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Sandra Kaufmann
Die Lust am Widerständigen
Alexis Passadakis setzt sich mit Attac für
eine gerechtere Weltwirtschaft ein
Wenn ihre Freunde auf Partys gehen, sitzen sie noch in
irgendeinem Gremium oder im Ortsverein. Jede freie Minute widmen
sie ihrer Organisation, ihrer Partei, setzen sich für ihre
Überzeugungen ein. Der Weg ist lang. Ehrgeizige Talente gibt
es in allen Parteien und Nichtregierungsorganisationen - trotz
aller Nachwuchssorgen. Das Parlament stellt einige Jungpolitiker
und Aktivisten vor.
Attac hat er durch den G8-Gipfel in Genua 2001 entdeckt. In den
Medien verfolgte der junge Mann mit den dunklen, zum Pferdeschwanz
zusammengebundenen Locken, wie sich die Globalisierungskritiker
eine Schlacht mit der italienischen Polizei geliefert hatten. Ein
Demonstrant wurde dabei erschossen. "Das war die Zuspitzung der
globalen Konflikte. Unbewaffnete, die sich für Gerechtigkeit
einsetzen wollten, wurden von der bewaffneten Polizei
bekämpft", sagt der junge Aktivist. Alexis Passadakis passt zu
Attac. Er ist aufsässig, links und unbequem. Seit drei Jahren
ist der 28-Jährige Mitglied in der globalisierungskritischen
Organisation. Attac ist seine politische Heimat. Mitglied einer
Partei ist er nicht.
Ein politischer und vor allem kritischer Mensch war er aber
schon lange vorher, sagt er über sich selbst "Ich habe immer
die Dinge hinterfragt, die als allgemeingültig verkauft
wurden", sagt er und schaut dabei mit seinen dunklen braunen Augen
sehr ernst. Die Menschen, die Gesellschaft, das Zusammenleben - es
ist ihm wichtig. Geprägt wurde Passadakis bereits als Kind
durch die Friedensbewegung der 80er-Jahre. Aufgewachsen ist er in
Jülich, einer Kleinstadt in Nord-rhein-Westfalen. Nebenan
stand ein Atom-Versuchsreaktor, ein amerikanischer
Militärstützpunkt und ein NATO-Flugplatz, von dem aus
AWACS-Aufklärungsflugzeuge zu ihren Überwachungsrunden
über der Bundesrepublik starteten. Während des
Unterrichts, durch das Schulfenster beobachtete der Schüler
die Flugzeuge im Landeanflug. "Auch wenn ich zu jung war, um mich
aktiv damit auseinander zu setzen, so hat das Umfeld doch ganz
stark eine Grundstimmung erzeugt", erinnert sich Passadakis.
Verstärkt wurde diese Haltung auch durch seine Eltern. Die
französische Mutter und sein halbgriechischer Vater sind
Lehrer. Als Kind, erzählt er, saß er bei
Anti-Atomkraftdemonstrationen auf den Schultern seines Vaters, im
Frühjahr nahmen sie selbstverständlich an den
Ostermärschen teil. In der Schule ging er auf
Konfrontationskurs zu den Lehrern, schrieb in der linken
Schülerzeitung und hatte Probleme mit Hierarchien. Nach dem
Abitur leistete er Zivildienst als Grabungsarbeiter beim Amt
für Denkmalpflege und schloss sich der kleinen Organisation
"Gewaltfreie Aktion, Atomwaffen abschaffen" an. "Wir haben so
genannte Bürgerinspektionen von Atomwaffenstützpunkten
durchgeführt", erzählt Alexis Passadakis. "Im Klartext
heißt das: Zäune aufschneiden oder drüberklettern."
Zweimal wird er von der Polizei verhaftet. Einmal steht er vor
Gericht und wird zu einer Geldstrafe verurteilt. Natürlich
erzählt er davon wie von Robin-Hood-Heldentaten, eben
Jungendsünden, die er selbst belächelt, von denen er sich
distanziert. Mit seinem Leben jetzt haben diese Aktionen nicht viel
zu tun.
