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Dirk Klose
Große Illusionen in
Groß-Rumänien
Kurz notiert
Die großen politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts
sind uns durch viele Darstellungen aus den Zentren des Geschehens
halbwegs vertraut. Der Blick von den Randlagen kommt dagegen viel
seltener vor, obwohl man gerade dort früher politische
Erschütterungen und Veränderungen wahrnahm und heftig
darauf reagierte. In diesen Tagen ist (endlich!) auf deutsch das
Tagebuch des im Rumänien der Zwischenkriegszeit lebenden
Schriftstellers Mihail Sebastian erschienen; es ist fesselnd
geschrieben und eine zeithistorische Quelle ersten Ranges.
Rumänien stand 1918 auf der Seite der Sieger; es erweiterte
und arrondierte sein Staatsgebiet fast um das Doppelte; vor allem
eine große ungarische Minderheit musste jetzt im vormaligen
Feindesland ihren neuen Staat sehen. Die gewaltigen
äußeren veränderungen riefen auch im Innern
große Spannungen hervor. Der vorwiegend agrarisch
geprägte Staat mit einem nur kleinen hochgebildeten
frankophilen Bürgertum geriet rasch in die Konflikte der
Nachkriegsjahre: Demokratie, Kommunismus, elitärer
Nationalimus, all das rang miteinander. In Rumänien steigerte
sich ein zunächst patriotischer Nationalismus rasch zu
aggressivem und antisemitischem Herrenrassedenken, das in der
autoritären Fastdiktatur Antonescus gipfelte.
Sebastian, schon in jungen Jahren ein erfolgreicher Romancier,
hat diese Entwicklung minutiös verfolgt. Große
Intellektuelle wie Ionesco oder Eliade sind teils Mitläufer,
teils Gegner dieser Entwicklung, die durch Sebastians genaue
Schilderung und Personencharakterisierung ein Panorama Europas in
der Zwischenkriegszeit und im Zweiten Weltkrieg wird. Zeittafel und
sorgfältige Anmerkungen erleichtern den Einstieg in dieses
ganz außergewöhnliche Buch.
Mihail Sebastian
"Voller Entsetzen, aber nicht verzweifelt."
Tagebücher 1935 - 44.
Claassen Verlag, Berlin 2005; 864 S., 26,- Euro
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