haben alle Redner hier festgestellt - um sehr ernst zu nehmende Vorwürfe handelt. Zudem beobachten wir - das will ich hinzufügen - seit einiger Zeit eine gewisse Tendenz in Deutschland, investigativen Journalismus jedenfalls auf der Seite der Informanten mit Repressionen zu belegen.

   Ich denke, dass da sehr grundsätzliche Fragen der Pressefreiheit berührt sind. Wir sind - das ist in anderen Staaten auch so - auf einen aufklärenden, investigativen Journalismus in Deutschland angewiesen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn hier die Tendenz, Journalismus auch mit strafrechtlichen oder gar mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu behindern oder einzuschränken, einreißt, dann halte ich das für eine hohe Gefährdung der demokratischen Öffentlichkeit in Deutschland.

(Zuruf von der SPD: Das will ja auch keiner!)

   Ein weiterer Punkt ist - Kollege Beck hat es schon kurz angesprochen -: Wenn wir der Bedeutung des Parlaments und des Parlamentarismus wirklich Rechnung tragen wollen, dann darf der Zustand, der seit längerem festzustellen ist, dass nämlich Debatten im öffentlichen Raum, aber nicht im Parlament geführt werden, nicht aufrechterhalten werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Politikverdrossenheit, die wir zu beklagen haben, hat nämlich ihre wesentliche Ursache in Funktionsverlusten bei den demokratischen Gremien, insbesondere bei den Parlamenten. Wenn man, wie Kollege Scholz zutreffend feststellt, auch über Zwischenstände debattieren kann, dann sollte man - ich rate dringend dazu - wenigstens halbwegs so tagesaktuell im berufenen Gremium, nämlich im deutschen Parlament, darüber diskutieren, wie auch in der Öffentlichkeit, in den genannten Talkshows, darüber debattiert wird. Wir tun unserer Pflicht nur genüge, wenn wir öffentliche Debatten im Parlament früh und umfassend aufgreifen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für den Aufsetzungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist der Aufsetzungsantrag abgelehnt.

Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesordnung um die erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik zur Informationsgesellschaft, Drucksache 16/40, zu erweitern und diese jetzt gleich als Zusatzpunkt 9 ohne Aussprache aufzurufen. - Ich stelle fest, damit sind Sie einverstanden.

   Dann rufe ich den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 9 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik zur Informationsgesellschaft (Informationsgesellschaftsstatistikgesetz - InfoGesStatG)

- Drucksache 16/40 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Kultur und Medien

   Wir kommen gleich zur Überweisung. Hierzu wird interfraktionell vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und zur Mitberatung an den Innenausschuss, den Finanzausschuss, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und den Ausschuss für Kultur und Medien zu überweisen. Fühlt sich einer der nicht bedachten Ausschüsse benachteiligt? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

   Wir setzen nun die Aussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin fort:

- Tagesordnungspunkt 1-:

Regierungserklärung der Bundeskanzlerin

(Fortsetzung der Aussprache)

   Ich darf daran erinnern, dass wir am Mittwoch für die heutige Aussprache drei Stunden vereinbart haben.

   Zusätzlich haben die Fraktionen vereinbart, die heutige Tagesordnung um die Beratung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/120 zur Angleichung des Arbeitslosengeldes II zu erweitern und diesen als Zusatzpunkt 8 aufzurufen. - Auch dazu darf ich Ihr Einverständnis feststellen.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beginnen die heutige Aussprache mit den Themenbereichen Arbeit und Soziales. Dazu rufe ich, wie gerade vereinbart, Tagesordnungspunkt 8 sowie den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 8 auf:

8 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze

- Drucksache 16/109 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Katja Kipping, Kornelia Möller und der Fraktion DIE LINKE.

Angleichung des Arbeitslosengeldes II in den neuen Ländern an das Niveau in den alten Ländern rückwirkend zum 1. Januar 2005

- Drucksache 16/120 -

Überweisungsvorschlag:

Ausschuss für Arbeit und Soziales

   Wir beginnen die Aussprache und ich erteile das Wort zunächst dem Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Soziales:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die großen Veränderungen und Herausforderungen dieser Zeit - die Globalisierung, die Europäisierung, die demographische Entwicklung, die Staatsverschuldung von Bund, Ländern und Kommunen - haben in erheblichem Umfang mit der Arbeit, der Beschäftigung und dem Sozialen zu tun. Sie treffen die Menschen unmittelbar, teils positiv, in erheblichem Maße aber auch negativ. Politische Antworten sind nicht leicht. Aber wir als Koalition werden sie geben. Wir gehen den Problemen nicht aus dem Weg.

   Die Koalition hat klare gemeinsame Ziele beschrieben. Dazu gehört eine starke Wirtschaft, die Wohlstand und Arbeit sichert und für faire Verteilung steht. Dazu gehört ein sozialer Staat, der soziale Gerechtigkeit sichern hilft, soziale Gerechtigkeit im Sinne von gleichen Bildungschancen, im Sinne von Gerechtigkeit der Lebenschancen von Frauen und Männern und von Generationengerechtigkeit, ein Staat, in dem eine menschliche Gesellschaft lebensfähig ist, eine Gesellschaft, die liberal und solidarisch ist, eine Gesellschaft, in der organisierte Solidarität und individuelle Solidarität möglich sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wir wollen diese Politik für die Menschen. Die Menschen sollen frei sein, frei von Arbeitslosigkeit und Existenzängsten, frei von Diskriminierung und frei von sozialer Not. Die Menschen sollen frei sein: frei zum Ergreifen von Bildungs- und Lebenschancen, frei zu Eigenverantwortung und zu selbstbestimmtem Leben und frei zu solidarischem Handeln.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Die Koalition hat den Weg zu solchen Zielen im Vertrag markiert, einiges im Detail, anderes ist noch zu klären. Wir werden es klären. Überzeugen müssen wir im Handeln; das wissen wir. Wir werden das Wünschbare im Blick behalten und das Machbare tun. Wir werden das Land und seine Menschen bei den Problemen abholen und den Weg nach vorn zeigen. Wir haben keine Angst zu führen und wir haben die Entschlossenheit und Kraft dazu, Probleme anzugehen und Lösungen zu finden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Wir haben als Koalition eine große Chance - eine größere als bisher -, dass Bund und Länder gemeinsam und gleichzeitig in dieselbe vernünftige Richtung gehen. Das strukturelle Patt hat sich relativiert und wir haben die Hoffnung, dass die Lust im Lande wächst, mit anzupacken, mitzuhelfen und mitzugestalten. Die notorischen Quengler, die mutlosen Zweifler und die selbstgefälligen Besserwisser haben keine Chance. Sie bleiben allein zurück. Niemand im Land sollte sich verweigern; denn wer sich jetzt verweigert, der wird übermorgen sitzen geblieben sein. Wir sind uns sicher: Mit unserem Land geht es auch in den nächsten vier Jahren ein gutes Stück voran in Richtung Zukunftsfähigkeit, in eine gute, gemeinsame Zukunft.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Ich will mich hier und heute auf ein paar markante Handlungsfelder und Zusammenhänge im Bereich Arbeit und Soziales konzentrieren, die mit starker Wirtschaft, mit sozialem Staat und mit menschlicher Gesellschaft zu tun haben. Die jüngsten Arbeitslosenzahlen sind günstiger als erwartet. Aber das ist nicht die Lösung des Problems; das wissen wir alle. 4,531 Millionen gezählte Arbeitslose sind zu viel. Hier liegt eine der ganz großen Herausforderungen für dieses Land und diese Koalition, eine Herausforderung, die sich an Bund, Länder und Gemeinden richtet. Aber auch hier bin ich mir, wie in vielen anderen politischen Bereichen, sicher: Wir können in diesem Land nur erfolgreich sein, wenn die genannten Ebenen - Bund, Länder und Gemeinden - gemeinsam daran arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wir wissen: Der Staat kann nur bedingt Arbeitsplätze schaffen. Aber wir haben uns als Regierung vorgenommen, 25 Milliarden Euro zugunsten des Handwerks und der kleinen und mittleren Unternehmen zu investieren; das ist ein dicker Brocken. Alle, die fordern, dass wir etwas tun sollen, müssten an dieser Stelle sagen: Ja, das ist ein richtiger Ansatz. - Denn das, was wir hier bewegen, sind Angebote, die in kleinen Losen ausgeschrieben werden können und dem Handwerk und den kleinen Unternehmen unmittelbar vor Ort zugute kommen. Das kann und muss für das nächste Jahr, das Jahr 2006, und die darauf folgenden Jahre ein wichtiger Impuls sein. Hier ist Bewegung möglich. Deshalb müssen und wollen wir diesen Weg gehen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir gehen davon aus, dass sich die deutsche Wirtschaft ihrer sozialen Verantwortung bewusst ist.

(Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich sage nur: Heuschrecken!)

Soziale Verantwortung der Wirtschaft heißt auch: Arbeitsplätze sichern und Arbeitsplätze schaffen. Es wird viel gesprochen über die Attraktivität und die Zukunftsfähigkeit des Standortes Deutschland. Wer die Attraktivität des Standortes Deutschland verbessern will, wer Deutschland aus der Defensive führen will und wer soziale Kosten reduzieren will, der muss mithelfen, dass die Menschen Beschäftigung haben bzw. Beschäftigung bekommen und dass die Arbeitslosigkeit abgebaut wird. Hierbei sind alle gefordert, auch die deutsche Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Wir müssen für Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Wir haben uns in der Koalition vorgenommen, noch energischer und deutlicher als bisher gegen illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit vorzugehen.

(Dirk Niebel (FDP): Und deswegen wird die Mehrwertsteuer erhöht?)

Dafür sind wir vernünftiger organisiert als in den Jahren zuvor. Wir haben in den letzten Jahren schon einiges erreicht, aber wir wollen diesen Weg weitergehen. Es gibt hierzu zwar keine verlässlichen Zahlen, aber den Zahlen zufolge, die genannt werden, sind im vergangenen Jahr in Deutschland zwischen 200 und 300 Milliarden Euro im Rahmen von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit transportiert worden. Das zeigt ein tief greifendes Problem in dieser Gesellschaft.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wer hat denn in den letzten Jahren regiert?)

   Dieses Problem ist größer geworden und das dürfen wir nicht hinnehmen. So bekommt zum Beispiel ein ehrlicher Bauunternehmer, der 50 Beschäftigte hat, die er ordentlich versichert hat und für die er die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zahlt, einen Auftrag nicht, weil ihm ein ganz Großer mit Subsubunternehmen das Geschäft kaputtmacht. Es darf nicht so sein, dass die ehrlichen Arbeitnehmer und die ehrlichen Arbeitgeber die Dummen sind und dass sich die anderen ins Fäustchen lachen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Sie hatten doch sieben Jahre Zeit, das zu ändern!)

   Missbrauch kommt allerdings auch bei Arbeitnehmern vor. Darüber ist in den vergangenen Wochen im Zusammenhang mit Hartz IV viel gesprochen worden. Zwar glaube ich, dass das, was dazu gesagt worden ist, in der Darstellung übertrieben war. Aber ich glaube auch, dass wir an dieser Stelle eine klare Sprache sprechen müssen.

Das Gesetz, das wir zu Hartz IV gemacht haben - miteinander -, birgt in sich die Möglichkeit der Dehnung und der Überdehnung. Manche nutzen das. Ich spreche hier nicht von Missbrauch, aber wir müssen das Gesetz an einigen Stellen korrigieren und wollen dies auch tun: Wir werden den Unterhaltsrückgriff für bis zu 25-Jährige wieder einführen. Die betreffenden Jugendlichen sollen bis zum Alter von 25 Jahren in der Regel - nicht in jedem Fall - zu Hause wohnen bleiben; die Eltern, die Verwandten ersten Grades, dafür also in Anspruch genommen werden können. Familie soll füreinander stehen. Wir werden dafür sorgen, dass die teure Finanzierung der Erstwohnung - die frühzeitig zu beziehen ein bisschen Mode geworden ist; nicht überall, aber bei manchen - hier ausgebremst wird. Wir wollen an dieser Stelle 600 Millionen Euro sparen. Ich weiß, dass das nicht allen gefällt, aber auch diese 600 Millionen Euro müssen schließlich erwirtschaftet werden, und zwar von denen, die jeden Morgen um sechs Uhr zur Arbeit fahren, den ganzen Tag über arbeiten und dafür sorgen, dass Steuern gezahlt werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir müssen also fair bleiben und dürfen in diesem Zusammenhang nicht von übertriebenem Missbrauch sprechen - den gibt es in ganz wenigen Fällen -, sondern wir müssen einfach das Gesetz in die entsprechende Form bringen.

