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Rolf Clement
Deutschland ist größter Truppensteller
für NATO-Einsätze
Transatlantisches Bündnis bei seiner
Brüsseler Tagung auf Reformkurs
Alle 26 NATO-Staaten beteiligen sich an den
Wiederaufbaumaßnahmen für den Irak. Mit dieser Nachricht
wartete NATO-Generalsekretär Jaap den Hoop Scheffer zum
Abschluss des Treffens der Staats- und Regierungschefs der Allianz
am 22. Februar in Brüssel auf. Einige NATO-Staaten beteiligen
sich an dem Ausbildungsprogramm für die irakischen
Streitkräfte im Irak. Die 159 Ausbilder, auf die die Allianz
ihren Bedarf in den vergangenen Monaten reduziert hatte, wurden
inzwischen bereitgestellt.
Es gibt drei Möglichkeiten, sich an den Aufgaben im Irak zu
beteiligen: Zum einen in der Ausbildungsmission im Irak, an der
sich Deutschland nicht beteiligen will. Die zweite Möglichkeit
ist die Übernahme von Aufgaben außerhalb des Iraks.
Deutschland bildet in den Vereinigten Arabischen Emiraten Soldaten
aus. Ein erster Lehrgang für Soldaten, die LKW fahren sollen,
ist bereits abgeschlossen. Deutschland hat dafür auch rund 100
Fahrzeuge bereitgestellt. Frankreich will ebenfalls Polizisten
außerhalb des Irak ausbilden. Bei den vorherigen Treffen in
Nizza und bei der Sicherheitskonferenz in München hatten die
USA und NATO-Offizielle noch gesagt, es könne nur gelten, was
im Irak selbst geschehe. Die dritte Möglichkeit ist die
Einzahlung in einen Treuhandfonds, den die NATO für den Irak
betreibt.
Die Staats- und Regierungschef erteilten zudem
NATO-Generalsekretär de Hoop Scheffer den Auftrag, bis zu den
nächsten Ministerräten einen Vorschlag für die
Reform der NATO zu erarbeiten. Damit griffen die Gipfelteilnehmer
die Diskussion auf, die auf zwei Ebenen in den vergangenen Wochen
geführt wurde: Zum einen soll die NATO wieder zu einem
Konsultationsforum für transatlantische Sicherheitskooperation
werden. Dass dies gegenwärtig nicht so ist, haben de Hoop
Scheffer in den vergangenen Monaten immer wieder und zuletzt auf
der Münchner Sicherheitskonferenz auch Bundeskanzler
Schröder betont. Gleichzeitig verbanden sie dies mit dem
Wunsch, dass die NATO eine derartige Rolle wieder übernehmen
sollte.
Eine Themenliste könnte jenes "Statement" sein, mit dem die
Beratungen der Staats- und Regierungschefs anstelle eines
eigentlich verbindlicheren Kommuniques zusammengefasst wurden. Dort
wurde eine kurze Sachstandsbeschreibung der Konflikte im Nahen
Osten, für Iran, Afghanistan, Irak und Kosovo beschrieben.
Wegweisungen, wie sich die NATO einen Fortgang der
Krisenbewältigung vorstellen könnte. Bundeskanzler
Gerhard Schröder bezeichnete die NATO in Brüssel als Teil
der deutschen Staatsräson. Allerdings wiederholte er seinen
Vorschlag nicht mehr, dass dieses Reformpapier von einer
Expertengruppe, die im wesentlichen aus Elder Statesmen bestehen
sollte, angefertigt werden soll. Nach den Beratungen im NATO-Rat
auf Regierungschefebene meinte er, die Reform könne auch von
einer Gruppe unter der Ägide des NATO-Generalsekretärs
erarbeitet werden. In der geschlossenen Sitzung hatte
US-Präsident Bush mit einer Handbewegung in Richtung auf den
deutschen Kanzler gesagt, man könne diese strategischen und
politischen Diskussionen schon jetzt führen.
Bush bezeichnete die NATO als die erfolgreichste
Militärallianz der Menschheitsgeschichte. Sie sei für die
Außen- und Sicherheitspolitik der USA unverzichtbar. Einige
Wermutstropfen in die Beratungen goss Frankreichs
Staatspräsident Chirac, der zwar feststellte, Frankreich
würde sich in die Missionen der NATO einbringen, aber
gleichzeitig den Schwerpunkt französischer Sicherheitspolitik
bei der Europäischen Union beschrieb.
Die zweite Ebene der Reform sind die Finanzstrukturen der NATO,
über die vor allem die Verteidigungsminister bei ihrem Treffen
in Nizza gesprochen haben. Gegenwärtig muss jedes Land, das
Truppen für NATO-Missionen bereitstellt, die Kosten für
diesen Einsatz selbst tragen. Deutschland ist mit rund 5.000
Soldaten im NATO-Einsatz der derzeit größte
Truppensteller. Hinzu kommt, dass kleinere Länder, vor allem
aus dem Kreis der neuen Mitglieder, bei der Übernahme von
Missionen die anderen Staaten bitten müssen, ihnen finanziell
unter die Arme zu greifen.
Gleichzeitig werden alle Länder nach einem Schlüssel,
in den vor allem das Bruttosozialprodukt eingeht, zur Finanzierung
der allgemeinen NATO-Aufgaben herangezogen. Deutschland ist hier
mit einem Anteil in der Größenordnung von 18 Prozent
beteiligt. Die großen NATO-Länder empfinden das als
ungerecht, weil sie als Truppensteller und Beitragszahler
überproportional zur Finanzierung der NATO-Aufgaben
herangezogen werden. Allerdings ist allen klar, dass diese Reform
sehr schwer zu bewerkstelligen sein wird. Denn kaum ein Land ist
bereit, seine Beiträge an die NATO zu erhöhen.
Während sich die Staats- und Regierungschefs in
Brüssel über den Irak verständigten, führten
die Verteidigungsminister eine Diskussion über Afghanistan
erfolgreich fort. Nach dem Treffen in Nizza konnte de Hoop Scheffer
mitteilen, dass die zweite Phase der Wiederaufbauteams jetzt in
Gang gesetzt werden kann. Es haben sich ausreichend Länder
gefunden, die Truppen für weitere Missionen bereitstellen.
Somit können zusätzliche Wiederaufbauteams eingerichtet
werden. Bis jetzt hat die NATO vor allem im Nordwesten Regionen zu
stabilisieren versucht. Jetzt sollen die Regionen im Nordosten
unterstützt werden. Italien, Spanien und auch kleinere
Länder wie Litauen haben sich in dieser Zielstellung
engagiert.
Die Staats- und Regierungschefs der Allianz trafen sich
außerdem in Brüssel mit dem ukrainischen Präsidenten
Viktor Juschtschenko, der sich für die Unterstützung der
NATO während der Wahlauseinandersetzung in seinem Land
bedankte. Generalsekretär de Hoop Scheffer sicherte dem
ukrainischen Präsidenten Unterstützung für sein
"ehrgeiziges Reformprogramm" zu. Juschtschenko meinte, Ziel seiner
Politik sei die Integration in die transatlantischen und
europäischen Strukturen. Aber noch sei es nicht so weit, dass
die Ukraine einen Aufnahmeantrag stellen wolle.
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