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Reinhard Lassek
Wohlgefühl nur bei "guter Arbeit"
Leistung und ethisches Handeln
Nicht jeder, der berufliche Spitzenleistungen
vollbringt und dabei viel Geld verdient oder gar Ruhm erntet, weist
zugleich auch "gute Arbeit" nach. Dies gelingt nach Meinung der
Autoren nur Führungspersönlichkeiten, deren fachlich
herausragende Qualitäten zugleich auch der Gesellschaft als
Ganzes zugute kommen. Doch wie lässt sich berufliche
Höchstleistung zuverlässig mit ethischem Handeln
verbinden?
Um diese Schlüsselfrage des
Überlebens unserer Zivilisation zu beantworten, erforschen
seit gut einem Jahrzehnt drei Psychologen renommierter
amerikanischer Universitäten - Howard Gardner (Harvard),
Mihaly Csikszentmihalyi (Claremont) und William Damon (Stanford) -,
wie Spitzenkräfte in unterschiedlichsten Berufsfeldern "gute
Arbeit" leisten. Sie haben dabei zwei Berufsgruppen etwas genauer
unter die Lupe genommen: Genforscher und Journalisten. Die einen
sind "potentiell in der Lage, die Zusammensetzung unseres
Körpers zu kontrollieren", die anderen "den Inhalt unserer
Köpfe".
Das Verständnis, was "gute Arbeit" in
der Genforschung und im Journalismus ausmacht, gilt den Autoren als
"essentiell für das dauerhafte Überleben unserer
menschlichen Spezies". Zumal das Autorenteam "unheilvolle
Kräfte am Werk" sieht - gemeint sind vor allem der "Einzug
machtvoller, aber kaum noch verstandener Technologien" und "das
unbeherrschbare Eigenleben des Marktes". Dem kann allein mit "Good
Work" Paroli geboten werden.
Zumindest in den USA, so das Zwischenergebnis
dieser Langzeitstudie, fühlen sich Genforscher inmitten einer
euphorischen Aufbruchphase. Visionen von einer Zukunft ohne Leid
und Krankheit kursieren, wobei die Risiken einer Manipulation des
menschlichen Genoms oder die Gefahren eugenischer Exesse zumeist
vernachlässigt werden. Man glaubt nicht nur an eine
segensreiche, sondern auch an eine gewinnträchtige Zukunft der
Branche. Dass inzwischen die meisten Experimente am Menschen nicht
mehr in akademischen Forschungseinrichtungen, sondern in
gewinnorientierten Firmen stattfinden, wird kaum
problematisiert.
Dagegen betrachten amerikanische Medienleute
die Veränderungen ihres Metiers weitaus kritischer. "Die
heutigen Journalisten", so die Autoren, "sehen ihre Alpträume
bereits verwirklicht." Sie fühlen sich von Unternehmern, die
"nur auf die Ausweitung ihres Marktanteils bedacht sind" sowie von
einem Publikum, das "eher mit oberflächlichen Geschichten
unterhalten als durch fundierte Berichterstattung informiert"
werden will, in die Zange genommen. Angesichts der
ungezügelten Marktorientierung wird ein weiterer Abbau des
Qualitätsjournalismus zugunsten des Quotenjournalismus,
begleitet vom Niedergang berufsethischer Maßstäbe,
erwartet.
Ähnliche Entwicklungen machen die
Autoren auch in anderen Berufsfeldern aus. Die Hauptursache ist
dann aber - nicht überraschend - überall gleich: "Eine
über alle Maßen engstirnige, unbarmherzige
Mentalität der Raffgier, die die Gans zu erdrücken droht,
die goldene Eier legen soll."
Der umfangreichen Kritik an den bestehenden
Verhältnissen folgen Vorschläge zur Besserung: So fordern
die Autoren unabhängige Institutionen, die dafür sorgen
sollen, dass Spitzenleistung stärker mit Ethik verknüpft
wird. Auch sollen ausgemachte Vorbilder des "Good Work" dem
Nachwuchs vermitteln, dass etwa die Suche nach "Wahrheit" allemal
wichtiger ist als der Kampf um Marktanteile. Eine
Schlüsselstellung sollen Erziehung und Bildung einnehmen, um
ein leistungs- und zugleich auch ethikorientiertes Umfeld zu
schaffen, das fachliche Kompetenz nachhaltig mit
Verantwortungsbewusstsein zu verknüpfen vermag.
Lebensnah
Die lebensnahen Schilderungen der
Arbeitsbedingungen und Gemütszustände von
Leistungsträgern machen dieses Buch zu einem eindringlichen
Zeitzeugnis. Doch jene Formel der drei Psychologen - "Wer gute
Arbeit leistet, fühlt sich auch gut" - ist wohl eher eine
Wunschformel. Ganz offensichtlich fühlen sich oft zumeist die
falschen Leute "gut".
So preisen die Autoren ausgerechnet eine
Institution wie das NIH (National Institute of Health) als
Hoffnungsträger des "Good Work" an, obwohl sie wenige Kapitel
zuvor - als es um die Vergabe von Forschungsfördermitteln ging
- noch einen Insider mit den Worten zitiert haben, dass das NIH
"die korrupteste Organisation diesseits der mexikanischen Grenze"
sei. Oder es wird jungen Wissenschaftlern der Nobelpreisträger
James Watson als Vorbild empfohlen, obwohl dessen
haarsträubende eugenischen Vorstellungen immer wieder für
weltweite Empörung sorgten.
Leider nehmen die Autoren oftmals
überlange Anläufe und neigen zu ermüdenden
Wiederholungen, um ihre in der Tat bemerkenswerten
Forschungsergebnisse zu präsentieren. Dennoch ist dieses Buch
empfehlenswert. Denn es verdeutlicht zum einen, an welcher Art von
Leistungsträgern man in den USA - und nicht nur dort - leidet.
Und es erklärt zum anderen, warum ohne jene Good-Work-Therapie
die Menschheit von einer globalen Krise in die nächste taumeln
wird.
Howard Gardner, Mihaly
Csikszentmihalyi,
William Damon
Good Work! Für eine neue Ethik im
Beruf.
Klett-Cotta, Stuttgart, 2005; 436 S.,
22,50 Euro
Reinhard Lassek lebt in Celle, wo er als
freier Journalist vorwiegend zu naturwissenschaftlichen und
ethischen Fragen arbeitet.
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