Dieter Smolka
Latenten Konflikten offensiv und beherzt
begegnen
Zivilcourale lernen - was Politische Bildung
dazu beitragen kann
Zivilcourage ist eine anspruchsvolle demokratische Tugend und
ein wichtiges Element der demokratischen politischen Kultur.
Politische Bildung kann dazu beitragen, dass Menschen motiviert und
qualifiziert werden, aktiv einzugreifen und dort Zivilcourage zu
zeigen, wo andere zögern. Das Buch von Gerd Meyer, Ulrich
Dovermann, Siegfried Frech und Günther Gugel zeigt konkrete
Trainings- und Handlungsmöglichkeiten für den produktiven
Umgang und die friedliche Lösung von Konflikten in Schule und
Beruf.
Zivilcourage oder sozialer Mut ist in vielen Lebensbereichen
nötig und als demokratisches Verhalten in allen
Lebensbereichen gefragt. Zivilcourage sollte als sozialer Mut
verstanden werden. Es geht um den "aufrechten Gang" und um die
Achtung der Menschenwürde, betonen die Autoren. Diese Tugend
muss in den Alltag der Menschen Eingang finden und nach
Möglichkeit als eine Selbstverständlichkeit für das
menschliche Zusammenleben empfunden werden.
Zivilcourage ist eine anspruchsvolle, eine unbequeme Tugend.
Sozial mutig handeln heißt, sichtbar und aktiv für humane
und demokratische Werte eintreten. Zivilcourage ist in unserer
Gesellschaft gefragt,
- weil die alltägliche Gewalt wächst, nicht nur
gegenüber Fremden, sondern generell gegenüber
Schwächeren oder Menschen, die "irgendwie anders sind" und
angeblich "nicht zu uns passen";
- weil es einen Mangel an Solidarität und sozialer
Verantwortung gibt, weil zuviel Gleichgültigkeit, Wegsehen und
Selbstbezogenheit existieren;
- weil Opfern in Notlagen zu selten geholfen wird;
- weil latente Konflikte in Betrieben und Verwaltungen nicht
angemessen gelöst werden;
- weil Fremdenfeindlichkeit und Rassismus noch immer weit
verbreitet sind und es einen organisierten, zum Teil gewaltbereiten
Rechtsextremismus gibt;
- weil ein Mangel an demokratischer politischer Kultur in
Deutschland zu beobachten ist.
Erkenntnisse und Modelle
Ziel des Buches ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse und
erprobte Modelle der politischen Bildung zum Thema Zivilcourage
praxisnah darzustellen. Der erste Teil des Bandes vermittelt
zunächst theoretische und konzeptuelle Grundlagen und
enthält wissenschaftliche Analysen zum Verständnis von
Zivilcourage in der modernen Gesellschaft. Dabei werden
begriffliche und demokratietheoretische Grundlagen geklärt,
dann die Ergebnisse empirischer Studien dargestellt.
Der zweite Teil vermittelt Erkenntnisse und Erfahrungen aus
Wissenschaft und Praxis, welche Bedingungen und Chancen der
Förderung von zivilcouragiertem Handeln es in verschiedenen
gesellschaftlichen Bereichen gibt: am Arbeitsplatz, in der
Gemeinde, an allen Schularten.
Siegfried Frech berichtet zum Beispiel über das Modell
"Team Zivilcourage" der Landeszentrale für politische Bildung
in Baden-Württemberg. Es handelt sich um ein Praxismodell zur
Förderung friedlicher Konfliktregelung an Schulen. Die
Ausbildung von Multiplikatoren trägt dazu bei, dass durch
Verfahren der Mediation Streit geschlichtet und couragiertes
demokratisches Verhalten gefördert wird.
