Thomas Emons
Ein Credo für den Aufbau des neuen
Staates
Christlicher Widerstand gegen Hitler
schweißte die Demokraten zusammen
Der Widerstand gegen Hitler wurde nicht nur von
Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschaftern, Kirchenmännern
und Offizieren, sondern auch von Politikern der bürgerlichen
Parteien getragen. Die leidvollen Erfahrungen, die sie zwischen
1933 und 1945 durch Widerstand und Verfolgung machen mussten,
prägten ihr politisches Bewusstsein, mit dem sie nach
Kriegsende an den Aufbau der zweiten deutschen Demokratie
gingen.
Diese Verbindungs- und Entwicklungslinien zwischen dem
bürgerlichen Widerstand gegen Hitler und den politischen
Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland zeichnen die Autoren auf
lesenswerte Art und Weise nach. Die Einleitung gibt einen
Überblick der unterschiedlichen christlich-demokratischen
Widerstandskreise. Es wird deutlich, dass bei aller
Heterogenität der politischen Ausrichtungen von
national-konservativ über liberal bis christlich-sozial die
Erfahrungen der NS-Diktatur zu gemeinsamen Einsichten führten,
die für die 1949 gegründete Bundesrepublik konstituierend
werden sollten.
Nach der menschenverachtenden und völlig entsittlichten
Politik der Nazis wollten die christlichen Demokraten gegen Hitler
das christliche Menschenbild und sein Bekenntnis zur
unveräußerlichen Würde des Individuums zum Fundament
aller Politik machen. Das schlug sich in der Präambel und dem
Artikel 1 des Grundgesetztes nieder, in denen die Verantwortung vor
Gott und den Menschen sowie die unantastbare Menschenwürde
beschworen werden.
Eindringlich beschreiben die Autoren des biografischen
Handbuches auch die im Widerstand gegen Hitler gewachsene Einsicht
der christlichen Demokraten, dass sie ihre politischen Kräfte,
anders als noch vor 1933, künftig in einer konfessionell und
sozial integrierenden Union bündeln müssten. Darüber
hinaus wird deutlich, wie unter dem Eindruck der NS-Herrschaft die
konsequente Ablehnung aller totalitären und kollektivistischen
Ideologien zum Bestandteil des christdemokratischen
Selbstverständnisses wurde.
Dieses Selbstverständnis fand nach 1945 im Kalten Krieg
seinen Ausdruck in einem ebenso fundierten Antikommunismus. Auch
die Wurzeln christdemokratischer Rechtsstaats-, Gesellschafts- und
Europapolitik erklären die Herausgeber in ihrer Einleitung mit
den Konsequenzen, die sich für die christlichen Demokraten aus
den Erfahrungen mit der totalitären und willkürlichen
Machtpolitik Hitlers ergaben.
Obwohl die vor allem als Politik- und Geschichtswissenschaftler
ausgewiesenen Herausgeber und Autoren, die zum Teil Mitarbeiter des
Archives für Christlich-Demokratische Politik der
Konrad-Adenauer-Stiftung sind, ihre Nähe zum
Forschungsgegenstand nicht verhehlen, haben sie mit diesem
biografischen Handbuch mehr als nur einen Gründungsmythos der
Unionsparteien vorgelegt.
Mutige Lebensbeispiele
Ihre 60 sehr kompakt und doch auch anschaulich und
aufschlussreich geschriebenen Porträts führen uns nicht
nur die vom Widerstand geprägten Lebenswege prominenter
Christdemokraten, wie den des ersten Bundeskanzlers Konrad
Adenauer, des ersten Bundesratspräsidenten Karl Arnold, des
Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen Jakob Kaiser oder
der Bundestagspräsidenten Hermann-Josef Ehlers und Eugen
Gerstenmaier vor Augen, sondern erinnern auch an heute fast
vergessene, aber nicht weniger verdienstvolle Christliche
Demokraten wie etwa den Landwirtschaftsfachmann und ersten
Vorsitzenden der CDU in der Sowjetischen Besatzungszone, Andreas
Hermes oder die christliche Gewerkschafterin Elfriede Nebgen. Wir
lernen in allen biografischen Essays politisch aktive
Persönlichkeiten kennen, die keine Heiligen, sondern starke
Menschen mit Ecken und Kanten waren. Wir lernen Menschen in
existenziellen Ausnahmesituationen kennen, die uns mit ihr mutigen
Lebensbeispiel auch heute noch und über Parteigrenzen hinweg
viel zu sagen haben. Und nicht zuletzt beantwortet ihre Geschichte
auch die Frage vieler Nachgeborenen, warum nicht noch viel mehr
Deutsche zwischen 1933 und 1945 den Mut hatten, gegen Hitler
aufzustehen.
Günter Buchstab/Brigitte Kaff/Hans-Otto Kleinmann
(Hrsg.)
Christliche Demokraten gegen Hitler.
Aus Verfolgung und Widerstand zur Union.
Verlag Herder, Freiburg/Br. 2004; 536 S., 19,- Euro
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