K. Rüdiger Durth
Das Land soll durch eine Verwaltungsreform
schlanker werden
Ministerpräsident Althaus: Thüringen
ist überorganisiert
"Wir machen den Staat schlanker," sagt Ministerpräsident
Dieter Althaus (CDU) bei der Vorlage des Gesetzentwurfes zur
Verwaltungsreform in Erfurt. Doch PDS-Fraktionschef Bodo Ramelow im
Thüringer Landtag hat dafür nur das Wort "Streichorgie"
übrig. Sein sozialdemokratischer Kollege Christoph Matschie
nennt die Reform, die auch in der CDU-Fraktion nicht auf einhellige
Zustimmung stößt, "völlig enttäuschend": "Diese
Umstrukturierung hilft dem Land nicht weiter". Regierungschef
Althaus hingegen ist überzeugt, dass der Plan sehr wohl dazu
geeignet ist, "mehr Gestaltungsspielraum" zu gewinnen: "Den
brauchen wir, um uns auf die wichtigen Bereiche Familie, Bildung
und Wirtschaft stärker konzentrieren zu können."
Die Verwaltungsreform, in den Grundzügen vom
Finanzministerium erarbeitet, zählt zu den ehrgeizigsten
Projekten der mit einer Stimme Mehrheit regierenden
thüringischen Christdemokraten. Bis zum Jahr 2020 sollen
landesweit 81 Behörden geschlossen beziehungsweise
umstrukturiert werden. Insgesamt entfallen 1.053 Stellen. Das hat
laut Althaus einen Einspareffekt von 70,5 Millionen Euro bei den
Investitionskosten. Außerdem werden jährlich 37,4
Millionen Euro Personalkosten eingespart, wenn der Plan komplett
umgesetzt ist, dazu kommen noch 14,6 Millionen Euro Sach- und
Betriebskosten. Zahlen, die für den Ministerpräsidenten
es lohnen, die Verwaltungsreform auch gegen Widerstände im
Lande durchzusetzen.
Die Opposition im Landtag kritisiert nicht zuletzt die
völlige Umstrukturierung der Umweltverwaltung. So sollen die
bisherigen vier staatlichen Umweltämter aufgelöst werden.
Ihre Aufgaben werden zum Teil den Landratsämtern
beziehungsweise kreisfreien Städten übertragen, zum Teil
privatisiert (wie die Abwassereinleitungskontrolle). Dadurch sollen
160 Stellen eingespart werden. Das alles ist aus der Sicht der SPD
"fachlich unverantwortlich" und der der PDS
"verantwortungslos".
Vorrangiges Ziel der Verwaltungsreform ist es nach
Ministerpräsident Althaus, eine größere
Bürgernähe zu erreichen. Weil durch den Wegfall von
Landesbehörden die kommunale Verwaltung gestärkt werde,
werde auch eine größere Nähe zum Bürger
erreicht: "Wir sorgen dafür, dass die Bürgerinnen und
Bürger mit ihren Fragen und Anliegen umfassend vor Ort
Anlaufstellen und Ansprechpartner haben." Denn Kompetenz
bündeln und Bürgernähe stärken würden sich
nicht ausschließen.
Insgesamt sei Thüringen gegenwärtig
"überorganisiert". Strukturen, die nach der staatlichen
Einheit von den alten Bundesländern übernommen worden
seien, seien keineswegs sakrosankt. Durch die Aufgabe von
Sonderbehörden entstehe zudem mehr Flexibilität. Auch
wandelten sich die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, etwa
durch eGovernment. Dadurch stehe den Menschen geradezu eine
Revolution bevor. In wenigen Jahren würden dadurch die
Kontakte zwischen Bürgern und Verwaltung ganz anders aussehen
als heute. Mehr und mehr trete der Dienstleistungsgedanke in den
Vordergrund: "Dieser Prozess darf nicht durch starre Strukturen
behindert werden. Wir müssen in der Lage sein,
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so einzusetzen, wie es die
Situation und die Entwicklung erfordern."
Rückgang der Bevölkerung
Aus der Sicht des Finanzministeriums muss auch der
kontinuierliche Rückgang der Bevölkerung
berücksichtigt werden. Würden heute noch so viele
Menschen in Thüringen wohnen wie im Jahr 1996, so rechnet es
vor, dann würden sich 330 Millionen Euro mehr in der
Landeskasse befinden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, weniger
Bürger brauchen weniger öffentlich Bedienstete. Und so
hebt das Ministerium als wichtigste Ziele für die
Verwaltungsreform hervor: Verwaltung entschlacken, neue
Informationstechniken besser nutzen, mehr Bürgernähe und
Wirtschaftlichkeitsaspekte mehr betonen.
Zusammengerechnet ergibt sich bis zum Jahr 2020 ein
Einspareffekt von insgesamt 324 Millionen Euro. Allerdings will man
die Verwaltungsreform ohne Entlassungen von Menschen
bewerkstelligen. Stellenabbau ja, heißt die Maxime im
Finanzministerium, aber keine Existenzen in Gefahr bringen. Deshalb
werden Personal- und Schwerbehindertenvertretungen ebenso
einbezogen wie die Frauenbeauftragte. Beim Finanzministerium wird
eine Jobbörse eingerichtet, damit freiwerdendes Personal
innerhalb der Landesverwaltung eine neue Stelle finden kann.
Im Einzelnen sieht die geplante Verwaltungsreform - gegen die in
erster Linie betroffene Menschen vor Ort protestieren - vor: Die
Landesämter für Denkmalpflege und Archäologie werden
zu einem Landesamt mit Sitz in Weimar zusammengelegt. Aus den
beiden Studentenwerken Erfurt-Ilmenau und Jena-Weimar wird ein
Thüringer Studentenwerk, das für alle acht
Hochschulstandorte des Landes zuständig ist. Auch die Justiz
bleibt nicht verschont. Um die Justizverwaltung zu straffen und
effizienter zu machen, werden sieben der bislang 30 Amtsgerichte
aufgelöst und das Arbeitsgericht Jena wird in das
Justizzentrum Jena integriert. Ferner ist ein gemeinsames
Mahngericht für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
geplant.
Weniger Behörden
Die Auflösung von acht der bislang 20 Finanzämter bis
zum Jahr 2007 wird freilich für die Bürger nicht
bedeuten, dass sie künftig weniger Steuern bezahlen
müssen. Servicestellen für Finanzangelegenheiten bleiben
an den Orten, an denen es künftig kein eigenes Finanzamt mehr
geben wird. Insgesamt sollen 45 Stellen in der Finanzverwaltung
eingespart werden, an deren Spitze künftig eine
Landesfinanzdirektion (mit Sitz in Erfurt) stehen wird.
Das Landesamt für Soziales und Familie wird aufgelöst
und kommunalisiert. Auch die Aufgaben des Versorgungsamtes werden
an die Landratsämter und die Stadtverwaltungen
übertragen. Aufgelöst werden die vier Ämter für
Arbeitsschutz. Ab dem 1. Januar 2006 soll es in Suhl einen
Landesbetrieb für Arbeitsschutz und technischen
Verbraucherschutz geben. Aus den elf Landwirtschaftsämtern mit
349 Beschäftigten werden künftig sieben und aus den 46
Forstämtern mit 713 Stellen lediglich 28. In den
Forstämtern werden 107 Stellen eingespart. Das
Landesvermessungsamt und die acht Katasterämter mit neun
Stützpunkten werden zu einem Amt für Vermessung und
Geoinformation mit Sitz in Erfurt zusammengefasst. 174 Stellen
sollen so eingespart werden.
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