Nach dem Abitur begann Passadakis in Bonn Germanistik und
Geschichte zu studieren, entschied sich später für ein
Politikstudium. Als einer von wenigen durfte er an einem Planspiel
der Vereinten Nationen in New York teilnehmen. Hier vertrat er die
USA und saß ausgerechnet in dem Komitee, das versuchte, die
atomare Abrüstung zu verhindern. Doch Diplomatie fasziniert
den Jungrebell: "Manchmal denke ich, dass mein Leben auch in ganz
anderen Bahnen hätte verlaufen können."
Mit seiner "Lust am Widerständigen", wie er sich
selbstbespiegelnd beschreibt, sucht er auch an der Uni nach Gruppen
und Plattformen, um politisch aktiv zu werden. Kurzzeitig
sympathisierte er mit linken Organisationen, aber "die Militanz der
Linksradikalen hat mir nicht gefallen, auch wenn ich sie thematisch
oft gut fand". Deshalb schloss er sich schließlich der
Grünen Hochschulgruppe an. Eine wichtige Funktion
übernahm er jedoch nicht. Nach einem Auslandssemester in
England studierte er in Berlin weiter und landete schließlich
bei Attac. Seitdem wirkt er in der Gruppe Welthandel mit.
Die Arbeit der Globalisierungskritiker findet hauptsächlich
in Arbeitsgruppen statt, in denen die Mitglieder zu verschiedenen
Themen Aktionen planen oder Demonstrationen organisieren. Attac
agiert weltweit als Netzwerk, in dem sowohl Einzelpersonen als auch
Organisationen aktiv sein können. In Deutschland hat Attac
etwa 16.000 Mitglieder. Die Organisation kritisiert die
"neoliberale Globalisierung" und kämpft unter anderem für
eine demokratische Kontrolle der Finanzmärkte. Attac
kritisiert, dass die Globalisierung den "Wohlstand für alle"
nicht erreicht hat. "Die Arbeit bei Attac ist eine Form, Politik zu
machen, flexibel, ohne Hierarchien, auf der Grundlage des
Konsensprinzips", sagt Passdakis.
2003 gründete er das globalisierungskritische Filmfestival
"Globale" mit. Er hält Vorträge und organisiert Tagungen
zum Thema Welthandel und Privatisierung. "Attac geht es vor allem
darum, Menschen in Bewegung zusetzen." Die Kritik, Attac habe keine
realistischen Lösungen parat, weist er zurück. "Manchmal
reicht es auch, einfach Dinge zu verhindern oder auf sie aufmerksam
zu machen und manchmal gibt es nicht immer gleich eine Lösung.
Aber das darf doch Kritik nicht verbieten." Mit dieser
Überzeugung wird er auch in Zukunft politisch aktiv sein -
egal wie, "denn wenn Attac sterben sollte, wird es etwas anderes
geben". Da ist er sich sicher. Attac hat in seiner und der
nachfolgenden Generation eine Vorbildfunktion, da ein "Netz", ein
Zusammenschluss, das eben keine Partei ist, das erste Mal im
großen Stil Politik gemacht hat. Das zieht viele an, vor allem
viele junge Menschen.
Passadakis' Einstellungen finden sich auch in seinem
persönlichen Leben wieder. Aus Überzeugung hat der
Jungaktivist kein Handy. Das ist auch unter Attac-Leuten mehr als
ungewöhnlich. Passadakis: "Ich gönne mir den Luxus, nicht
erreichbar zu sein." Ruhe hat der selbst ernannte
Widerständler dennoch wenig. Zusammen mit 20 Freunden und
Aktivisten will er ein Haus kaufen. Sie wollen darin gemeinsam
wohnen, ähnlich wie die Elterngeneration es ihnen in den
80er-Jahren in Städten wie Berlin und Hamburg schon einmal
vorgemacht hat.
Zunächst will der Student jedoch seine Diplomarbeit
über die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe zu Ende
bringen. Im Sommer soll der Abschluss geschafft sein. Erst dann
will er sich überlegen, "wie ich es schaffe, mein politisches
Engagement mit der Erwerbstätigkeit zu verbinden". Sich in
einer Partei zu engagieren, wäre für Passadakis
undenkbar. Das alte Problem: "Die Strukturen sind mir zu
hierarchisch."
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