   Zum Arbeitsmarkt gehören nach Meinung der Koalition geregelte Arbeitnehmer- und Arbeitgeberrechte. Das hat in Deutschland eine gute Tradition: Arbeitgeber und Arbeitnehmer können ihre Interessen bündeln und organisieren, um sie durchzusetzen; das ist besser als eine Individualisierung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberrechte. Deshalb sind wir übereingekommen: Die Tarifautonomie gilt, die Mitbestimmung gilt, das Betriebsverfassungsgesetz gilt. Wir möchten, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre Interessen auch in Zukunft bündeln, sie durchsetzen und erstreiten können, in einem klaren Verfahren miteinander. Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut. Sie setzt voraus, dass Arbeitgeber- und Arbeitnehmerrechte auch in Zukunft gewahrt bleiben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Wir haben uns dafür entschieden, beim Kündigungsschutz Änderungen vorzunehmen: Eine auf zwei Jahre befristete Beschäftigung wird ersetzt durch eine bis zu zweijährige Probezeit, „Wartezeit“ genannt.

(Dirk Niebel (FDP): Das verändert das ja dramatisch!)

Das ist in seiner Wirkung umstritten. Welche Wirkung es hat, wird sich zeigen; jedenfalls wollen wir versuchen, diesen Weg zu gehen. Die Probezeit von sechs Monaten bleibt, aber sie kann verlängert werden auf bis zu 24 Monate. Ehe der eine oder andere sein Urteil darüber abgibt, empfehle ich, abzuwarten, was in der Praxis dabei herauskommt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Zu einer der zentralen Herausforderungen des Arbeitsmarktes gehört es, dass wir uns um die Jungen kümmern. Deshalb werden wir am Ausbildungspakt festhalten. Der Ausbildungspakt ist ein Erfolg, trotz allem, was dagegen gesagt wird. Als jemand, der sich lange Zeit massiv dafür ausgesprochen hat, eine Ausbildungsplatzabgabe einzuführen, wenn es denn nicht anders geht, sage ich nun, nach zwei Jahren Erfahrung: Ja, das hat sich gelohnt. Das war auch eine Erfahrung für mich. Was der DIHK in ganz besonderer Weise, aber auch andere Teile der Wirtschaft, etwa das Handwerk, dazu beigetragen haben, dass wir 32 000 zusätzliche Ausbildungsplätze gewonnen haben, hat meinen Respekt. Ich hoffe, dass wir das in den nächsten Jahren so fortsetzen können. 32 000 neue Ausbildungsplätze und 20 000 bis 25 000 neue Praktikantenplätze - das ist ein Wort! Dies lässt sich mit dieser Koalition so fortsetzen! Ich bitte darum, dass sich die deutsche Wirtschaft dazu bereit erklärt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Damit werden nicht alle Probleme der jungen Menschen gelöst. Viele junge Menschen sind in Warteschleifen. Die arbeitslosen unter 25-Jährigen - es sind zwischen 450 000 und 500 000 - sind keineswegs allein mit solchen Anstrengungen wie dem Ausbildungspakt in Arbeit zu bringen. Sie müssen deshalb wissen: Das dauert. Aber was wir in diesem Jahrzehnt erreichen wollen, ist, dass wirklich kein junger Mann, keine junge Frau von der Schulbank in die Arbeitslosigkeit fällt und dass die, die unter 25 sind und arbeitslos werden, nicht länger als drei Monate arbeitslos bleiben und spätestens dann wieder in Beschäftigung, Qualifizierung oder Weiterbildung kommen.

   Wolfgang Clement hat mit diesem wichtigen Vorhaben begonnen. Wir wollen das fortsetzen und forcieren. Dass die jungen Menschen eine wirkliche Chance in dieser Gesellschaft haben, ist entscheidend dafür, um zu vermeiden, dass sich bei ihnen eine Subkultur herausbildet, die für diese Gesellschaft nicht gut sein kann. Wir wollen die jungen Menschen fordern, wir wollen sie aber auch fördern.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seifert?

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Soziales:

Bitte schön.

Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE):

Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, dass Sie erreichen wollen, dass alle jungen Menschen in Ausbildung kommen sollen. Leider habe ich von Ihnen schon lange Zeit nichts mehr darüber gehört, wie Sie Menschen mit Behinderungen, zum Beispiel diejenigen, die in Berufsförderungs- bzw. Berufsbildungswerken ausgebildet werden sollen, unterstützen wollen. Denn seit der Einführung von Hartz IV ist die Zuweisungsrate bekanntermaßen um weit mehr als 25 Prozent zurückgegangen.

   In diesem Zusammenhang ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die Menschen in diesen Werken 93 Euro im Monat an „Vergütung“ erhalten. Sie kämpfen darum, wenigstens 150 Euro pro Monat zu bekommen. Wann sorgen Sie endlich für ein bisschen Fairness, damit Menschen, für die es noch schwerer ist als für andere, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, wenigstens nicht durch Ihre eigenen Maßnahmen zusätzlich behindert werden? Wie wollen Sie das regeln? Wann sagen Sie dazu ein klares Wort und wann werden Sie tätig?

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Soziales:

Ihre Frage ist berechtigt und sie ist ganz wichtig; denn das, was ich eben bezogen auf alle gesagt habe, gilt für Menschen mit Behinderungen in besonderer Weise. Das ist klar.

   Zu diesem Punkt wollte ich eigentlich abschließend etwas sagen, will es aber gerne jetzt aufnehmen: Ich bin mir sicher, dass wir in dieser Gesellschaft und auch bei den Unternehmen besondere Anstrengungen brauchen. Was unsere Maßnahmen am Arbeitsmarkt angeht, kann man nicht mit allem zufrieden sein. Ich sage aber doch voller Stolz: Auf das, was wir in den letzten Jahren für die Menschen mit Behinderungen in diesem Bereich getan haben, können wir in diesem Haus gemeinsam stolz sein.

   An dieser Stelle will ich Karl Hermann Haack, der nicht mehr Mitglied in unserem Hause ist, ein herzliches Dankeschön sagen. Er hat als Beauftragter der vorherigen Bundesregierung für behinderte Menschen großartige Arbeit geleistet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese Arbeit werden wir fortsetzen. Da können Sie sicher sein.

   Ich biete Ihnen an, Herr Kollege Seifert, dass wir persönlich darüber sprechen und dass Sie mir Ihre Erfahrungen mitteilen; denn ich nehme das schon ernst.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Ich komme zurück auf die 30 000 Ausbildungsplätze aus dem Ausbildungspakt. Für mich verbindet sich damit folgende Idee: So, wie man gesagt hat, wir werden es schaffen, 30 000 Ausbildungsplätze zusätzlich für das nächste Jahr zu schaffen, könnte doch der eine oder andere in der deutschen Wirtschaft vielleicht auf den Gedanken kommen, zu sagen, im nächsten Jahr werden wir 100 000 oder 200 000 Arbeitsplätze schaffen. Das wäre grandios für unser Land. Solche Ideen sollten ihnen nicht fremd sein. Wir brauchen zusätzliche Arbeitsplätze in Deutschland.

   Es gehört zu unseren besonderen Aufgaben, dass wir etwas für die ältere Generation tun, für die Menschen, die, wenn sie älter werden, allzu leicht aus dem Arbeitsmarkt aussortiert werden. Von denjenigen, die 55 Jahre und älter sind, sind in Deutschland gerade noch 39 Prozent in Beschäftigung. Der Lissabon-Prozess sieht als europäisches Mittel 50 Prozent vor. Das ist eine gute Zielmarke. Sie zu erreichen, werden wir uns für die nächsten Jahre vornehmen.

   Von denjenigen, die 60 Jahre und älter sind, sind in Deutschland gerade noch 22 bis 23 Prozent in Beschäftigung.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Woran liegt das wohl?)

- Das liegt daran, dass sich über viele Jahre, seit Mitte der 80er-Jahre - da waren Sie alle dabei -, in Deutschland die Mentalität verbreitet hat, eine lange Zahldauer beim Arbeitslosengeld hinzunehmen. Alle haben das damals beklatscht, außer meiner IG Metall. Wir wollen ganz klar sagen, wie es war: Es wurde Mode, dass die Leute schon mit 54 Jahren im Berufsleben schräg angeguckt wurden, mit 55 Jahren in kurz laufende Sozialpläne kamen und anschließend mit langer Zahldauer von Arbeitslosengeld in die Frühverrentung geschickt wurden. Die Illusion war, das seien eigentlich Rentner; in Wirklichkeit sind das Arbeitslose. Wir dürfen uns an dieser Stelle überhaupt nichts vormachen. Wir müssen klar und ehrlich darüber sprechen. Das muss korrigiert werden.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das hätten Sie doch machen können! Sie regieren seit sieben Jahren!)

Am Dienstag dieser Woche haben wir mit Vertretern 62 regionaler Initiativen zusammengesessen. Sie haben sich Gedanken darüber gemacht, was man insbesondere für ältere Menschen tun kann und wie man dafür sorgen kann, dass die 50-, 55- und 60-Jährigen aus dem Arbeitsprozess nicht mehr aussortiert werden, sondern dass sie in ihn wieder integriert werden. Da haben wir viele gute Beispiele gehört, an der Spitze stand - ich will es nennen - Wilhelmshaven. Wir geben 250 Millionen Euro dafür aus, damit die Vermittlung und Wiedereingliederung der Älteren in diesen 62 Regionen - meistens sind es Argen und optierende Gemeinden und Landkreise - verbessert und dort neue Impulse gesetzt werden. Diesen Weg wollen wir weitergehen. Wir werden ihn im Frühjahr konkretisieren.

   Wir werden alle Maßnahmen ergreifen, durch die die Frage beantwortet wird, was man tun kann, damit in Deutschland begriffen wird, dass wir nicht zu früh aus dem Erwerbsleben herausdürfen. Es kann nicht sein, dass wir in Deutschland im Schnitt mit 60 Jahren in Rente gehen. Wir müssen das faktische Renteneintrittsalter anheben. Es geht nämlich nicht, dass wir 7, 8 Jahre länger leben als die Menschen, die 1950, 1960 vergleichbar alt waren, aber fünf Jahre weniger als damals arbeiten. Um zu wissen, dass das nicht hinhauen kann, braucht man keine Mathematik, dafür reicht die Volksschule im Sauerland. Man muss hier irgendetwas tun. Wir sind dabei und wollen dies mit den Maßnahmen angehen, die uns im Frühjahr alle miteinander beschäftigen werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Ich möchte noch ein Wort zu existenzsichernden Löhnen sagen. Zu einer menschenwürdigen Arbeit gehören existenzsichernde Löhne. Jemand, der jeden Tag zum Job fährt, sich anstrengt und seine Arbeit tut, der muss am Ende des Monats auch so viel in der Tasche haben, dass er sich und seine Familie davon ehrlich ernähren kann.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wo das nicht mehr funktioniert, zweifeln die Menschen daran, dass dies eine menschenwürdige Arbeit ist. Wir wollen aber, dass die Arbeit menschenwürdig ist.

   Nun haben wir hier nicht über Löhne zu entscheiden.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): So ist das!

Wir als Politiker müssen aber die Frage beantworten und ein entsprechendes Zeichen dafür geben, ob wir dazu stehen, dass Deutschland ein Hochleistungs- und Hochlohnland sein soll. Das wollen wir. Deutschland kann nur dann ein Hochlohnland bleiben, wenn es auch ein Hochleistungsland ist. Das ist auch wahr. Es gibt hier einen engen Zusammenhang mit der Bildung, Qualifizierung, Forschung und Technologie, also mit Dingen, die hier jetzt nicht intensiver angesprochen werden können.

