Hartmut Hausmann
Neuer Anlauf für alte Strategie
Halbzeitbilanz der Lissabon-Strategie im
Europäischen Parlament
Die Lissabon-Strategie sollte die
Europäische Union bis zum Jahr 2010 zum dynamischsten
Wirtschaftsraum der Gemeinschaft machen. Doch das angekündigte
"Reformfeuerwerk" hat bis heute noch nicht gezündet. Auf ihrem
Frühjahrsgipfel vom 22. bis 23. März wollen die Staats-
und Regierungschefs in Brüssel daher beraten, wie das bisher
unzureichende Programm an neuer Dynamik gewinnen kann. Knapp zwei
Wochen vor dem Gipfel votierte das Europäische Parlament am 9.
März 2005 mit großer Mehrheit für die von der
EU-Kommission angestoßene Erneuerung der
Lissabon-Strategie.
In den kommenden fünf Jahren soll die
Lissabon-Strategie auch nach dem Willen des Parlaments für die
EU oberste Priorität genießen. Als vordringliches Ziel
werden darin Maßnahmen zur Schaffung von nachhaltigem Wachstum
und Beschäftigung genannt - als Grundlage für sozialen
und ökologischen Fortschritt.
Eröffnet wurde die Debatte vom
amtierenden EU-Ratspräsidenten, Luxemburgs Europaminister
Nicolas Schmit, der sich für einen neuen Anlauf bei der
Lissabon-Strategie aussprach. Europa habe zu Pessimismus gar keinen
Anlass, zumal sich die Erfolge der EU-Osterweiterung mit einem
Wachstum von rund fünf Prozent in den neuen Mitgliedstaaten
einstellten. In den alten EU-Staaten liege der Satz allerdings nur
bei zwei Prozent.
EU-Industriekommissar Günter Verheugen
schlug ein neues Verfahren zur effizienteren Bewertung der
Umsetzung der Lissabon-Strategie vor: Jeweils bis zum Herbst eines
jeden Jahres sollten die Mitgliedstaaten ihre Erfolge bei der
Umsetzung der gemeinsamen Beschlüsse in einem Bericht nach
Brüssel melden. Auf dem jeweiligen Frühjahrsgipfel
sollten dann Korrekturen oder neue Strategien beschlossen werden.
Eindringlich forderte Verheugen bessere Rahmenbedingungen für
Europas Industrie. Eine damit verbundene Demontage der
Europäischen Sozialstandards, wie von manchen befürchtet,
von anderen erhofft, werde die Kommission nicht
mitmachen.
Wettbewerbsfähigkeit
verbessern
Für die EVP setzte sich ihr
Fraktionsvorsitzender Hans-Gert Pöttering besonders für
Maßnahmen zur Verbesserung der europäischen
Wettbewerbsfähigkeit ein. Vor der Erweiterung habe die
Arbeitsproduktivität pro Beschäftigten in der Union bei
100 gelegen, während sie nach dem Beitritt der zehn
Länder auf 93 abrutschte und für die USA derzeit bei 121
liege. Dies könne nicht hingenommen werden, so
Pöttering.
Martin Schulz, Fraktionschef der
Europäischen Sozialdemokraten, erklärte, dass die
Lissabon-Strategie scheitern werde, wenn den Menschen das
Gefühl vermittelt werde, das Projekt sei mit einem Umbau des
europäischen Sozialmodells "möglichst nach unten"
verbunden.
Soziale Rahmenbedingungen bewahren
Wenn aber die Lissabon-Strategie ein Projekt
sei, das den Wohlstand in Europa durch eine Steigerung der
Wettbewerbsfähigkeit Europas bei gleichzeitiger Wahrung der
sozialen Rahmenbedingungen mehre, dann würden die Menschen die
Strategie unterstützen.
Graham Watson von den Liberalen
begrüßte die Vorschläge der Kommission mit den
Worten, die für Wachstum und Beschäftigung nötigen
Kräfte steckten im Unternehmertum.
Die Grünen, so ihr Abgeordneter, Claude
Turmes, würden der Kommission und dem Parlament hingegen
"keinen Blankoscheck" ausstellen. "Denn wenn der Lissabon-Nebel
sich verzogen hat, werden soziale Realitäten sichtbar sein,
die die Säulen der Strategie nicht stützen", so Turmes
vor den europäischen Abgeordneten. Statt an Subventionen
festzuhalten, riet er der EU, besser in zukunftsweisende
Technologien zu investieren.
Zurück zur Übersicht
|