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Erik Spemann
Etat ohne Schulden - Kraftakt mit
äußersten Sparanstrenungen
Haushaltspolitik in Bayern
Das ehrgeizige Ziel der bayerischen Staatsregierung, 2006 als
erstes Bundesland mit einem Etat ohne neue Schulden zu
glänzen, ist Wirklichkeit geworden, wenigstens schon einmal
auf dem Papier: Auf dem von der CSU-Mehrheit im Landtag jetzt
verabschiedeten Doppelhaushalt für dieses und nächstes
Jahr. Der vom Ächzen zahlreicher betroffener sozialer und
kultureller Einrichtungen begleitete finanzielle Kraftakt wird
erkauft mit äußersten Sparanstrengungen auf allen
Feldern, was von der Opposition als gefährlich und
schädlich für das Land verurteilt wird. Finanzminister
Kurt Faltlhauser bescheinigte dem knochenharten Kurs dagegen
"überragende Bedeutung": Bayern erreiche das Ziel des
ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2006 aus eigener Kraft und sende
damit ganz bewusst ein "finanzpolitisches Signal gegen die
Verschuldungspolitik des Bundes und gegen die Tendenz eines
europäischen Verfalls der Stabilitätskultur".
Der Doppelhaushalt sieht ein bereinigtes Ausgabenvolumen von
34,2 beziehungsweise 34,6 Milliarden Euro vor. Mit einer
Zinsbelastung von nur 3,2 (Ländergesamtheit-West: 8,8) und
einer Investitionsquote von 12,6 Prozent (Länder-West 10,5)
kann sich Bayern Spitzenreiter nennen.
Faltlhauser machte die Bundesregierung für ein weiteres
Sinken der Steuereinnahmen verantwortlich, das Bayern allein im
Januar und Februar im Vergleich zum Vorjahr mit einem Minus von 247
Millionen Euro - 5,9 Prozent - getroffen habe. Die Lage sei
"dramatisch ernst". Rot-Grün habe es nicht geschafft, auf der
wirtschaftlichen Talfahrt auf die Bremse zu treten. Der Minister
verwies auf Länder wie Nordrhein-Westfalen, die auf den
weiteren Einbruch der Steuereinnahmen reflexartig mit einer
Erhöhung der Neuverschuldung reagierten, und stellte das
eigene Deckungskonzept heraus: Eine "ausgewogene Kombination
zwischen Konsolidierung und finanzwirtschaftlichen Maßnahmen".
Insgesamt würden durch globale Einsparungen in diesem Jahr 260
Millionen Euro aufgefangen.
Faltlhauser nannte das Niveau von Verschuldung und Zinsbelastung
der öffentlichen Hand in Deutschland besorgniserregend: Jedes
Kind, das heute geboren werde, komme durchschnittlich mit 17.000
Euro Schulden auf die Welt. Dagegen profitierten die Bürger
Bayerns von der "traditionell seriösen" Haushaltspolitik der
Staatsregierung und hätten mit lediglich 1.709 Euro die mit
Abstand geringste Pro-Kopf-Verschuldung. Der Vorsprung bei
Zinsbelastung und Investitionsquote zahle sich auch mit der
höchsten Wirtschaftswachstumsrate in der Bundesrepublik aus:
Gemeinsam mit Sachsen sei Bayern 2004 mit 2,3 Prozent an der Spitze
gelegen. Dagegen habe Nordrhein-Westfalen bei sieben Milliarden
Euro neuer Schulden mit nur 1,3 Prozent die geringste Wachstumsrate
der westlichen Flächenländer gehabt. Er hob bei seinem
haushaltspolitischen Konsolidierungsprogramm eine "deutliche
Schwerpunktsetzung" von Bildung und Kinderbetreuung hervor. Der
Wissenschaftsetat erhöhe sich bis 2006 im Vergleich zum
Nachtragshaushalt 2004 um 6,9 Prozent, im Schulbereich stiegen die
Ausgaben um 4,6 Prozent. Demgegenüber wachse der
Gesamthaushalt in den Jahren 2005 und 2006 im Jahresdurchschnitt
nur um 1,4 Prozent.
Während der Finanzminister den Beweis erbracht sah, dass
sparen, reformieren und investieren keine Gegensätze seien -
"Bayern schafft beides: Neuverschuldung Null und kraftvolles
politisches Handeln" - ließ die Opposition kaum ein gutes Haar
an diesem Kurs. Der SPD-Haushalts- und Finanzexperte Heinz Kaiser
hielt der CSU vor, dass das Gerede vom ausgeglichenen Haushalt 2006
ohne Neuverschuldung eine "Schimäre" und "reine
Politpropaganda" sei, weil der Finanzminister bisher nicht in
Anspruch genommenen Kreditermächtigungen aus den Vorjahren mit
miteingerechnet habe. Die Haushaltspolitik des Freistaats werde
"als Vehikel bundespolitischer Ambitionen des
Ministerpräsidenten missbraucht", Stoiber sehe sich als
"finanzpolitischer Musterknabe der Republik im Bundestagswahlkampf
2006", der Etat sei ein "verheerender finanzpolitischer
Amoklauf".
Nicht zuletzt machte Kaiser der Staatsregierung zum Vorwurf,
über zu geringe Ausgaben das wirtschaftliche Wachstum im Lande
zu bremsen und mehr Beschäftigung zu verhindern. Die leicht
steigende Investitionsquote im Haushaltsentwurf sei konjunktur- und
wachstumspolitisch falsch. Deshalb habe die SPD auch ein
Investitionsprogramm "Infrastruktur Bayern" in Höhe von zwei
Milliarden Euro für 2005/2006 vorgeschlagen. Weiter
bemängelte Kaiser, dass die Infrastruktur vernachlässigt
werde und auch für die kostenträchtigen
Veränderungen im Schulsystem wie Einführung von R6 und G8
nicht einmal die dringendst notwendigen Mittel bereitgestellt
würden. Die Staatsregierung, so der SPD-Politiker,
"versündigt sich an der Zukunft unserer Kinder und unseres
Landes".
Auch der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Thomas
Mütze, kritisierte, dass dem großen Ziel eines
ausgeglichenen Haushalts ohne Nettoneuverschuldung alles
untergeordnet werde. Realität durch die Kürzungen seien
bereits die Schließung von sozialen Einrichtungen, das weitere
Verschieben von Sanierungen sowie die Brüskierung von
Sportvereinen und Übungsleitern, von Feuerwehrleuten,
Polizisten, von Lehrern und Lehrerinnen, deren Arbeit nur noch in
Sonntagsreden geachtet werde.
Mütze nannte Faltlhauser den "Norbert Blüm der
bayerischen Finanzpolitik", denn genauso wenig, wie dessen
Behauptung "die Renten sind sicher" gestimmt habe, werde 2006 ein
ausgeglichener Haushalt ohne neue Schulden erreicht. Dabei
führte der Abgeordnete neben den übertragbaren
Kreditermächtigungen auch eine Kreditaufnahme am Grundstock in
Höhe von fast 600 Millionen Euro auf, die bis 2012
zurückgezahlt werden müssten und damit schon die
kommenden drei Doppelhaushalte belasteten. Es gebe also keinen
finanzpolitischen Grund so zu tun, als ob man 2006 einen
ausgeglichenen Haushalt präsentieren würde. Gleichwohl
billigte der Oppositionspolitiker der Staatsregierung zu, bei den
wirtschaftlichen und finanzpolitischen Zahlen in Deutschland vorn
zu liegen - freilich mit einem Zusatz: "Sie liegen inzwischen aber
auch vorn, was soziale Kälte und Gleichgültigkeit
angeht."
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