   Aber dann lese ich das: Angestellter im Gartenbau: Stundenlohn 2,74 Euro; Friseur: Stundenlohn 3,18 Euro; Wachmann: Stundenlohn 3,91 Euro. Oder in Anzeigen: 173 Stunden im Monat, kein Weihnachts- und kein Urlaubsgeld - 800 Euro brutto im Monat. Wenn so etwas im Lande einreißt, dann macht das den Menschen Angst. Die Menschen haben das Gefühl, dass der Deckel obendrauf und der freie Fall nach unten eingeleitet ist. Das darf nicht sein. Wer Sicherheit in diesem Lande will, der muss an dieser Stelle auch klare Worte sprechen und sagen, was er will.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Wir haben uns in der Koalition vorgenommen, dass wir im Frühjahr darüber sprechen: Welche Rolle kann der Kombilohn spielen, wenn es darum geht, existenzsichernde Löhne zu bekommen? Welche Rolle spielt das Entsendegesetz? Kann auch für uns ein Mindestlohn, den es in 17, 18 unserer europäischen Nachbarländer gibt, infrage kommen? Welche Rolle spielt die Europäische Dienstleistungsrichtlinie in diesem Bereich? Das müssen wir diskutieren und zu einem Ergebnis bringen.

   Ich sage ausdrücklich: In der Koalition ist die Meinungsbildung dazu noch nicht abgeschlossen. Das wird keine leichte Diskussion sein. Ich finde aber, wir sollten uns ab und zu mal wieder dazu bekennen - auch öffentlich und vor Medien -, dass wir nicht immer alles schon fertig gedacht haben und wissen, sondern dass wir manchmal auch noch Zeit brauchen, um darüber zu reden und dann gemeinsam zu guten Entscheidungen zu kommen. Diese Freiheit nehmen wir uns nun. Wir werden ein paar Monate darüber sprechen und dann im ersten Halbjahr 2006 sagen, was wir als Koalition im Sinne einer verbesserten Sicherung existenzsichernder Löhne an dieser Stelle tun wollen. Es lohnt sich, diese Debatte miteinander zu führen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Im Bereich der Rente haben wir uns in der Koalition auf die wesentlichen Punkte verständigt. Die Rentengesetzgebung, die wir in den vergangenen Jahren ja überwiegend gemeinsam gestaltet haben, gilt. Der Nachhaltigkeitsfaktor gilt. Die Wahrheit ist aber: Da die Erhöhung der Renten nun einmal auch an beitragspflichtige Bruttolohn- und gehaltssummen geknüpft ist, hätten wir die Renten nach der Formel unseres Gesetzes in diesem Jahr eigentlich absenken müssen. Das haben wir nicht getan.

Man kann schon heute sehen, dass im nächsten Jahr eine solche Senkung nach dem Gesetz erneut fällig wäre. Wir werden es wieder nicht tun; denn wir haben beschlossen: Wir werden im Verlauf dieser Legislaturperiode die Renten nicht kürzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dazu gehört übrigens auch, dass wir den Rentnern keine höheren Krankenversicherungsbeiträge oder Ähnliches aufdrücken, was sie faktisch als eine Rentenkürzung empfinden müssten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Das Versprechen, die Renten nicht zu kürzen, klingt zunächst einmal bescheiden. Es ist aber schon eine mutige Aussage; denn es bedeutet, dass wir im Verlauf dieser Legislaturperiode entweder durch höhere Beiträge oder durch mehr Geld aus der Steuerkasse dafür sorgen müssen, dass dieses Wort gehalten werden kann. Wir haben uns für Folgendes entschieden: Wir werden bei den Rentenversicherungsbeiträgen nur einen moderaten Schnitt machen, wollen aber trotzdem das Ziel erreichen, die Lohnnebenkosten dauerhaft unter die genannten 40 Prozent zu halten.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das funktioniert doch jetzt schon nicht! Das ist doch lächerlich!)

   Im Jahre 2007 haben wir ein Gesetz zu machen, das es ermöglicht, mit dem Jahr 2012 beginnend, 67 Jahre als Renteneintrittsalter anzupeilen. Voraussetzung dafür ist: Wir müssen miteinander mehr dafür tun, dass die älteren Menschen länger in Beschäftigung bleiben oder wieder eingegliedert werden können, so wie ich es eben angesprochen habe. Dass diejenigen, die 45 volle Versicherungsjahre vorweisen können, auch im Jahre 2035 mit 65 Jahren ohne Abschlag in Rente gehen können sollen, ist Teil unserer Vereinbarung. Von dieser zeitlichen Dimension, von der ich jetzt spreche, werden viele der jungen Menschen profitieren können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wir werden zusätzliche Initiativen ergreifen, um die private Altersvorsorge attraktiver zu machen, und noch mehr Menschen einladen mitzumachen. Die Riester-Rente ist trotz allem, was dagegen gesagt wird, ein Erfolg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im ersten Halbjahr 2005 haben sich mehr Menschen für diese Form der privaten Altersvorsorge entschieden als im ganzen Jahr 2004. Inzwischen beträgt ihre Zahl 4,6 Millionen. Wir möchten aber, dass es mehr werden. Wir haben uns gegen ein Obligatorium entschieden. Aber wir möchten doch dafür werben, dass für das Alter stärker als bisher privat vorgesorgt wird.

   Dazu kann gehören, dass wir Familien mit Kindern an dieser Stelle in ganz besonderer Weise durch einen Zuschuss präferieren. Wenn es so kommt, dass Familien mit Kindern, die privat für das Alter vorsorgen, mit einem privaten Kinderzuschuss honoriert werden, kann das die Attraktivität einer solchen Vorsparmaßnahme nochmals erhöhen. Das wollen wir erreichen. Damit haben wir zwei vernünftige Dinge sinnvoll miteinander verknüpft. Daran werden wir weiter arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Entschuldigung!

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Soziales:

Herr Präsident?

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich wollte nur unauffällig daran erinnern, dass dann, wenn Sie jetzt noch weiter reden, dies auf Kosten der Redezeit Ihrer Fraktion geht.

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Soziales:

Das weiß ich. Ich war gerade dabei, hier die letzte Kurve zu drehen.

(Heiterkeit)

Man ist ja Disziplin gewöhnt. Ich habe sie oft genug selbst angemahnt.

   Ich bedanke mich für den Hinweis, darf Ihnen aber sagen, dass ich von meiner Fraktion schon Bescheid hatte, ich könne so lange reden, wie ich wolle. Das hat man Ihnen nur nicht gesagt, Herr Präsident.

(Heiterkeit - Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das müssen Sie aber mit Herrn Brandner klären!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Da ich das geahnt habe, Herr Kollege Müntefering, hatte ich gar nicht vor, Sie ausdrücklich auf das Ende Ihrer Redezeit hinzuweisen.

(Heiterkeit - Dirk Niebel (FDP): Das macht nichts! Wir wissen ja, was er sagen wird!)

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Soziales:

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will damit abschließen, dass ich noch einmal deutlich mache, wie wichtig uns in dieser Koalition der Teil Arbeit und Soziales ist. Im Art. 20 unseres Grundgesetzes steht, dass die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist. Das ist nicht disponibel. Deshalb wird dieser Teil unserer politischen Arbeit in hohem Maße von dieser Idee bestimmt sein: in einer Demokratie, die fest und stabil ist, alles dafür zu tun, dass dies Bestand hat, und dafür zu sorgen, dass dieser Bundesstaat ein sozialer bleibt.

   In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort erhält nun der Kollege Dirk Niebel für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Dirk Niebel (FDP):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frau Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung mehrfach darauf hingewiesen, dass wir in Deutschland mehr Freiheit wagen müssen. Ich unterstütze sie darin ausdrücklich. Denn in einer arbeitsteiligen Gesellschaft wie der unsrigen stellt Massenarbeitslosigkeit die stärkste Form der Freiheitsberaubung dar, die man einem Menschen zumuten kann. In einer arbeitsteiligen Gesellschaft wie der unsrigen kommen viele soziale Kontakte durch das Arbeitsverhältnis zustande. Es ermöglicht, sich selbst zu definieren und Einkommen zu erzielen, um sich Wünsche zu erfüllen. Deswegen war die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit im jüngsten Wahlkampf das Hauptthema aller Parteien.

   Wenn man allerdings eben der Rede des Kollegen Müntefering zugehört hat, dann könnte man fast meinen, dass die Performance in der Arbeitsmarktpolitik unter der Regierung seiner Partei so hervorragend gewesen wäre, dass es gar keine Neuwahlen hätte geben müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Beim Blick in die Koalitionsvereinbarung stelle ich aber fest, dass der Mut zu mehr Freiheit nicht über die Ankündigungen der Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung hinausgeht.

(Beifall bei der FDP)

   Freiheit wagen bedeutet, den Menschen die Möglichkeit zu geben, ihren Lebensunterhalt durch eigener Hände Arbeit zu erwirtschaften. Die FDP ist deswegen die Partei der sozialen Verantwortung, weil wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen wollen, dass die Menschen ihren Lebensunterhalt wieder selbst erwirtschaften können.

(Beifall bei der FDP)

Dafür hätte es tatsächlich eines Politikwechsels bedurft, wie wir, Frau Kollegin Merkel, es noch im September dieses Jahres gemeinsam vereinbart haben. Wir müssen aber feststellen, dass sich im Bereich der Arbeitsmarktpolitik über einen Personalwechsel hinaus in Deutschland nicht viel geändert hat. Wir müssen sogar feststellen, dass manche Maßnahmen eher kontraproduktiv wirken, was die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit angeht.

   Nehmen Sie zum Beispiel die Mehrwertsteuererhöhung. Ich will nicht darauf hinaus, dass es ein bemerkenswerter Kompromiss ist, dass man sich, wenn der eine die Steuer gar nicht und der andere sie um zwei Prozentpunkte erhöhen will, bei drei Prozentpunkten trifft. Es geht mir vielmehr um die Frage, was diese Steuererhöhung arbeitsmarktpolitisch bewirkt. Gerade im Bereich der personalintensiven Dienstleistungen - in Handwerk, im Handel und in der Gastronomie - wird sich angesichts der Kaufzurückhaltung, die im Bewusstsein dessen zu erwarten ist, was noch alles auf die Menschen zukommen wird, die mit einer Mehrwertsteuererhöhung verbundene Belastung nicht in den Preisen niederschlagen können. Das bedeutet in der Konsequenz, dass die Schattenwirtschaft bzw. die Schwarzarbeit stärker boomen wird, als es in der Vergangenheit der Fall war.

(Beifall bei der FDP)

   Im vergangenen Jahr hatte die Schwarzarbeit ein geschätztes Volumen von ungefähr 375 Milliarden Euro. Wenn Sie das durch die Durchschnittslöhne dividieren, dann kommen Sie auf ungefähr 5 Millionen Vollzeitarbeitsplätze. Das sollte uns zu denken geben.

   Ich bin der festen Überzeugung, dass auch andere Maßnahmen eher beruhigende Wirkung auf Parteitagen entfalten sollten, als dass sie tatsächlich Änderungen am Arbeitsmarkt herbeiführen. Nehmen Sie zum Beispiel auf der einen Seite die Verlängerung der Probezeit dadurch, dass der Kündigungsschutz erst nach zwei Jahren eintritt. Auf der anderen Seite haben Sie die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung auf zwei Jahre gestrichen. Das nennt man gewöhnlich ein Nullsummenspiel.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Es ist weniger als das! Es ist eine Verschlechterung!)

Es hat sich letztlich nichts verändert. Die Union tut so, als hätte sie etwas erreicht. Die SPD macht mit, weil es ihr nicht wehtut. Das Einzige, was dadurch bewirkt wird, ist mehr Bürokratie für die Betriebe und Belegschaften und weniger Sicherheit für die Beschäftigten.

(Beifall bei der FDP)

   Notwendig wären betriebliche Bündnisse für Arbeit. Ich weiß, es tut Ihnen allen weh, aber die Union hat diesen wesentlichen Punkt bereits im Vorfeld - quasi als Eintrittsgeld für die Koalitionsverhandlungen - aufgegeben. Das war ein großer Fehler. Denn worum geht es hierbei? Es geht darum, dass die Menschen in den Betrieben, die schließlich keine unmündigen Kinder, sondern erwachsen sind, die Möglichkeit bekommen sollen, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen, damit sie unabhängig von dem, was Kollektive in fernen Verbandszentralen auf Arbeitgeberseite oder Gewerkschaftszentralen auf Arbeitnehmerseite für richtig halten, selbst Entscheidungen treffen können, wenn sie die Situation in ihrem Betrieb anders beurteilen als die Funktionäre. Diese Chance auf mehr Mündigkeit und somit mehr Freiheit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch für Unternehmensleitungen haben Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung in keiner Weise skizziert.