Sanem Kleff und Eberhard Seidel stellen das Praxismodell "Schule
ohne Rassismus - Schule mit Courage" vor. Ziel ist es, Rassismus,
Gewalt und Rechtsextremismus in allen Schulformen zu mindern oder
gar nicht erst aufkommen zu lassen. Entscheidend für das
Gelingen sind Eigeninitiative und Selbstverpflichtung aller, die an
einer Schule lehren und lernen. Schüler und Lehrer sind also
gleichermaßen gefragt. Sie verpflichten sich zu
kontinuierlicher Aktivität, um Toleranz und friedlichen
Konfliktaustrag nachhaltig zu fördern. Aus meiner eigenen
Schule als Leiter eines Gymnasiums in Nordrhein-Westfalen kann ich
den Erfolg dieses Praxismodells bestätigen.
Zivilcourage einüben
Der dritte Teil stellt praxiserprobte Modelle der politischen
Bildungsarbeit vor und bietet vor allem konkrete Arbeitshilfen an,
wie man Zivilcourage in konkret einüben und fördern kann.
Dieser Teil stellt ausgewählte Seminarmodelle und Projekte vor
und reflektiert Möglichkeiten der Evaluation. Der Serviceteil
enthält eine Bibliographie auf Trainingshandbücher,
relevante Adressen und anderes. Diese Trainings- und Seminardesigns
sind mit detaillierten didaktisch-methodischen Erläuterungen,
mit konkreten Hinweisen zum Vorgehen, mit Materialien und
Kopiervorlagen versehen.
So kann zum Beispiel der "Mobbing Test" (auf Seite 336) sofort
in einer Schulklasse eingesetzt werden. Das empfehlenswerte
Arbeitsmaterial "Mobbing - Der Umkleideraum" veranschaulicht die
"Spielarten" des subtilen Mobbings und die Möglichkeiten, wie
man dagegen vorgehen kann.
Weitere konkrete Projektbeispiele zur Förderung sozialen
Verhaltens werden zum Beispiel in den "Konfliktgeschichten" (328
ff.) angeboten. Als Ergänzung ist die CD-ROM "Konflikte XXL -
Konfliktbearbeitung als Gewaltprävention" beigefügt.
Dadurch werden zusätzliche multimediale Auseinandersetzungen
mit dem Thema ermöglicht. Empfehlenswert sind die darin
enthaltenen Filmszenen, die in anschaulicher Weise
Handlungsmöglichkeiten in Konfliktsituationen
veranschaulichen.
Aufgabe der Schulen
Fazit: Politische Bildung kann dazu beitragen, dass Schüler
Zivilcourage lernen. Die Schule muss ein ermutigendes Klima
für kritisches und sozial verantwortliches Handeln schaffen
und politische Basiskompetenzen entwickeln, also grundlegende
Kenntnisse und Fähigkeiten, die in modernen Gesellschaften
für eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
notwendig sind. Zivilcourage sollte nicht eingeschränkt werden
auf Not- und Gefahrensituationen oder auf fremdenfeindliche oder
rassistische Gewalt. Vielmehr sollten Jugendliche lernen,
Verantwortung zu übernehmen, für humane Werte einzutreten
und Mut im Alltag zu zeigen.
Dieses herausragende Buch möchte ich Lehrern aller
Schulformen, Dozenten in Einrichtungen der Jugend- und
Erwachsenenbildung, Sozialarbeitern sowie Mitarbeitern in
friedenspädagogischen Projekten und Politikern in der
Kommunal-, Landes- und Bundespolitik sehr empfehlen.
Gerd Meyer, Ulrich Dovermann, Siegfried Frech und Günther
Gugel (Hrsg.)
Zivilcourage lernen.
Analysen, Modelle, Arbeitshilfen.
Bundeszentrale für politische Bildung und Landeszentrale
für politische Bildung Baden-Württemberg,
Bonn /Stuttgart 2004; 448 S. mit zusätzlicher CD-ROM
"Konflikte XXL".
Das Werk ist erhältlich bei der Bundeszentrale für
politische Bildung, Bonn (www.bpb.de)
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