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Igal Avidan
Plötzlich begannen die Wände
zuzuhören
Vorsichtige Hoffnungen im
Nahost-Konflikt
Ein israelischer Regierungschef und der
Vorsitzende der Palästinenserbehörde haben bereits einmal
im Badeort Sharm al Scheich konferiert. Ehud Barak und Yassir
Arafat waren Gäste des ägyptischen Präsidenten Hosni
Mubarak, genauso wie der damalige US-Präsident Bill Clinton.
Das war im Oktober 2000. Auf dem damaligen Gipfel versprach Barak,
die internationale Grenzübergänge für
Palästinenser zu öffnen, Arafat wiederum versicherte, er
werde Hamas-Terroristen inhaftieren. Durch einen Waffenstillstand
sollte die bereits einen Monat andauernde Intifada beendet werden.
Daraus wurde, wie bekannt, nichts.
Viereinhalb Jahre vergingen seitdem, und
über 1.000 Israelis sowie 4.500 Palästinenser starben in
diesem Zeitraum. Jetzt trafen sich beide Konfliktparteien wieder
als Gäste des gleichen Gastgebers im selben Badeort. Wird der
Händedruck zwischen Ariel Scharon und Mahmud Abbas (Abu Masen)
diesmal halten? Wird der vereinbarte Waffenstillstand in einen
geregelten israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen und in
diplomatische Verhandlungen zur Gründung eines
Palästinenserstaates münden?
Dafür spricht einiges. Sharm-I fand zu
Beginn des "Mini-Krieges" statt, in einer Zeit, in der beide Seiten
nur einige Dutzend Tote zu beklagen hatten und in der sie noch
dachten, dass der Gegner bald aufgeben würde. Diesmal sind sie
vom Blutbad erschöpft. Die Abwesenheit Arafats, der nach
außen über Versöhnung sprach und gleichzeitig nach
innen Gewalt predigte, und vor allem die Anwesenheit seines
Nachfolgers Abu Masen trägt zum momentanen Optimismus bei. Die
israelischen Medien überschlugen sich mit Komplimenten
für Abbas, den sie als einen "angenehmen, kultivierten,
ruhigen, charmanten, moderaten und sachlichen
Gesprächspartner" beschrieben. So wurde betont, dass er sogar
einige Worte auf Hebräisch sprach. Viel wichtiger war es, dass
er bisher sein Wort hielt. Während seiner dreiwöchigen
Amtszeit hat er bereits die antiisraelische Hetze in den eigenen
Medien unterbunden und die Führung des staatlichen Senders
entlassen. Nach jüngsten Umfragen glauben 24 Prozent der
Israelis, dass er die Gewalt eindämmen wird. Weitere 36
Prozent tendieren dazu, ihm Vertrauen zu schenken.
Einseitiger Rückzugsplan
Scharons
Den größten Unterschied zum
früheren Gipfel macht Scharons einseitiger Rückzugsplan
aus. Denn, wenn ausgerechnet der Patron der Siedler und der
kämpferische General, der einmal gegen das Friedensabkommen
mit Ägypten votierte, nun zum Liebling der Peace-Now-Bewegung
avanciert, "dann kann sich noch vieles in dieser Region
ändern", glaubte ein israelischer Kommentator. Scharons
bitterster Gegner seit der Zeit des Libanonkrieges 1982, Yossi
Sarid, sagte im Fernsehen, Scharon führe in Sharm al Scheich
die Politik der Linken aus: "Jahrzehnte lang sprachen wir gegen
Wände an, plötzlich begannen die Wände uns
zuzuhören". Scharons einseitiger Rückzug hat Bewegung in
den festgefahrenen Nahostkonflikt gebracht, weil dessen
Implementierung nicht von einem Abkommen mit den
Palästinensern abhängt. Im Gegensatz zum Oslo-Abkommen
müssen daher beide Seiten sich erst mal nicht mit einem Streit
über Details und Formulierungen zermürben. Statt dessen
können sie durch kleine, vorsichtige Schritte wieder Vertrauen
zueinander gewinnen. Die positive Stimmung in Israel wirkt
zugunsten Scharons. 48 Prozent der Israelis sind "ziemlich
optimistisch", dass der Waffenstillstand halten wird, 13 Prozent
sind "sehr optimistisch".
Das Gipfeltreffen vom 8. Februar bedeutete in
einer gewissen Hinsicht die Rehabilitierung Scharons in der
arabischen Welt, denn er war Gast beim Präsidenten des
größten arabischen Staates. "Sabra und Schatila wurden
getilgt", schrieb "Haaretz" in Bezug auf das Massaker in den
palästinensischen Flüchtlingslagern 1982 im Libanon, die
zwar von christlichen Milizen ausgeführt, Scharon aber zu Last
gelegt wurden und seine politische Karriere erst einmal begruben.