(Beifall bei der FDP)

   Die Trennung zwischen Bundeswirtschaftsministerium und Arbeitsministerium ist falsch. Man kann Wirtschaft und Arbeit nicht voneinander trennen.

Beides hängt fundamental zusammen. Aufgrund der Trennung muss man befürchten, dass die alten Grabenkämpfe aus der vergangenen Legislaturperiode, die vor 2002 zwischen einem liberal-konservativen Wirtschaftsministerium und einem gewerkschaftsgesteuerten Sozialministerium stattfanden, wieder aufbrechen. Das führt im Ergebnis dazu, dass in Deutschland Arbeit teurer wird, Beschäftigung abgebaut und mehr Bürokratie entstehen wird. In einem Bereich haben Sie tatsächlich mehr Arbeitsplätze geschaffen, und zwar in der Bundesregierung, indem Sie den Regierungsapparat auf 70 Mitglieder aufgebläht haben.

(Beifall bei der FDP - Anette Kramme (SPD): Oh, schlapp!)

   Wir müssen es schaffen, einen höheren Beschäftigungsanteil bei Älteren und Frauen zu erzielen. Andere Volkswirtschaften, in denen die Erwerbstätigenquote bei Älteren und Frauen höher ist als bei uns, haben eine niedrigere Arbeitslosigkeit. Es gibt Wissenschaftler, die Ihnen belegen können, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt. Das heißt, dass wir besser werden müssen. Wenn Sie aber - Sie haben heute einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt - die 58er-Regelung, wonach man ab dem 58. Lebensjahr Leistungen beziehen kann, ohne wieder arbeiten zu müssen, verlängern, dann verlängern Sie auch die Möglichkeit der Frühverrentung und unterstützen damit den Jugendwahn, der in Deutschland vorherrscht. Lassen Sie mich als baden-württembergischer Bundestagsabgeordneter ganz klar sagen: Wenn mein Landesvater, Herr Oettinger von der CDU, öffentlich verkündet, die Leistungsfähigkeit nehme ab dem 40. Lebensjahr so abrupt ab, dass man dann die Löhne senken müsse, dann ist dies das beste Beispiel für den Jugendwahn.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE))

   Wir müssen tatsächlich die so genannten Senioritätsprinzipien überprüfen, die dazu führen, dass ältere Arbeitslose keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. „Immer älter, immer teurer“ heißt es im Moment. Das ist falsch. Aber das darf in der Konsequenz nicht bedeuten, ab dem 40. Lebensjahr die Löhne zu senken, sondern muss dazu führen, dass wir die entsprechenden Regelungen überprüfen und zu einer produktivitätsorientierten Bezahlung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen. Es kann dann sein, dass ein Vater in der Phase der Familiengründung, weil er ranklotzt, einmal mehr verdient und dass ein älterer Arbeitnehmer, weil er es ein bisschen ruhiger angehen lassen will, einmal weniger verdient. Aber die Pauschalität der eben von mir zitierten Aussage ist schlichtweg verheerend und führt dazu, dass die Notwendigkeit, älteren Menschen mit ihren Kompetenzen und Qualifikationen eine Chance zum Einstieg in den Arbeitsmarkt zu geben, in Deutschland noch weiter an den Rand gedrängt wird. Das ist eine völlig falsche Politik.

(Beifall bei der FDP)

   Wir sind als Freie Demokraten der festen Überzeugung, dass wir eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik benötigen, um die Massenarbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen. Die Koalitionsvereinbarung von Schwarz-Rot bietet aber hierfür keine Blaupause, weil sie hinter den notwendigen Schritten zurückbleibt, weil sie kleingeistig, feige

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Mutlos!)

- richtig - und mutlos ist und weil sie zu kurz greift. Mit ihr wird im Endeffekt das fortgesetzt, was wir unter Rot-Grün sieben Jahre leidvoll erfahren mussten. Ich bin sehr traurig darüber, dass die Koalition nunmehr aus einer Sozialdemokratischen Partei und einer zunehmend sozialdemokratisierten Partei besteht. Diese werden den Arbeitsmarkt nicht deregulieren können. Das ist schade für Deutschland. Ich möchte aber ankündigen: Alles, was wir unterstützen können, werden wir unterstützen.

   Zum Schluss das Positive: Ich unterstütze ausdrücklich, dass in Zukunft der private Arbeitgeber -„Haushalt“- im Vergleich zu anderen Arbeitgebern nicht länger diskriminiert werden soll; denn bei 4,5 Millionen registrierten Arbeitslosen muss Ihnen allen, die Sie das ständig als Dienstmädchenprivileg diskriminiert haben, schlichtweg egal sein, wo Arbeitsplätze geschaffen werden, ob im Handwerk, im Haushalt oder in der Industrie. Wir brauchen Arbeitsplätze. Dafür brauchen wir entsprechende Rahmenbedingungen. Um Arbeitsplätze zu schaffen, braucht man Aufträge. Aber dazu haben Sie noch keinen Vorschlag gemacht.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort der Kollegin Ilse Falk für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ilse Falk (CDU/CSU):

   Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Woche wurde bei der Verleihung des Deutschen Sozialpreises 2005 durch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege unter anderem der Journalist Walter Wüllenweber für seine Reportage „Das wahre Elend“ ausgezeichnet, die er vor einem Jahr veröffentlicht hat. Walter Wüllenweber beschreibt in dieser Reportage mit schonungsloser Klarheit seine Wahrnehmung des Alltags so genannter Unterschichten, also derjenigen, die am häufigsten Zielgruppe staatlicher Sozialpolitik sind. Er hinterfragt Armut, Arbeitslosigkeit, Bildungs- und Ausbildungsarmut sowie Armut als Ursache von Krankheit. Er nimmt die desolate Situation von Menschen am Rande unserer Gesellschaft in den Fokus und fragt danach, ob das viele Geld, das wir hier ausgeben, wirklich sinnvoll angelegt ist.

   Er kommt in seiner Reportage, die ich Ihnen dringend zur Lektüre empfehle, zu dem Schluss, dass das Schicksal der Menschen in der Unterschicht Deutschlands keine Frage von Mitleid und Barmherzigkeit ist, sondern - ich zitiere -:

Es ist eine Überlebensfrage für die gesamte Gesellschaft. Keine Volkswirtschaft kann es sich auf Dauer leisten, mehr als zehn Prozent durchzufüttern. Die kulturelle Spaltung lässt sich nicht mit den Mitteln des Sozialstaates überwinden, nicht mit Almosen, nicht mit Sozialhilfe, nicht mit Geld. Die Unterschicht braucht echte Investitionen in ihre Zukunft, Investitionen in die Köpfe der Menschen, nicht in den Bauch. Bildungsausgaben zahlen sich bereits in wenigen Jahren aus - nachweislich. Aus guten Schülern werden bald gute Steuerzahler. Ein besseres Investment können Staaten nicht tätigen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Soweit das Zitat aus der Berichterstattung über „Das wahre Elend“, ein Zitat, das sicherlich herausfordert.

   Bei seiner Vorstellung wurde Walter Wüllenweber gefragt, ob er keine Angst habe, Beifall von der falschen Seite zu bekommen, nämlich von denen, die seinen Beitrag sofort als Alibi zum Streichen von Leistungen missbrauchen würden. Dabei wurde sicherlich an die Politiker gedacht. Ich kann die Fragerin beruhigen. Nicht weil ich Leistungen für Menschen, die ganz eindeutig unsere Hilfe benötigen, einschränken will, habe ich diese eindrückliche Erfahrung an den Anfang meiner Rede gestellt, sondern weil ich glaube, dass die unvoreingenommene Wahrnehmung der Realität in diesem Beitrag Vorbild für unser Handeln in der Arbeits- und Sozialpolitik sein muss.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Klaus Brandner (SPD))

   Ich denke, wir alle haben in der Vergangenheit viel zu oft und viel zu schnell nach dem vermeintlich einfacheren Mittel der Problemlösung gegriffen, nämlich Heilen durch Geld. Vielleicht hat es also auch sein Gutes, dass inzwischen unsere Kassen so grauenvoll leer sind, dass wir gezwungen sind, die Sinnhaftigkeit aller Leistungen auf den Prüfstand zu stellen, um die knappen Mittel so zielgenau wie möglich einzusetzen. Da sollte man auch vor ungewöhnlichen Wegen nicht zurückschrecken und immer wieder einmal neue Gedanken einfließen lassen.

   Ich will nur ein kleines Beispiel nennen. Wir tun viel zur Eingliederung Langzeitarbeitsloser. Wir haben Einarbeitungsmaßnahmen, wir haben Training on the Job und ähnliches. Wir erfahren wegen der Forderung in unserem Programm, die Zahl der Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland um ein Viertel zu reduzieren, großen Widerstand. Wir sollten vielleicht einfach einmal darüber nachdenken, ob diese Trainingsmaßnahmen nicht auch den Körper betreffen sollten und nicht nur den Kopf und ob wir nicht vielleicht einen Monat lang den Arbeitslosen Fitnessangebote machen sollten, damit sie dann, wenn sie eingesetzt werden, tatsächlich die von ihnen erwartete Arbeit leisten können.

   Arbeits- und Sozialpolitik hat zwei Facetten, einerseits Prävention: Wie können wir verhindern, dass Menschen bereits mit ihrer Geburt nahezu chancenlos sind? Welche Hilfen sind zielführend, wenn es darum geht, so genannte Sozialhilfekarrieren zu durchbrechen? Andererseits geht es um Hilfe in aktuellen Lebenssituationen: Was ist zu tun, wenn Menschen, aus welchen Gründen auch immer, nicht allein für sich sorgen können, sondern die Hilfe der Solidargemeinschaft brauchen? Welche Systeme können vorbeugend organisiert werden und was kann der Staat als Akuthilfe anbieten?

   Keine Sorge, ich will jetzt nicht den Sozialstaat neu definieren, aber doch dafür werben, die Zusammenhänge wieder deutlicher in den Blick zu nehmen. Der gemeinsam beschlossene Koalitionsvertrag bietet, wie ich finde, aller ihm vorgeworfenen Unvollkommenheit zum Trotz hierfür eine gute und handfeste Grundlage. Ausgehend von den notwendigen Rahmenbedingungen für eine Wirtschaft, von der wir mit Recht erwarten, dass sie ihrer Verantwortung für die Menschen gerecht wird, für ein Bildungssystem, das seine Absolventen mit solider Bildung und lebenstüchtig entlässt, bis hin zu den notwendigen Maßnahmen in besonderen Lebens- und Notsituationen finden wir in den Kapiteln „Mehr Chancen für Innovation und Arbeit, Wohlstand und Teilhabe“ sowie „Familienfreundliche Gesellschaft“ eine Fülle von guten Vorhaben.

   Die Fachbereiche Wirtschaft, Bildung und Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die die wesentlichen Träger von Prävention sind, wurden bereits im Rahmen der Generalaussprache diskutiert. So lassen Sie mich zu dem Kapitel, das sich mit dem Arbeitsmarkt und Impulsen für mehr Beschäftigung befasst, einige Ausführungen machen.

   Da geht es beispielsweise um „Vorfahrt für junge Menschen“ - ich zitiere -:

Wir brauchen gut ausgebildete, hoch motivierte, kreative junge Menschen, damit wir unser Land auch im 21. Jahrhundert erfolgreich gestalten können.

   Weiter heißt es:

Unser Ziel ist es, die Ausbildungs- und Beschäftigungschancen von Jugendlichen deutlich zu verbessern und die Jugendarbeitslosigkeit nachhaltig zu senken.

Dazu sind gemeinsame Anstrengungen aller nötig.

