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Tobias von Heymann
"Ohne Anreiz macht das doch keiner"
Umfrage unter Jugendlichen zu Wehrpflicht und
sozialen Diensten
Wehrpflicht, Zivildienst - oder Freiwilliges Soziales Jahr:
Für viele Jugendliche und junge Erwachsene ist das Thema
angesichts von Arbeitslosigkeit, der Suche nach dem richtigen
Ausbildungs- oder Studienplatz von hoher Aktualität. Doch
fragen sie sich oft auch sehr kritisch: Was bringt mir das
eigentlich? Oder: Wie viel sollte der oder die Einzelne zum eigenen
Gemeinwesen beitragen - beziehungsweise, wo kann künftig die
Grenze auf dem schmalen Grad zwischen hergebrachten
gesellschaftlichen Pflichten sowie freiwilligem Engagement
liegen?
Nur eins ist fast allen jungen Menschen gemeinsam: In ihrer
Mehrheit lehnen sie Konzepte ab, denen das Image von verordneten
"Zwangsdiensten" anhaftet. Ein aktuelles Stimmungsbild vom Berliner
Alexanderplatz gibt einige der subjektiven Meinungen und Ansichten
der Jugendlichen in diesem Land wieder.
"Ich finde, Wehrpflicht und Zivildienst sollten bleiben. Viele
Jugendliche finden keine Lehrstelle, sitzen zu Hause, wissen nicht,
was sie mit sich anfangen sollen", meint Chris Ericht, Schüler
aus Pankow. "Dann tun sie wenigstens etwas. Allerdings sollte das
alles noch lockerer gehandhabt werden als bisher. Beispielsweise,
wenn man bereits einen Ausbildungsplatz nachweisen kann oder schon
studiert." Für den Schüler ist aber auch klar, dass er
selbst "etwas zur Landesverteidigung beitragen" will. "Allerdings
lieber freiwillig", sagt er. Sein Vorschlag für die Zukunft
sieht daher so aus: "Die Bundeswehr sollte Praktika anbieten, bei
denen man einmal wenige Wochen lang die einzelnen Bereiche wie
Luftwaffe oder Marine kennen lernen kann." Dann könne man
weitersehen und sich besser entscheiden.
Sein Schulfreund Leoroy Nesch fragt eher nach dem praktischen
Nutzen der Dienstpflicht. "Na ja, neun Monate reichen schon
völlig aus. Aber wenn ich dort den Führerschein machen
kann oder auf einem Auslandseinsatz in der Welt herumkomme, das
wäre interessant", sagt der junge Mann, der gerne
Mechatroniker werden würde. Eine Ausbildung, die er sich
allerdings lieber auf eigene Faust beschaffen will, selbst wenn sie
auch von den Streitkräften angeboten würde.
Auch Mädchen machen sich Gedanken, was sie beispielsweise
von einem mehr oder weniger obligatorischen sozialen Jahr halten,
wenn auch sie das ableisten müssten. Die meisten halten das
zwar nicht für aktuell, beobachten aber die Diskussion
darüber genau. "Also ein halbes Jahr lang würde ich das
notfalls schon machen, das fände ich nicht so schlimm", sagt
Schülerin Jenny Ullrich aus dem Bezirk Mitte. "Da sammelt man
Lebenserfahrung, lernt etwas und sieht, wie es wirklich im Leben
zugeht." Sie selbst würde so einen Dienst im Krankenhaus oder
einer Arztpraxis verrichten wollen. "Ich möchte sowieso
Masseurin oder Zahnarzthelferin werden, da könnte ich dann das
alles vorher testen."
Tom Lau hat seinen Zivildienst bereits hinter sich - und ist
klar dafür, alle staatlichen Pflichtdienste abzuschaffen.
"Zwar finde ich gut, was ich dort gelernt habe, aber mich
stört, dass ich dazu gezwungen wurde, dass ich nur die Wahl
zwischen Bund oder Verweigern hatte. Das ist nicht korrekt." Erst
vor wenigen Jahren hat er als "Zivi" zunächst in einem
Krankenhaus in der Chirurgie gearbeitet. "Das war aber nichts
für mich. Aber ich wollte auch nicht in ein Altersheim gehen.
Daher wechselte ich nach zwei Monaten in einen Schülerhort,
habe dort Kinder betreut. Das war richtig klasse", sagt er. Er habe
danach sogar überlegt, einen pädagogischen Beruf zu
wählen oder Lehrer zu werden. "Doch ich blieb dann lieber beim
Biologie-Studium", sagt er. Er vermutet, dass die Wehrpflicht in
Deutschland wegen des starken sozialen Wandels über kurz oder
lang sowieso abgeschafft wird. "Die Frage ist nur, wie motiviert
man Jugendliche dazu, solche Dienste künftig dann freiwillig
zu leisten? Da müsste man denen schon etwas Gutes bieten, um
Ihnen das richtig schmackhaft zu machen. Wichtig ist nur: Ohne
Zwang", sagt der 24-Jährige.
Das Für und Wider beschäftigt auch Franziska Lange
(20) aus Pankow. Die ausgebildete Arzthelferin macht gerade ihr
Abitur nach, weil sie beruflich weiterkommen möchte. "Also,
ich fände das nicht so gut, wenn der Wehrdienst für die
Jungs abgeschafft wird. Sie wissen, dass die neun Monate auf sie
zukommen, das gibt ihnen auch eine Perspektive und Orientierung.
Außerdem können sie dort auch studieren." Dass aber auch
Frauen heute die Möglichkeit haben, bei den Streitkräften
zu dienen und Leistungen wie die Männer bringen müssen,
hält sie für selbstverständlich.
Einen Pflichtdienst auch für Frauen könnte sie sich
zwar vorstellen, aber nur für etwa "ein halbes Jahr und als
zweite Anlaufstelle samt Unterbringung, wenn man keinen Job hat.
"Pflegekräfte werden ja gesucht. Und ich halte nichts davon,
wenn Jugendliche lieber nichts tun und rumhängen. Hier sollte
der Staat auf jeden Fall etwas tun, auch als Mittel gegen die
Arbeitslosigkeit", sagt sie. "Auch wenn man da vielleicht nicht
viel Geld bekommt, das macht sich besser im Lebenslauf, man hat
bessere Chancen." Dass das allerdings auch ganz auf freiwilliger
Basis funktionieren könnte, glaubt sie weniger. "Freiwillig
und ohne Anreiz macht das doch keiner. Das sieht man ja an den
jetzigen Zahlen. Kaum jemand nimmt ein Freiwilliges Soziales Jahr
in Anspruch."
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Berlin.
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