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Ulrike Schuler
Editorial
Bessere Pflege für Kranke, mehr Zuwendung für die
Älteren, mehr Hilfe für Behinderte und dazu noch jede
Menge Menschen aus der Arbeitslosigkeit geholt - zu schön, um
wahr zu sein? Nicht ganz. Wem beim Stichwort "Soziale Dienste" nur
Sparzwänge, drohende Versorgungslücken und zunehmende
Lieblosigkeit im Umgang mit Menschen einfallen, der denkt zu
fantasielos.
Aus diesem Grund will diese Ausgabe nicht nur die aktuelle
Situation der sozialen Dienste darstellen, ihre Qualität
kritisch hinterfragen und den Vergleich mit anderen Ländern
wagen, sondern auch progressive Visionen davon vorstellen, wie
Arbeit im sozialen Bereich in der Zukunft gestaltet werden
könnte. In den derzeitigen Debatten um grundlegende Reformen
ist die Frage nach der Zukunft der sozialen Dienste nicht bloß
ein Randaspekt, sondern sie offenbart gravierende gesellschaftliche
Mängel genauso, wie sie erhebliche Chancen zur Lösung
sozialer Probleme bietet. Die Beschäftigung mit dieser
Herausforderung ist nicht nur vor dem Hintergrund einer
möglichen Abschaffung der Wehrpflicht und damit des
Zivildienstes dringlich. Die demografische Entwicklung führt
dazu, dass immer weniger jüngere immer mehr ältere
Bürger über Beiträge an Kranken-, Renten-, und
Pflegekassen "finanziell tragen" müssen. Zudem verursachen
Stellenabbau und steigende Arbeitslosigkeit immer neue Löcher
in den Sozialkassen, während gleichzeitig der Bedarf an
Arbeitskräften im sozialen Bereich steigt.
Dazu kommen außenpolitische Veränderungen: Was
bedeutet etwa die Freizügigkeit durch die Erweiterung der
Europäischen Union für die sozialen Dienste? Ist eine
verstärkte Einwanderung gar dringend geboten, um die Zukunft
der sozialen Dienste zu retten? Wie sinnvoll ist der sporadische
Einsatz von Fachkräften aus den osteuropäischen
Ländern?
Ein Blick über die Grenzen kann neue Horizonte öffnen:
In Luxemburg hat man aus der Not eine Tugend gemacht. Das OPE
(Objectif Plein Emploi - zu Deutsch: Ziel Vollbeschäftigung)
ermittelt zielstrebig Bedarf an Arbeitskraft im sozialen Bereich,
schafft reguläre Beschäftigung und rechnet
regelmäßig vor, dass das billiger ist, als
Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Auch unter der sozialistischen
Jospin-Regierung in Frankreich gab es zumindest den Versuch, zwei
Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, indem arbeitslosen
Jugendlichen Stellen in sozialen Brennpunkten verschafft
wurden.
In Deutschland dreht sich die Diskussion gegenwärtig eher
um die so genannten Ein-Euro-Jobs und ein Mehr an freiwilligem
Engagement. Bundesfamilienministerin Renate Schmidt erläutert
ihre Forderung nach einer neuen "Kultur selbstverständlicher
Freiwilligkeit", und verschiedene Beispiele von
Bürgerengagement werden vorgestellt. Die Beschäftigung
mit ehrenamtlicher Tätigkeit führt zu der Frage, warum
manche Menschen eher bereit zu Engagement sind als andere, welche
psychologischen und gesellschaftlichen Bedingungen
Einfühlungsvermögen in andere und darüber hinaus
konkretes soziales Handeln fördern.
Muss sich gar das Verhältnis zwischen Bürger und Staat
grundlegend ändern, um mehr Freiwilligenarbeit zu initiieren?
Die Kommunitarismusdebatte wird noch einmal unter einem aktuellen
Blickwinkel beleuchtet.
Doch scheint das freiwillige Engagement dann ein zweischneidiges
Schwert zu sein, wenn der Verdacht entsteht, dass es Ersatz
für notwendige Arbeitsplätze ist oder wird. Aber wie
können reguläre Jobs im sozialen Bereich geschaffen
werden? In mehreren Artikeln wollen wir dieser Frage nachgehen und
dabei auch ganz visionär werden, wie beispielsweise im Fall
von Werner H., der seinen Traum von einer neuen Arbeitsgesellschaft
träumt. Das in dem Wissen, dass schließlich doch auch so
mancher Traum einmal Wirklichkeit geworden ist.
Die Autorin arbeitet als freie Journalistin in Berlin.
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