   Auch wenn man die Worte „Bündnis“ oder „Pakt“ allmählich nicht mehr hören kann, so treffen sie doch den Kern der Sache: alle mit der entsprechenden Fachkompetenz an einen Tisch zu bringen. Es gilt daher, Bündnisse in den Bereichen Bildung, Ausbildung, Förderung und Aktivierung hilfebedürftiger Menschen zu schließen.

   Eine weitere Zielgruppe sind für uns die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Herr Minister hat dazu eben schon vieles gesagt. Es geht nicht nur darum, dass ältere Menschen in der Regel gern noch arbeiten möchten und dass Arbeit für die allermeisten Lebensqualität und Lebenswert bedeutet, sondern es geht auch um ganz handfeste ökonomische Gesichtspunkte: Menschen, die nicht mehr arbeiten dürfen, brauchen Leistungen und erbringen selbst keine.

   Ich möchte nur noch auf einen Teil dessen eingehen, was ich zu diesem Thema eigentlich sagen wollte. Kürzlich habe ich aus der Wirtschaft Klagen gehört, dass wir einen großen Mangel an Ingenieuren haben. Angeblich werden wir in Zukunft ein Defizit von 30 000 Ingenieuren haben. Angesichts dessen können wir es uns nicht leisten, auf 22 000 arbeitslose Ingenieure zu verzichten, bloß weil sie älter als 50 Jahre sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Viele Arbeitgeber glauben offensichtlich, dass ein Bewerber über 50 Jahre weder fähig noch in der Lage ist, die Anforderungen, die mit einer Ingenieurtätigkeit heute verbunden sind, zu erfüllen. Das kann man doch nicht einfach so hinnehmen; vielmehr muss man da gegensteuern.

   Viel zu lange wurde darüber hinaus geglaubt, dass wir Menschen über 50 Jahre aus dem Erwerbsleben ausgliedern müssen, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das war ein bedauerlicher Irrtum.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Kosten dieser Maßnahmen lasten noch immer schwer auf unseren Sozialsystemen.

   Da mit dem früheren Renteneintritt - dank der längeren Lebenserwartung - auch ein deutlich längerer Rentenbezug einhergeht, leidet die Rentenversicherung natürlich ganz besonders: Nicht nur die Ausgaben sind enorm gestiegen; vielmehr gehen auch die Einnahmen aufgrund der wegbrechenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse dramatisch zurück.

   Genau aus diesem Grunde will die große Koalition hier einen Weg beschreiten, der in der Bevölkerung sicherlich keine Begeisterungsstürme auslösen wird, aber dennoch unvermeidbar ist. Die gesetzliche Rentenversicherung befindet sich jetzt in einer bisher nicht gekannten finanziellen Schieflage. Seit Monaten kann die Zahlung der Renten nur noch durch ein Vorziehen der Bundeszuschüsse sichergestellt werden. In diesem Monat ist zum ersten Mal in der Geschichte der Rentenversicherung sogar ein Darlehen des Bundes zur Sicherung der Liquidität erforderlich.

(Dirk Niebel (FDP): Und was machen Sie jetzt dagegen, damit das nicht mehr passiert?)

   Wenn wir wollen, dass die gesetzliche Rentenversicherung dennoch eine verlässliche Säule der Alterssicherung bleibt - das wollen wir -, dann müssen wir handeln. Dazu haben wir einige Beschlüsse gefasst, die hier noch im Einzelnen zu diskutieren sind. Die Umsetzung dieser Beschlüsse wird sicherlich keine vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltung. Aber es geht nun einmal nicht anders, solange sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht verbessert hat. Dort für eine Verbesserung zu sorgen ist der Dreh- und Angelpunkt unseres Handelns.

(Dirk Niebel (FDP): Deswegen braucht man die richtigen Rahmenbedingungen! Eine gute Lektüre wäre das Papier vom Wechselgipfel! Da steht das nämlich drin!)

Was wir den Arbeitnehmern zumuten, nämlich die Zahlung höherer Rentenbeiträge und eine längere Lebensarbeitszeit, wird ebenfalls nicht nur auf Begeisterung stoßen. Die Rentenversicherungsbeiträge müssen wir so schnell wie möglich wieder senken. Ich kann allerdings nicht verstehen, dass es so viel Widerstand gegen eine längere Lebensarbeitszeit gibt. Angesichts der Leistungsfähigkeit der Menschen kann man das gut verantworten. Ich verweise darauf, dass es im Koalitionsvertrag die Klausel gibt, dass wir die Anhebung der Altersgrenze nur dann einführen wollen, wenn ältere Menschen auch Arbeit auf dem Arbeitsmarkt finden. Das ist ein Zusammenhang, der ganz notwendigerweise gesehen werden muss.

   Obwohl schon einiges zum Thema Kombilohn gesagt wurde, will ich aus meiner Sicht noch hinzufügen, was ich für unbedingt notwendig halte. Der Kombilohn ist für uns ein Instrument, mit dem man sicherlich vielfach Anreize für Beschäftigung schaffen kann, also Unternehmen dazu bewegen kann, Menschen zu beschäftigen, die nicht die volle Leistung bringen können. Wir meinen damit nicht dauerhafte Subventionen für Unternehmen und wollen auch nicht noch ein zusätzliches Arbeitsmarktinstrument, sondern wir wollen bestehende Programme und Maßnahmen zur Lohnergänzung bündeln und daraus einen erfolgreichen Förderansatz machen. Das soll eine Arbeitsgruppe leisten, die allerdings nicht auf viele Jahre angelegt ist. Im nächsten Jahr soll auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe ein Konzept erarbeitet werden.

(Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Da bin ich aber gespannt!)

   Wichtig ist mir, in diesem Zusammenhang auch die Problematik „Menschen mit Behinderungen und Arbeitsmarkt“ in den Blick zu nehmen. Hierzu gibt es zwar mancherlei gute Instrumente, etwa Ausgleichszahlungen für Arbeitgeber und Eingliederungszuschüsse. Aber in Erwägung zu ziehen sind beispielsweise realistischere Minderleistungsausgleichszahlungen, die den tatsächlichen Einschränkungen besser Rechnung tragen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum sagt der Vertrag nichts dazu?)

   Ich denke zum Beispiel an Menschen, die häufiger Pausen brauchen, in denen sie sich hinlegen können, um danach wieder leistungsfähiger zu sein, die schlicht und ergreifend längere Zeit für die Toilette benötigen, die durch Krankheiten wie Multiple Sklerose in manchen Tätigkeiten zeitweise oder zunehmend verlangsamt oder eingeschränkt sind.

   Eine weitere Aufgabe im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen ist eine verbesserte Aufklärung von Arbeitgebern über Unterstützungsangebote zur Ausgestaltung von behindertengerechten Arbeitsplätzen. Da herrscht trotz aller Bemühungen der Arbeitsagenturen immer noch sehr viel Unkenntnis.

   Ermutigung brauchen wir zur Erprobung eines Arbeitsverhältnisses mit Behinderten, ohne dass die Furcht vor Unkündbarkeit eine Einstellung von vornherein verhindert. Nicht immer sind unsere Arbeitsschutzgesetze für die Betroffenen wirklich hilfreich.

(Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Na, na, na!)

- Nicht immer.

   Wir brauchen erleichterte Rückkehrmöglichkeiten für Behinderte, die aus einer Werkstatt heraus den Versuch unternehmen - den sollten wir unterstützen -, am ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, aber damit vielleicht nicht zurechtkommen. Für diese ist eine Rückkehr in die Werkstatt sehr schwer.

   Behinderte Menschen brauchen unsere besondere Unterstützung. Ihre umfassende Teilhabe an der Gesellschaft ist zu verwirklichen. Sie wollen selbstbestimmt und möglichst selbstständig leben. Dazu müssen wir unsere Unterstützung anbieten. Es sollte viel selbstverständlicher sein, dass sie ihren Platz mitten in der Gesellschaft finden und nicht nur in noch so schönen Sondereinrichtungen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE))

Diese Sondereinrichtungen sind selbstverständlich in vielen Fällen eine ideale Lösung,

(Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Na, na, na!)

manchmal aber auch eine sehr bequeme für eine glatte Lifestyle-Gesellschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Zu dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die Kollegen Brauksiepe und Straubinger Stellung nehmen. Lassen Sie mich deshalb schließen mit der Ermutigung, auch unkonventionelle Wege zu bedenken, wenn es darum geht, Menschen die Teilhabe an der Gesellschaft auch über ehrenamtliches Engagement in der Kombination mit Erwerbsarbeit zu eröffnen, wenn es denn nicht möglich ist, einen vollen Arbeitsplatz zu bekommen.

   Ich denke da an ein sehr erfolgreiches Beispiel von Best Practice, das Bürgerjahr. Das ist vom Evangelischen Stadtkirchenverband in Essen eingerichtet worden und ist dort vor vielen Jahren auf den Weg gebracht worden. Das Bürgerjahr ist eine neue Form gesellschaftlicher Arbeit, die mit existenzsichernder und - das ist ganz wichtig - sozialversicherungspflichtiger Vergütung in Höhe von brutto 1 000 Euro pro Monat auch denjenigen ein Vollzeitengagement ermöglicht, die sich das zum Beispiel zu den Bedingungen des freiwilligen sozialen Jahres nicht leisten können.

Das Bürgerjahr bedeutet Engagement in allen möglichen gemeinwohlbedeutsamen Praxisfeldern, in sozialen, soziokulturellen und ökologischen Aufgabenbereichen wie persönliche Unterstützungsdienste für Menschen mit besonderem Hilfebedarf in allen Lebensbereichen - also Assistenzdienste, Integrationshilfsdienste, Alltagslebenshilfen -, zur Ergänzung familiären und nachbarschaftlichen Engagements und zur Ergänzung der Arbeit professioneller Dienste. Es ist Projektarbeit, also Freiwilligenarbeit, das heißt eine Tätigkeit zur Entwicklung und Mitgestaltung integrativer, kreativer sozialer Projekte auf der Grundlage eigener Interessen und Fähigkeiten.

   Das Bürgerjahr ist Alternative zur Arbeitslosigkeit, zum Brachliegenlassen menschlicher Ressourcen, Alternative zu Minijobs und fremdbestimmter Niedriglohnarbeit, eine weiterführende Ergänzung zu den Gemeinwohlarbeitsgelegenheiten nach Hartz IV, zum Beispiel 1-Euro-Jobs, Alternative zu Pflichtdienst, Pflichtarbeit und anderen unzureichenden Zivildienstersatzlösungen und Alternative zu gesellschaftlicher Desintegration, zur Entsolidarisierung, zu Gemeinwohlverlusten.

   Weil das Bürgerjahr nicht nur Freude macht, sondern sich auch rechnet, sind inzwischen etwa 150 Menschen dort beschäftigt. Auch die Arbeitsagentur in Essen unterstützt diese Möglichkeit, jedenfalls soweit die derzeitige Gesetzeslage dies zulässt. Ich denke, es macht Sinn, darüber miteinander zu sprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe das letzte Beispiel so ausführlich dargestellt, um deutlich zu machen, wie wichtig es ist, dass wir uns auch Gedanken über die machen, die nicht das Glück eines regulären Arbeitsplatzes haben, aber dennoch am Arbeitsleben teilhaben wollen, die etwas tun wollen. Deshalb will ich definitiv schließen mit der Erfahrung einer Mutter von zwei kleineren Kindern, die lange arbeitslos war, von Sozialhilfe lebte und im Rahmen des Bürgerjahrs in der Behindertenarbeit eine neue Chance bekam. Sie schilderte ihren Tagesbeginn so: Wenn ich morgens zur Arbeit komme, fällt mir Hans um den Hals und begrüßt mich voller Freude mit „Hallo!“. - Sie fragt mich: Haben Sie das schon einmal bei einem Fließband erlebt? - Sie liebt ihre Arbeit und wünscht sich, dort länger zu bleiben, ohne dass sie einen höheren Lohn fordern würde.

   Ich stelle mir vor, wie diese Mutter, erfüllt und glücklich von ihrer Arbeit, die sie geleistet hat, am Abend nach Hause kommt und ihren Kindern davon erzählt. Wie viel besser ist ein solches Vorbild für Kinder als der oft trostlose Alltag in Arbeitslosenfrust und Ausgeschlossenheit!

   Sehr geehrter Herr Minister Müntefering, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf ein gutes und kreatives Miteinander!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun die Kollegin Kornelia Möller für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Kornelia Möller (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fand es sehr erstaunlich, nach drei Jahren endlich einmal wieder eine sozialdemokratische Rede von der SPD zu hören. Das ist in der letzten Zeit doch eher selten gewesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber man darf daran keine falschen Hoffnungen knüpfen. Da sich die SPD ja nun mit der CDU/CSU eingelassen hat, wird diese schöne Rede das bleiben, was sie ist: Worte auf dem Papier. Schade!

   Mit Mut und Menschlichkeit will die große Koalition, glaubt man dem Leitmotiv ihrer Koalitionsvereinbarung, unser Land regieren. Schön wäre das, möchte man meinen. Überprüft man dann aber einige zentrale Vorhaben wie zum Beispiel die ins Auge gefassten Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik, kommen erhebliche Zweifel auf. Schwarz-Rot setzt in seinem Koalitionsvertrag weiterhin auf die Senkung der Lohnzusatzkosten. Das spiegelt das Festhalten an einem fehlgeschlagen neoliberalen Kurs wider. Es hat nichts mit Mut zu tun, wenn man die gleichen Fehler immer wieder macht.

(Beifall bei der LINKEN)

Mittlerweile müsste auch Ihnen klar geworden sein, dass sinkende Lohnkosten und Steuerentlastungen für Unternehmen nicht automatisch zu mehr Arbeitsplätzen führen. Gewerkschaftlich errungene Rechte wie der Kündigungsschutz werden auch von dieser neuen Koalition, also auch wieder von der SPD, geopfert. Die Verlängerung der Probezeit auf zwei Jahre bei Neueinstellungen bedeutet die faktische Abschaffung des Kündigungsschutzes und wird, wie wissenschaftliche Studien ergaben, wenig Auswirkungen auf die Arbeitsmarktlage haben. Aber sie hat Auswirkung auf die abhängig Beschäftigten. Sie werden weiter diszipliniert und das führt zu einem größeren Klima von Angst und Unsicherheit im Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Angst macht krank. Es gibt Studien, die belegen, dass seit Einführung von Hartz IV die Zahlen der chronisch Kranken, derjenigen mit Angststörungen und Depressionen gestiegen sind. Ich bitte, das zu bedenken. Nebenbei: Angst regt auch nicht gerade den privaten Konsum an.

(Beifall bei der LINKEN)

   Die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden also weiter geschwächt. Höhere Erpressbarkeit der Unternehmensbelegschaften und stärkerer Druck auf die Löhne werden die Folge sein. Das ist weder mutig noch menschlich. Aber die arbeitsmarktpolitischen Vorhaben der neuen Bundesregierung sind auch kein Beleg für Menschlichkeit. Die Koalition setzt Hartz IV fort und bekämpft nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen. Weiter also mit Repressionen gegenüber jenen, die ohne eigenes Verschulden gewissermaßen als Opfer einer unfähigen Politik von Staat und Unternehmen auf der Straße liegen. Ostdeutsche Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund betrifft das bekanntermaßen überdurchschnittlich.

   In das Bild der Politik gegen Arbeitslose passen Rasterfahndung, flächendeckende telefonische Überwachung und mehr Hausbesuche zur Erfassung angeblicher Leistungsbetrüger und Arbeitsunwilliger. Ich finde es sehr schön, Herr Müntefering, dass Sie den Missbrauchsvorwurf etwas zurückgenommen haben. Allerdings finde ich diese neudeutschen Wörter „Dehnung“ und „Überdehnung“ als Bezeichnung dafür, dass Menschen ihre Rechte in Anspruch nehmen, auch nicht viel besser.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das sind alte deutsche Wörter!)

   Die Medien machen bei dieser Diffamierungskampagne mit und schon ist die Schuldfrage geklärt. Sie ziehen das Fazit: Betrug, wohin man sieht, und die Ämter müssen dann natürlich die überwachen, die Leistungen missbrauchen. Dann kann man auch noch lesen, Hartz IV sei im Prinzip ein gutes Gesetz. Aber mit der Stigmatisierung Unschuldiger soll nur kaschiert werden, dass nicht Leistungsmissbrauch, sondern in erster Linie falsche Berechnungen und fatale Fehleinschätzungen der Vorgängerregierung zu den von Rot-Grün nicht erwarteten hohen Kosten für Hartz IV führten. Ganz deutlich: Es fehlen Angebote auf dem Arbeitsmarkt. Hartz IV hat nicht einen einzigen Arbeitsplatz gebracht.

   Ganz schön ist auch die neue Überlegung, dass, um 600 Millionen Euro einzusparen, junge Arbeitslose von dieser Koalition entmündigt werden. Mit überwachungsstaatlichen Mitteln, neu ins Auge gefassten Regelungen zum grundsätzlichen Rückgriffsrecht für junge Menschen bis 25 und zur Einschränkung des Erstwohnungsbezugs von Jugendlichen will die neue Regierung offenbar die Linie verfassungsrechtlich fragwürdiger Einschränkungen der Menschenrechte durch die Arbeitsmarktpolitik fortsetzen. Eine neue Welle von Sozialgerichtsverfahren steht an. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen, dass wir, die Linke, auch weiterhin die Betroffenen bei der Wahrung ihrer Rechte unterstützen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

   Millionenfache Proteste im eigenen Land gegen die Hartz-Gesetze hatten Rot-Grün, die in dieser Frage bereits als Teil einer großen Koalition handelten, kaum beeindruckt. Es musste erst der Europäische Gerichtshof in einem Urteil nachweisen, dass die Hartz-Gesetze gegen Menschenrechte verstoßen, da älteren Beschäftigten ab ihrem 52. Lebensjahr unterschiedslos bis zum Ruhestand befristete sowie unbegrenzt häufig verlängerte Arbeitsverträge angeboten werden können.

(Dirk Niebel (FDP): Aber das ist doch besser, als dauerhaft arbeitslos zu bleiben!)

Das verstößt gegen das Recht der EU und es schafft auch nicht mehr Arbeitsplätze. Das ist Quatsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern die Bundesregierung auf, bei neuen Vorhaben zum Arbeitsmarkt Diskriminierung energisch auszuschließen.

(Dirk Niebel (FDP): Das schafft keine Chancen! Es hält die Leute draußen!)

Wir bestehen ferner darauf, dass die bereits gültigen Gesetze daraufhin zu überprüfen sind. Ich wünsche mir, dass vom Luxemburger Urteil auch ein Signal an die Sozial- und Arbeitsrichter ausgeht,

(Zuruf von der SPD: Vor Weihnachten ist das immer möglich!)

die sich zurzeit so zahlreich mit Rechtsstreitigkeiten zu den Hartz-Gesetzen befassen - ein Signal, das die Richter ermutigt, Hartz IV und die übrigen Hartz-Gesetze ebenfalls auf den Prüfstand zu stellen, und zwar auf den des Bundesverfassungsgerichts.

(Beifall bei der LINKEN)

   Hartz IV ist kein gutes Gesetz; Hartz IV ist ein schlechtes Gesetz.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb reichen nach unserer Auffassung kleine Korrekturen auch nicht aus, obwohl kurzfristig die gröbsten Ungerechtigkeiten dringend beseitigt werden müssen. Dafür werden wir Vorschläge unterbreiten.

   Mittel- und langfristig fordern wir die Einführung einer bedarfsorientierten sozialen Grundsicherung als Individualanspruch, um die Verarmung von Erwerbslosen, dauerhaft Erwerbsgeminderten, armen alten Menschen und Menschen mit geringem Einkommen zu beenden. Die Einrichtung der Bedarfsgemeinschaften ist unsozial und muss weg.

   Eine soziale Gesetzgebung muss das Menschenrecht auf Wohnen und den Schutz vor Obdachlosigkeit sichern. Ein langfristiger Schutz vor Altersarmut ist auf- und nicht abzubauen, wie jetzt mit diesem Gesetz der Koalition geschehen.

(Beifall bei der LINKEN)

   Frau Merkel hat genau wie ihr Vorgänger angekündigt, sich am Abbau der Arbeitslosigkeit messen zu lassen. Wir werden sie daran messen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eines kann ich Ihnen jedoch schon heute sagen: Die Koalitionsvereinbarung ist für die Erreichung dieses Ziels ein schlechter Wegweiser.

   Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin Möller, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag, verbunden mit allen guten Wünschen für die weitere parlamentarische Arbeit.

(Beifall)

   Das Wort erhält nun die Kollegin Brigitte Pothmer, Bündnis 90/Die Grünen.

Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Wer gleichzeitig sagt „Vorfahrt für Arbeit“ und „Mehrwertsteuer rauf“, der organisiert den Crash auf dem Arbeitsmarkt! ... Wer so etwas vorhat, handelt gegen jede konjunkturelle Vernunft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister Müntefering, kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Haben Sie das schon einmal gehört? Ich kann Ihnen gerne helfen. Das ist ein Zitat von Ihnen, nämlich vom Wahlblog der SPD Hamburg, 19. August dieses Jahres.

(Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Er hat dazugelernt! - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?)

Wo Sie Recht haben, haben Sie Recht. Tja, so kann es kommen, Herr Müntefering. Gestern wollten Sie noch den klugen Fahrlehrer geben und heute sitzen Sie selbst bei diesem Crashkurs am Steuer. Und dann geben Sie auch noch Vollgas.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Müntefering, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich habe Sorge, dass Sie mit diesem Crashkurs und mit dem Vollgas den Karren wirklich an die Wand fahren.

(Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Wir passen schon auf!)

Was gestern noch Crashkurs war, ist heute die Koalition der neuen Möglichkeiten.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Gestern standen sie vorm Abgrund, heute sind sie schon ein Stück weiter!)

   Sie wissen, dass ich neu in diesem Parlament bin. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von der CDU/CSU, ich kann Ihnen sagen: Sie haben mich bereits jetzt tief beeindruckt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben mich tief beeindruckt mit Ihrer rhetorischen Geschmeidigkeit, die Sie in diesem Hohen Hause an den Tag legen.

(Klaus Brandner (SPD): Schön, dass Sie selber dabei lachen können!)

- Ich bewundere Sie. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass es nicht mein erstes Ziel ist, Sie darin zu übertreffen.

   Der Volksmund sagt, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Wenn ich mir die Koalitionsvereinbarung anschaue, dann muss ich feststellen, dass das tatsächlich zutrifft. Diese Koalitionsvereinbarung ist vor allen Dingen von einem Ziel getragen: von dem Ziel, dass keiner der beiden Koalitionspartner das Gesicht verliert. Sie selbst haben im Mittelpunkt der Verhandlungen gestanden und nicht etwa die Arbeitslosen. Diese sind es, die bei diesem Deal verloren haben - und nicht nur ihr Gesicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Klaus Brandner (SPD): Das ist aber schwach!)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, noch vor wenigen Monaten waren Sie der Auffassung, Rot-Grün werde Deutschland in den Untergang führen,

(Max Straubinger (CDU/CSU): Das hat sich nicht geändert!)

weil nach Ihrer Auffassung die Arbeitsmarktpolitik nur halbherzig vorangetrieben würde. Was ist eigentlich die Steigerung von Untergang? Bei diesen Koalitionsverhandlungen ging es aber noch nicht einmal um halbherzige, sondern maximal nur um viertelherzige Reformen auf dem Arbeitsmarkt. Was glauben Sie eigentlich, wohin Sie Deutschland mit dieser Art von Politik führen? Die Maßnahmen, die Sie beschlossen haben, sind nicht stark und zukunftstauglich.

Sie sind vor allen Dingen eines: Sie sind widersprüchlich und konzeptionslos.

   So wollen Sie auf der einen Seite die Schwarzarbeit mit einem umfänglichen Programm bekämpfen. Es ist richtig: Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt. Aber mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer legen Sie auf der anderen Seite ein gigantisches Programm zur Stimulierung der Schwarzarbeit auf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

   Sie wollen einerseits die Lohnnebenkosten senken. Durch die angekündigte Erhöhung der Beitragssätze in der Rentenversicherung steigen die Beiträge aber andererseits erst einmal wieder.

   Sie wollen das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre heraufsetzen. Gleichzeitig ziehen Sie sich aber aus der Qualifizierung älterer Arbeitsloser zurück. Auf diese Weise wird die Anhebung zu nichts anderem als zu einem Programm zur Reduzierung der Renten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich sage Ihnen einmal etwas: Ich habe überhaupt nichts gegen eine Politik der kleinen Schritte. Zum Problem wird eine solche Politik allerdings in dem Moment, in dem Sie mit Siebenmeilenstiefeln gleichzeitig in die andere Richtung marschieren.

   Ihrer Politik fehlt nicht nur die Richtung, ihr fehlen auch die Schwerpunkte. Mit Ihrer linearen Senkung der Lohnnebenkosten fördern Sie auch diejenigen, die es gar nicht nötig hätten: die Menschen mit hohen Einkommen. Wenn Sie Ihr Vorhaben auf die Senkung der Lohnnebenkosten bei den geringen Einkünften konzentrieren würden, dann würden Sie in diesem Bereich eine erhebliche Entlastung erreichen und damit deutlich mehr Arbeitsplätze schaffen, als das nach Ihren Vorstellungen der Fall ist, nämlich 500 000.

   Ich kann Ihnen da nur das Progressivmodell der Fraktion der Grünen ans Herz legen. Dann brauchen Sie nicht noch einmal lange über Kombilohnmodelle reden. Dann können Sie handeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Schwerpunktgruppe, mit der wir uns beschäftigen müssen, sind doch die Geringqualifizierten. Mit unserem Modell wird die Gruppe gefördert, die die allergrößten Probleme hat, aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen.

   Wir alle können uns sicher noch erinnern: Helmut Kohl hatte versprochen, die Arbeitslosigkeit zu halbieren.

(Dirk Niebel (FDP): Gerhard Schröder auch!)

Das war 2000.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Sie haben sich in der Zeit vertan! Sie haben falsche Zahlen genannt!)

Gerhard Schröder wollte sie auf 3,5 Millionen senken.

(Elke Ferner (SPD): Da wart ihr aber auch mit dabei!)

- Ja, da waren auch wir dabei. - Jetzt will sich auch Frau Merkel an der Senkung der Arbeitslosigkeit messen lassen. Aber anders als ihre Vorgänger nennt sie dabei keine Ziele und keine Zahlen.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Ziele schon, aber keine Zahlen!)

Das kann ja ein Ausdruck ihrer Schläue sein. Aber es könnte auch ein Ausdruck der tiefen Skepsis sein, die sie gegen ihre eigenen Modelle und gegen ihre eigenen Programme hat. Ich habe den Verdacht: Genauso ist es. Ich kann nur sagen: Zumindest an diesem Punkt wäre sie sehr dicht bei den Menschen. Denn 79 Prozent der Bevölkerung sind der Auffassung, dass die von Angela Merkel angeführte große Koalition die Situation auf dem Arbeitsmarkt keineswegs verbessern wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -Wolfgang Grotthaus (SPD): Und wie viel Prozent der Stimmen haben Sie gekriegt?)

   Herr Minister Müntefering, damit keine Missverständnisse auftreten: Auch ich bin der Auffassung, dass es Aufgabe einer Regierung ist, die Lohnnebenkosten zu senken. Aber die Probleme sind etwas komplexer. Ich finde, es ist auch Aufgabe einer Regierung, dafür zu sorgen, dass die Unternehmen in einem demokratischen Gemeinwesen wieder Verantwortung übernehmen. Die Gewinne der 29 im DAX geführten Unternehmen sind im Vergleich zum Vorjahr - man höre und staune - um 61 Prozent von 9 Milliarden auf 14,5 Milliarden Euro gestiegen. Gleichzeitig werden Arbeitsplätze abgebaut, abgebaut, abgebaut.

   In Hannover kündigt gerade der Conti-Vorstand einseitig die Vereinbarung, die er vor wenigen Monaten mit der Arbeitnehmerseite getroffen hat. Es geht jetzt wieder um 300 Arbeitsplätze. Vorher hatten die Beschäftigten eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich hingenommen. Ich finde, das ist eine Provokation, die die Tarifparteien zunehmend belastet.

   Sie persönlich haben ja einmal unter dem Stichwort „Heuschrecken“ angekündigt, Lösungen für diese Probleme zu suchen.

(Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war nur im Wahlkampf!)

Was ist eigentlich daraus geworden?

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin.

Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich komme gleich zum Schluss. - Ich habe die Sorge, Herr Minister, dass diese Heuschrecken im milden Licht Ihres neuen Amtes in Ihren Augen möglicherweise zu kleinen grünen Grashüpfern werden könnten.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Die Gefahr besteht eher bei Ihnen!)

   Die Kanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung versprochen, insbesondere den Schwachen zu helfen. Sie hat aber davor gewarnt, dass sich Starke als Schwache verkleiden könnten. Nach Ihrem Beitrag, Herr Müntefering, habe ich eher die Befürchtung, dass sich Schwache als Starke verkleiden. Auch das könnte eine Form des Missbrauchs sein.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin Pothmer, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag, zu der ich Ihnen herzlich gratuliere.

(Beifall)

Ihnen wird aufgefallen sein, dass ich Sie gleich mit einem Zeitbonus prämiert habe, den ich für weitere Reden ausdrücklich nicht in Aussicht stellen kann.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! - Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich dachte, das ist hier immer so! - Weitere Zurufe)

- Wenn nun ausgerechnet die Parlamentarischen Geschäftsführer, die auf die Einhaltung der Redezeit den größten Wert legen, die unschuldigsten Zwischenrufe machen, finde ich das ganz besonders bemerkenswert.

(Dirk Niebel (FDP): Ich bin ja gar kein Geschäftsführer! Ich bin nur Generalsekretär!)

- Sie sind aber nicht der einzige Zwischenrufer, Herr Kollege Niebel. So einzigartig sind Sie nun auch wieder nicht.

(Heiterkeit und Beifall)

   Das Wort hat nun der Kollege Klaus Brandner für die SPD-Fraktion.

Klaus Brandner (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Woche diskutieren wir über die zentralen Gebiete der künftigen Zusammenarbeit in der großen Koalition. Der Bereich „Arbeitsmarkt und Soziales“ steht heute auf der Tagesordnung. Das ist gerade für uns Sozialdemokraten ein Kernbereich und für viele auch ein Gebiet, bei dem man besonders hinsieht, weil es dort vermeintlich viel Sprengstoff gibt. Dabei werden schon einmal unterschiedliche Positionen deutlich, die wir in der politischen Arbeit zu berücksichtigen haben. Uns ist wichtig, dass wir in der Koalitionsvereinbarung die Positionen zu der Arbeitsmarktpolitik und den Arbeitnehmerrechten zusammengeführt haben. Ich kann also feststellen, dass wir von einem ausgesprochen positiven Start der großen Koalition sprechen können.

   Die große Koalition ist eine große Chance für unser Land. Bei der Vorbereitung meiner Rede musste ich nicht überlegen, wo der Koalitionspartner in ein Fettnäpfchen getreten ist, was vorgetragen werden muss, und wo wir ein besonderes Lob von der Öffentlichkeit, zum Beispiel von Wissenschaftlern, erfahren haben. Uns geht es vielmehr darum, die Chancen der großen Koalition zu nutzen. Es darf nichts schlecht gemacht, aber auch nichts schöngeredet werden.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das hätten Sie doch in die Präambel schreiben können!)

Das muss unser Ziel, muss die Grundlage unserer Zusammenarbeit sein.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Dass sich die Opposition damit schwer tut, haben wir gerade wieder gespürt. Wenn ich einen Satz zu der Rede von Frau Pothmer sagen darf:

(Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bitte!)

In der letzten Legislaturperiode haben sich die Grünen hinsichtlich der Aktivitäten zur Senkung der Lohnnebenkosten geradezu überboten. Es gab selten Veranstaltungen, bei denen Sie nicht in der ersten Reihe gesessen und gerufen haben: Lohnnebenkosten runter! Das bringt Arbeitsplätze! - Dabei war Ihnen ganz egal, welche Leistungen dafür eingeschränkt werden müssen. Das muss man Ihnen einmal ins Stammbuch schreiben, liebe Kollegin.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Die Kollegin Möller von der Linken hat zu Recht gesagt, dass durch die Hartz-Reformen keine Arbeitsplätze geschaffen werden. Das behauptet auch keiner. Dies ist aber der erste gemeinsame Ansatz, wodurch Langzeitarbeitslose eine individuelle Betreuung erfahren und systematisch gefördert werden. Es wird Schluss gemacht mit dem Abschieben und der Passivität. Das ist der Vorteil dieser Gesetzgebung und das muss gesagt werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Sehen Sie sich das mal vor Ort an! Sie haben keine Ahnung!)

   Vom Kollegen Niebel haben wir nichts anderes erwartet. Er ist vielleicht noch ein bisschen enttäuscht darüber, dass er nicht Minister geworden ist,

(Dirk Niebel (FDP): Ich muss doch gar nichts mehr werden! Ich bin doch schon was!)

wie auch andere, die nicht Staatssekretäre geworden sind. Mit dieser Situation werden wir uns abfinden müssen. Es ist Ihnen erspart geblieben, Regierungsverantwortung zu übernehmen. XXXXX

Aber sei es drum. Wir, CDU/CSU und SPD, werden unsere ganze politische Energie gemeinsam auf das Machbare konzentrieren anstatt auf das ständige Voneinanderabgrenzen.

   Völlig klar ist: Der politische Wettbewerb in der Arbeitsmarktpolitik und erst recht bei den Arbeitnehmerrechten bleibt bestehen. Aber wir werden die Kraft haben, dieses Land konstruktiv zu modernisieren und dabei die Solidarität mit den Schwachen in der Gesellschaft als Leitbild zu bewahren. Ich glaube, dass das, was Kollegin Falk hier vorgetragen hat, ein Beispiel dafür ist, dass wir auf eine sichere Grundlage bauen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang etwas zu dem Appell sagen, den die Bundeskanzlerin, Frau Merkel, gestern an uns alle gerichtet hat, nämlich, dass wir mehr Freiheit wagen müssen. Das ist, wie ich meine, ein richtiger Ansatz. Wir müssen uns jedoch auch darüber im Klaren sein, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen und sichern müssen, dass Freiheit und Sicherheit einander bedingen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Freiheit kann nur aus der Position der Sicherheit heraus gelebt werden. Um den Menschen die Möglichkeit zu geben, Freiheit zu wagen, müssen wir ihnen insbesondere soziale Sicherheit geben. Für uns heißt das ganz konkret, dass sozialer Schutz und Arbeitnehmerrechte den notwendigen Veränderungen nicht im Wege stehen, sondern vielmehr die Voraussetzung für die Reformen sind.

   Ich will als Beispiel ein Argument hinsichtlich des Kündigungsschutzes aufgreifen und dies hieran verdeutlichen. Der Kündigungsschutz ist nicht allein eine ökonomische Größe, und schon gar nicht ein Kostenfaktor. Kündigungsschutz gibt den Menschen Sicherheit, Verlässlichkeit und Planungsmöglichkeiten. In einer Hire-und-fire-Gesellschaft haben Menschen nicht die Kraft, Freiheit zu wagen und sie zu leben. Deshalb sage ich ganz deutlich: Weniger Kündigungsschutz bedeutet nicht zugleich mehr Arbeitsplätze, wie die FDP uns das immer wieder einreden will.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es gibt keine seriöse Studie, die belegt, dass weniger Kündigungsschutz zu mehr Arbeitsplätzen führt. Wir brauchen - auch beim Kündigungsschutz - einfache und transparente Regeln. Deshalb haben wir uns darauf geeinigt, den Kündigungsschutz in diese Richtung weiterzuentwickeln. Deshalb machen wir Schluss mit dem Anwuchs und Auswuchs an Befristungen. Ehrlich gesagt: Welche Einstellung in den Betrieben findet denn heute unbefristet statt?

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Immerhin findet sie statt!)

Die Einstellungen in den Betrieben finden doch nur mit sachgrundlosen Befristungen statt. Das sind doch die Praxis und die Wahrheit, der wir uns nicht verschließen dürfen.