Mubaraks Äußerung, der Weg zum Frieden hänge
wesentlich von Scharon ab, und die Freilassung des israelischen
Geschäftsmanns Azam Azam nach acht Jahren Haft (im Austausch
mit sechs ägyptischen Studenten) wurde als eine Geste Mubaraks
an Scharon gewürdigt. Eine Rückkehr des ägyptischen
Botschafters nach Israel wäre ein weiterer Schritt.
Die Vereinbarungen in Sharm-II stabilisieren
die Position Mubaraks angesichts amerikanischer Forderungen nach
einer Demokratisierung Ägyptens. Gleichzeitig erheben sich
immer mehr Stimmen am Nil für "echte"
Präsidentschaftswahlen in diesem Jahr. Sie verlangen eine
Aufhebung der "Vorfilterung" der Präsidentschaftskandidaten
durch das Parlament, das von Mubaraks Partei dominiert wird. Mit
dem Slogan "Genug!" versuchen kleine Gruppen von Demonstranten eine
entsprechende Verfassungsänderung herbeizuführen. Dass
Scharon, im Gegensatz zu US-Präsident Bush, keinerlei
Interesse an einer Demokratisierung in der arabischen Welt hat,
kann Mubarak nur erfreuen.
Im Gegensatz zu Mubarak muss Scharon
permanent um seine parlamentarische Mehrheit bangen. Während
er mit Mubarak, Abbas und dem jordanischen König Abdullah
konferierte, fragte Scharon seinen Berater, wie Ben-Lulu abgestimmt
habe. Dani Ben-Lulu, Likudabgeordneter und Mitglied des
Finanzausschusses, stimmte an jenem Tag gegen das
Entschädigungsgesetz für die Siedler, um dadurch Scharons
Rückzugsplan zu torpedieren. Obwohl fünf der insgesamt
sieben Likudmitglieder in der Kommission gegen den eigenen
Parteichef votierten, gewann Scharon die Abstimmung mit zehn gegen
neun nur dank des paläs-tinensischen Abgeordneten Mohammad
Baraka.
Auch gegen den eigenen Außenminister
muss sich Scharon nun durchsetzen. Silvan Shalom plädiert
nämlich für eine Volksabstimmung, angeblich um einen
Bruderzwist zu verhindern. Dass er dadurch die Politik der eigenen
Regierung torpediert, stört den Rechtsaußenpolitiker
wenig, der dazu für seine Eitelkeit bekannt ist. Seine Berater
erklärten, die Tatsache, dass Shalom zum Sharm-Gipfel nicht
eingeladen wurde, habe nichts mit seiner Initiative zu tun gehabt.
Auch Parlamentspräsident Rubi Rivlin fordert jetzt eine
Volksabstimmung und ignoriert dabei die eindeutige Mehrheit im
Plenum für den Rückzugsplan. 13 Likudabgeordnete fordern,
die Israelis direkt zu befragen, ansonsten würden sie gegen
das Haushaltsgesetz abstimmen, hieß es. Insgesamt
unterstützen 31 der insgesamt 120 Abgeordneten eine
Volksabstimmung.
Dass angeblich 10.000 Soldaten ihre
Beteiligung an der Räumung von Siedlungen öffentlich
verweigerten, beunruhigt den General Scharon. Aber er machte
zugleich deutlich, dass er niemals vor Drohungen
zurückschrecke und er keinerlei Absicht hat, jetzt damit zu
beginnen. Nach seinem unerwarteten großen Sieg bei der
Parlamentsabstimmung um den Rückzug kann er zumindest mit der
passiven Unterstützung seines Finanzministers Benjamin
Netanyahu rechnen.
Bis Ende März müssen beide den
neuen Haushalt im Parlament durchbringen. Sonst müssen
Neuwahlen stattfinden. Zurzeit hat die Regierung keine Mehrheit
für den Haushalt, aber Scharons Lage ist gerade durch das
Gipfeltreffen besser geworden. Rabbiner Ovadia Josef, Mentor der
orthodoxen Shas-Partei, ist gegen ein Referendum. "Was versteht
schon das Volk von Sicherheitsfragen? Man fragt es auch nicht, ob
man in den Krieg ziehen soll". Ob die Shas-Partei für den
Haushalt abstimmen wird, ist dennoch fraglich. Denn als Lobby der
ärmeren, orientalischen Israelis bekämpft sie die
Sozialkürzungen des Finanzministers Netanjahu. Scharon wird
wohl mit den Stimmen der linken Yachad-Partei von Yossi Beilin
rechnen können, die den Sturz der Regierung verhindern wird,
um den Friedensprozess nicht zu gefährden.
"Wenn Sharon uns in der Frage des
Staatshaushaltes entgegenkommt und die Bestrafung der sozial
Schwachen aufgibt, dann werden wir nicht dagegen stimmen",
versprach Beilin. "Die Tatsache, dass wir ihn nicht stürzen,
verursacht mir Herzschmerzen", gab er zu. "Aber Scharon hat
beschlossen, Siedlungen zu räumen, und uns ist es wichtig,
dass er diese Siedlungen tatsächlich räumt".
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