Kurt Laser
Wahnideen des Rassismus
Eine bemerkenswerte Darstellung
Christian Delacampagne behandelt in seinem interessanten und
informativen Buch ein ungemein wichtiges Thema. Er ist ein
ausgewiesener Wissenschaftler und hat sich schon lange mit dieser
Thematik beschäftigt, wovon auch sein im vergangenen Jahr auf
deutsch erschienenes Buch zur Geschichte der Sklaverei zeugt.
Daher erstaunt es, wenn der insgesamt so treffend
argumentierende Autor in der Einleitung den Rassismus sehr weit
fasst und ihn einfach mit dem Hass auf andere gleichsetzt. Für
ihn sind Rassisten auch solche, die Frauen, Arbeitgeber, Politiker
und "Bullen" hassen, die Arbeitslose und Kommunisten verachten,
oder Menschen, die ihren ganzen Hass über Lesben und Schwulen
ausgießen. Selbst Querelen zwischen Franzosen und Italienern
werden in diese Kategorie eingeordnet.
Delacampagne führt als Begründung an, dass es
biologisch keine unterschiedlichen menschlichen Rassen gebe und
dass der darauf gründende Glaube völlig absurd sei. Damit
hat er zweifellos Recht, doch Rassisten aller Couleur halten sich
natürlich nicht daran, wie man nachlesen kann: So die
Einteilung von François Berner aus dem Jahre 1684 in
Europäer und Afrikaner, die er mit Vorsteherhunden für
die Entenjagd, Asiaten, die er mit Schweinen vergleicht, und
Lappen, die er als hässliche Tiere bezeichnet.
Der bedeutende schwedische Naturforscher Carl von Linné
unterschied vier menschliche Rassen: die Europäer, Amerikaner,
Asiaten und Afrikaner - mit angeblich abnehmenden geistigen und
moralischen Fähigkeiten. Immanuel Kant siedelte die Schwarzen
am untersten Rand der menschlichen Rangskala an. Juden
schmähte er als Wucherer und Betrüger. Johann Friedrich
Blumenbach, Vater der modernen Anthropologie, unterschied aufgrund
der Schädelformen die kaukasische, mongolische,
äthiopische, amerikanische und malaiische Rasse, von denen die
kaukasische aus ästhetischer Sicht den anderen absolut
überlegen sei. Bei ihm und anderen im Buch Genannten handelte
es sich um Persönlichkeiten, die auf anderen Gebieten durchaus
bahnbrechende Leistungen vollbrachten.
Das Buch umspannt einen Zeitraum von über 2.000 Jahren.
Griechen und Römer sahen in der Hautfarbe keine Schande. Das
änderte sich erst gegen Ende der Antike im Zuge der
Verbreitung des Christentums. Delacampagne spricht vom
antireligiösen Antijudaismus der mittelalterlichen
Theologen.
In den Jahren 1843/44 veröffentlichte Gobineau die vier
Bände seiner Abhandlung "Versuch über die Ungleichheit
der Menschenrassen". Seine Thesen entsprachen nicht Punkt für
Punkt der späteren nationalsozialistischen Doktrin. Dennoch
war er der erste, der die absolute Überlegenheit der arischen
Rasse verkündete. Das Werk genoss allerdings die
Wertschätzung Richard Wagners, der 1850 sein Pamphlet "Das
Judentum in der Musik" veröffentlichte.
Der wichtigste deutsche Rassenideologe war abgesehen von Wagner
der in England geborene Houston Stewart Chamberlain mit seinem
Hauptwerk "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts". Hans Grimm
lieferte mit dem Kolonialroman "Volk ohne Raum" den
Nationalsozialisten ein zündendes Schlagwort. Hitler war fest
davon überzeugt, dass die russische Revolution von 1917 das
Ergebnis eines jüdischen Komplotts zur Zerstörung der
traditionellen Werte und zur Erlangung der Weltherrschaft war. Da
die Juden im allgemeinen und die russischen Juden im besonderen
für das Aufkommen des Bolschewismus verantwortlich gemacht
wurden, war der Überfall auf die Sowjet-union von vornherein
ein Vernichtungskrieg.
Dieser Völkermord und die so genannte Endlösung der
Judenfrage konnten nicht allein wegen der Wahnvorstellungen eines
Hitlers stattfinden, sondern auch deshalb, weil diese teilweise mit
denen des deutschen Volkes übereinstimmten. Er wurde durch die
hochentwickelte deutsche Bürokratie, den Militärapparat
und das Industriepotential möglich. Abschließend wendet
sich Delacampagne dem Rassismus nach 1945 zu, insbesondere in
Frankreich und den USA. Von Peter Widmann stammt das Kapitel, das
die Lage in Deutschland nach 1945 behandelt. Ein Anhang mit
ausgewählten Texten beschließt das lesenswerte Buch.
Christian Delacampagne
Geschichte des Rassismus.
Geschichte und Mythos.
Aus dem Französischen von Ursula
Vones-Liebenstein.
Verlage Patmos und Artemis & Winkler,
Düsseldorf/Zürich 2005; 306 S., 24,90 Euro
Der Autor ist Historiker; er arbeitet als freier Journalist in
Berlin.
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