   Deshalb sage ich ganz deutlich: Die Möglichkeit, Arbeitsverträge bis zu 24 Monate sachgrundlos zu befristen, schaffen wir ab. Mit diesem Missbrauch machen wir Schluss.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da klatscht kaum einer aus Ihrer Fraktion!)

Im Gegenzug geben wir den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern die Möglichkeit, anstatt der bisherigen sechsmonatigen Wartezeit eine Wartezeit von bis zu 24 Monaten zu vereinbaren, bis der Kündigungsschutz greift.

   Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang mit einem Missverständnis aufräumen, das landauf, landab durch die Medien geht: Es wird nämlich nicht die Probezeit verlängert, sondern die Wartezeit, bis der Kündigungsschutz greift.

(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erklären Sie erst mal den Arbeitnehmern den Unterschied!)

Wenn dann in dieser Zeit, also während der Wartezeit, gekündigt wird, gelten erstens die allgemeinen Kündigungsfristen und zweitens ist der Betriebsrat zu beteiligen. - Lieber Herr Kollege, wenn Sie im Arbeitsrecht bewandert sind, wissen Sie, was das bedeutet.

(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erklären Sie das mal einem Arbeiter!)

Deshalb sage ich Ihnen: Man muss auf diese zusätzlichen Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir schaffen Planungssicherheit für die Beschäftigten und bewahren den Schutz der Arbeitnehmer vor Willkür und Beliebigkeit.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Aber nicht für die Unternehmen!)

   Als Voraussetzung für ein Leben in Freiheit ist es notwendig, die Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft zu erhalten. Wir werden nicht an der Tarifautonomie rütteln, die gleichfalls ein Symbol für Freiheit ist. Wir werden unser Erfolgsmodell Mitbestimmung weiterentwickeln und die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf europäischer Ebene sichern und gestalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Für die SPD gilt der Leitsatz: Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen und nicht umgekehrt. Alle Reformen müssen sich an diesem Leitsatz messen lassen. Deshalb ist für mich der Zusammenhang zwischen Innovation und sozialer Gerechtigkeit so entscheidend.

   Um es auf den Punkt zu bringen: Innovation und soziale Gerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille und sie bedingen einander: ohne Wachstum keine soziale Balance und ohne soziale Balance kein Wachstum.

   Meine Damen und Herren, ich will den Zusammenhang zwischen Wachstum und sozialer Balance an zwei Punkten festmachen, die für mich zu den Aufgaben der kommenden Jahre zählen:

   Erstens. Die Festigung der Mitbestimmung. Wer heute ständig schreit, man solle die Mitbestimmung kräftig einschränken, der schadet dem Standort Deutschland insgesamt.

(Beifall bei der SPD)

Wer die Gewerkschaften schwächen und die Rechte der Arbeitnehmer beschneiden will, hat ein anderes Selbstverständnis von Arbeit und ein anderes gesellschaftliches Leitbild als wir. Die SPD steht für Teilhabe, für gleiche Augenhöhe, für starke Gewerkschaften, für selbstbewusste und motivierte Arbeitnehmer, für Mitverantwortung und für Mitbestimmung. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind ein Paar, das zusammengehört. Das sorgt für die Teilhabe der Menschen und dafür, dass unsere hohe Produktivität ein Standortvorteil Deutschlands ist. Das ist die Ursache für das friedliche Zusammenwirken innerhalb unseres gesellschaftlichen Modells. Auch deshalb haben der Schutz und der Ausbau der Arbeitnehmerrechte für uns hohe Priorität.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Deshalb, meine Damen und Herren, sind wir froh, dass diese Einschätzung im Koalitionsvertrag auch von der CDU und der CSU geteilt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Kolleginnen und Kollegen von der Linken bzw. die ehemaligen PDS-Abgeordneten, die neu hinzugekommen sind, mögen einmal zur Kenntnis nehmen: Wir haben vereinbart, dass das Betriebsverfassungsgesetz auch weiterhin uneingeschränkt gilt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Um es deutlich zu sagen: Auf dieser sicheren Grundlage werden die Betriebsratswahlen im Frühjahr 2006 die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich die Arbeitnehmer weiterhin in den Betrieben engagieren und gemeinsam nach konstruktiven Zukunftslösungen suchen können.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Werden dadurch weitere Arbeitsplätze entstehen oder nicht?)

   Zweitens; jetzt muss ich mich besonders an die Kollegen von der FDP wenden.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Aha! - Dirk Niebel (FDP): Oh, jetzt kriegen wir es!)

Wir alle haben noch in guter Erinnerung, wie Sie im Wahlkampf auf die Gewerkschaften eingeprügelt haben, die Ihrer Meinung nach „die Wurzel allen Übels“ sind.

(Dirk Niebel (FDP): Nein! Wir sprachen von den Funktionären, die sich anmaßen, die Geschicke des Landes zu bestimmen!)

- Jetzt sprechen Sie von den Funktionären.

(Dirk Niebel (FDP): Ja, von solchen wie Ihnen!)

Die Funktionäre vertreten die Gewerkschaften, Herr Niebel.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ich dachte, sie vertreten die Interessen ihrer Mitglieder! - Gegenruf von der SPD: Ja, so ist das ja auch!)

Bleiben Sie doch konsistent; entschuldigen Sie mal. Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass die Gewerkschaften zu großen Reformen in der Lage waren und es auch weiterhin sind. Gewerkschaften und Arbeitnehmer haben in den vergangenen Jahren maßgeblich zur Modernisierung dieses Landes beigetragen. Wir haben in Deutschland, um das deutlich zu sagen, mit die wenigsten Streiktage in der ganzen Welt. In den letzten zehn Jahren gab es pro 100 000 Arbeitnehmer im Schnitt nur an vier Tagen im Jahr Arbeitskämpfe. Zum Vergleich: In unserem Nachbarland Dänemark waren es 171 und in Kanada 186 Arbeitstage.

(Dirk Niebel (FDP): Dort hat man sich das aber nicht so teuer abkaufen lassen!)

Das zeigt: Der soziale Frieden ist in diesem Land nicht nur ein gesellschaftlicher Frieden, sondern er hat auch einen entscheidenden ökonomischen Wert. Nehmen Sie das bitte endlich zur Kenntnis.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Den starren Tarifvertrag, den viele immer wieder unterstellen, gibt es in der Praxis gar nicht. Im Jahr 2004 gab es 61 800 gültige Tarifverträge, die zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovationsfähigkeit mit Öffnungsklauseln ausgestattet waren, die heute die Regel sind. Drei Viertel aller tarifgebundenen Betriebe nutzen tarifliche Öffnungsklauseln. Wie kann man da von Inflexibilität reden und die Abschaffung der Tarifautonomie fordern, meine Damen und Herren?

(Dirk Niebel (FDP): Hat das nicht die CDU gefordert?)

   Ich bin sehr froh darüber, dass wir im Koalitionsvertrag ein deutliches Bekenntnis zur Tarifautonomie formuliert haben. Wir stehen dafür, dass Verträge nur dann eine Wirkung haben, wenn sie für beide Seiten verbindlich sind. Nur wenn sie verlässlich sind, sind sie eine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Mitbestimmung, Tarifautonomie und Kündigungsschutz sind für mich die besten Beispiele dafür, wie eng Arbeitnehmerrechte und Wachstum miteinander verbunden sind. Man kann wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt nur mit den Menschen gestalten, nicht aber, indem man ihnen ihre Teilhabemöglichkeiten nimmt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   So wie die Menschen in ihrem Arbeitsleben einen Anspruch auf verlässliche Arbeitnehmerrechte haben, so haben auch die Rentnerinnen und Rentner einen Anspruch auf eine ausreichende und verlässliche Alterssicherung.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Oh, jetzt geht es um die Rentnerinnen und Rentner! Dazu hat er ja noch gar nichts gesagt!)

Für uns Sozialdemokraten ist dies unverzichtbar, ja eine Herzensangelegenheit; ich sage das so deutlich. Die Absicherung eines jeden einzelnen Bürgers ist uns Verpflichtung und Antrieb. Im Koalitionsvertrag wurde deshalb festgeschrieben: keine Rentenkürzungen und Einhaltung der Sicherungs- und Beitragsziele. Hierfür stehen wir gemeinsam ein und hieran werden wir uns messen lassen. Die große Koalition eröffnet uns allen die großartige Möglichkeit, dies im gesellschaftlichen Konsens anzugehen. Hier sind wir uns mit der Union im Grundsatz einig. Einig sind wir uns auch, dass die grundsätzlichen Weichenstellungen für eine langfristige Sicherung der Renten durch die zurückliegenden Rentenreformen bereits vorgenommen wurden und dass wir in der gesetzlichen Rente vor allem ein Einnahmeproblem haben; auch darauf hat Frau Falk hingewiesen. Drei Nullanpassungen in Folge sprechen doch eine eindeutige Sprache. Sie sind nicht Folge der Demographie - um es deutlich zu sagen -, sondern sie sind allein Folge des Wegbrechens der Einnahmebasis.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dirk Niebel (FDP): Deswegen braucht man eine leistungsorientierte Wirtschaftspolitik!)

Immer weniger reguläre Arbeitsverhältnisse, immer geringere Löhne und Gehälter, das hält kein System der Welt aus. Diese Entwicklung werden wir zusammen mit der Union stoppen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Wir dürfen bei der ganzen Diskussion aber nicht den Blick für andere, wesentliche Entwicklungen verlieren. So wächst seit Jahren die Anzahl der Selbstständigen, die unzureichend für ihr Alter vorsorgen. Dies kann verschiedene Gründe haben: dass sie in der Gründungsphase an anderes denken oder dass sie sich zu Altersvorsorge kaum in der Lage sehen. Warum auch immer - hier droht Altersarmut. Dieser Entwicklung dürften wir nicht tatenlos zusehen. In fast allen europäischen Ländern sind Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Ich meine, wir sollten diesem Vorbild besondere Aufmerksamkeit widmen.

(Beifall des Abg. Ludwig Stiegler (SPD) - Dirk Niebel (FDP): Begeisterung bei Ludwig Stiegler!)

   In der Diskussion darüber, wie wir zusätzliche Arbeitsplätze schaffen können, ist schon häufig das Stichwort „Kombilohn“ gefallen und es ist darüber gesprochen worden, wie im Niedriglohnsektor zusätzliche Beschäftigung geschaffen werden kann. Völlig klar ist, dass wir vorurteilsfrei alle Möglichkeiten prüfen sollten und müssen, wie wir mehr Menschen in Arbeit bringen. Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung haben wir in vielfältiger Art gesetzt. Ich glaube, es fehlt uns an Transparenz. Diese Anreize werden auch deshalb nicht in dem wünschenswerten Maße genutzt, weil sie vor lauter Vielfalt kaum zu überschauen sind. Deshalb ist richtig, was wir uns vorgenommen haben: diesen Strauß an differenzierten Fördermöglichkeiten zu sortieren, zu bündeln, zu einem sinnvollen Instrument zusammenzufassen und dabei immer zu prüfen, inwieweit sie zusätzliche Beschäftigung schaffen und inwieweit sie Menschen aus der Schwarzarbeit herausholen, sie in normale Arbeitsverhältnisse integrieren. Völlig klar ist für uns, dass eine solche Politik fiskalisch beherrschbar sein muss, dass Verdrängungseffekte vermieden und Mitnahmeeffekte minimiert werden müssen. Unser Ziel wird es dabei sein, Armut zu vermeiden und Chancen zu eröffnen, dass ehrliche Arbeit auch honoriert wird. Was wir uns vorgenommen haben, ist ehrgeizig.

   Wenn wir uns die heutigen Arbeitslosenzahlen anschauen, können wir feststellen, dass wir zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung in einem November keinen Anstieg, sondern einen Rückgang der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen haben.

(Dirk Niebel (FDP): Hättet ihr zehn Tage weniger gezählt, wären es noch weniger!)

Das ist ein ermutigendes Signal; darauf müssen wir aufbauen.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, Sie wollten Ihr Manuskript jetzt nicht sortieren, oder?

Klaus Brandner (SPD):

Ich wünsche uns von dieser verbesserten Basis aus dazu viel Erfolg. Ich denke, gemeinsam schaffen wir das.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat der Kollege Heinrich Kolb, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 6. Sitzung - wird am
Montag, den 5. Dezember 2005,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/16006
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