Gunter Holzweißig
Spionagefahrten in Uniform
Alliierte Militärmissionen in
Deutschland
Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit in beiden deutschen
Staaten und außerhalb der Zuständigkeit der Regierungen
in Bonn und Ostberlin betrieben Offiziere der vier
Siegermächte auf deutschem Territorium bis zur
Wiedervereinigung Militärspionage. Sie waren Angehörige
der in Potsdam stationierten Militärmissionen der Amerikaner,
Briten und Franzosen sowie der in Baden-Baden, Frankfurt und im
westfälischem Bünde residierenden sowjetischen
Militärmissionen.
Die Errichtung der Missionen geht auf die Londoner
Vereinbarungen der Alliierten aus dem Jahre 1944 zurück. