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Martin Peter
Koalitionskrise beigelegt
Brandenburg: Weniger Einwohner
Wo liegt in Brandenburg die Zukunft - im Gürtel um Berlin
oder in der gleichmäßigen Förderung aller 14
Landkreise und vier kreisfreien Städte? Ministerpräsident
Matthias Platzeck (SPD) hat mit einem Strategiepapier in seiner
gleichzeitigen Eigenschaft als SPD-Landesvorsitzender einen
handfesten Krach mit dem Koalitionspartner CDU ausgelöst, der
aber inzwischen beigelegt worden ist. Platzeck spricht sich
für eine Förderpolitik aus, die sich auf die Regionen um
Berlin konzentrieren, auch Speckgürtel genannt. Damit gibt er
das in den 90er-Jahren von seinem Vorgänger Manfred Stolpe
propagierte Konzept der dezentralen Förderung auf, die eine
gleichmäßige Entwicklung des 2,59 Millionen Einwohner
zählenden Flächenlandes garantieren soll und die noch
geltendes Gesetz ist.
Die CDU ist nicht generell dagegen, zumal eine
Überarbeitung der dezentralen Förderung im
SPD/CDU-Koalitionsvertrag von 2004 festgehalten worden ist. Bis
Mitte dieses Jahres muss Infrastrukturminister Frank Szymanski
(SPD) einen Landesentwicklungsplan zur Neuausweisung zentraler Orte
vorlegen. Nur fühlte sich die CDU von dem SPD-Papier des
Ministerpräsidenten zur Förderung der so genannten
Metropolenregion überfahren. CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek
und CDU-Generalsekretär Sven Petke: Platzeck redet einer
"Entsiedelung" der Randregionen das Wort und lässt damit zwei
Drittel der Brandenburger im Stich. Auch die Vorsitzende der
PDS-Fraktion im Potsdamer Landtag, Dagmar Enkelmann, ist
überzeugt, dass Platzeck die ländlichen Regionen
"abhängen" will.
Von Abhängen kann keine Rede sein, setzt sich der
Regierungschef zur Wehr, der das Thema bereits auf die Tagesordnung
des Kabinetts gesetzt hat und in den kommenden Wochen eine
ausführliche Diskussion unter allen Ministern wünscht.
Allerdings werde man sich in den dünn besiedelten
ländlichen Regionen wie der Uckermark im Nordosten oder der
Prignitz im Notwesten des Landes auf andere Lebensqualitäten
einstellen. Vor allem Versorgung, Infrastruktur und
Dienstleistungen müssten in den Städten dieser Regionen
konzentriert werden. Um die Mobilität zu garantieren, seien
etwa auch im öffentlichen Nahverkehr neue Möglichkeiten
auszuprobieren - etwa der nach Bedarf fahrende und von
Ehrenamtlichen gesteuerte Bürgerbus.
Auf die Ängste aus den Randregionen hat der Regierungschef
inzwischen reagiert. Keinesfalls werde man die von Berlin weit
entfernten Gebiete vernachlässigen. Für Landwirtschaft
und Tourismus würden weiterhin fast 250 Millionen Euro dem
ländlichen Raum zur Verfügung gestellt.
Hintergrund der Debatte ist folgender: Auf der einen Seite hat
sich die dezentrale industrielle Förderpolitik (Chipfabrik in
Frankfurt/Oder, Cargo-Luftschiffe in Brand oder Lausitzring) nicht
ausgezahlt. Viele Millionen Euro öffentlicher Gelder wurden
buchstäblich in den märkischen Sand gesetzt.Doch das
größte Problem ist die negative
Bevölkerungsentwicklung. Schätzungen zufolge wird das
Berliner Umland leicht an Bevölkerung zunehmen, Berlin ferne
Regionen in Brandenburg aber bis zum Jahr 2020 etwa 240.000
Einwohner verlieren. Das führt nicht nur zu einem großen
Wohnungsleerstand, sondern auch zu einem Abwandern von Arztpraxen,
Geschäften und anderen Dienstleistungsangeboten. Durch die
Abwanderung vor allem junger Menschen werden die Dörfer
außerdem völlig überaltern.
Prognosen gehen davon aus, dass die Bevölkerungszahl
Brandenburgs insgesamt von 2,59 auf 2,41 Millionen Menschen im Jahr
2020 sinken wird. Dabei wird sie im Speckgürtel um 6,6 Prozent
steigen, aber in den Randregionen um 14,9 Prozent sinken. Schon
jetzt stehen 165.000 der insgesamt 1,3 Millionen Wohnungen leer. So
wird der vom Bund geförderte Stadtumbau viel Geld kosten,
nämlich 430 Millionen Euro. Davon entfallen 170 Millionen Euro
auf den Abriss von 50.000 Wohnungen und 170 Millionen Euro für
Sanierung und Umbau in insgesamt 26 Städten. Für den der
Dörfer, der ebenfalls dringend notwendig wäre, reicht
freilich nicht das Geld.
Finanzminister Rainer Speer hat nun auch noch eine neue
Kreisreform - die letzte erfolgte vor zehn Jahren - ins Spiel
gebracht. Allerdings sieht der Koalitionsvertrag vor, dass es eine
solche bis zum Jahr 2009, also bis zum Ende der laufenden
Legislaturperiode nicht geben wird. Nach den Vorstellungen von
Speer, einem der engsten Vertrauten des Ministerpräsidenten,
könnten aus den bislang 14 Landkreisen nur noch sechs werden
und von den vier kreisfreien Städten Potsdam, Cottbus,
Brandenburg/Havel und Frankfurt/Oder würden nur die beiden
ersten übrig bleiben. Dadurch würden sehr große
Landkreise mit bis zu 400.000 Einwohnern entstehen. Landräte
und Bürgermeister befürchten dann ein Ende der gewohnten
kommunalen Verwaltung. Vor allem für die Menschen in den
Berlin fernen Regionen würden sehr weite Wege in die
zuständige Kreisstadt entstehen.
Alle diese Vorschläge machen deutlich, wie ernst die
Entwicklung in Brandenburg eingeschätzt wird. Dabei wird weder
von der SPD noch von der CDU oder der PDS bestritten, dass eine
Förderung der Regionen des Landes um Berlin mehr bringt als
das bisherige Gießkannenprinzip - wobei Ministerpräsident
Platzeck davon ausgeht, dass eine solche Förderung auf das
ganze Land ausstrahlt. Im Klartext bedeutet dies, dass der
Ministerpräsident die bislang 40 und mehr
Förderschwerpunkte stark zusammenstreichen will.
Allerdings sollen auch die Städte in den Randregionen nicht
zu kurz kommen - etwa Neuruppin, Schwedt oder Eberswalde. Aber er
ist eben davon überzeugt, dass der Speckgürtel der
"Kraftspender" für das Land ist und deshalb besonders
gefördert werden muss. Allerdings ist dadurch nicht
auszuschließen, dass noch mehr Menschen aus den Randregionen
in eben den Speckgürtel ziehen, der bislang vor allem vom
Zuzug aus Berlin profitiert hat.
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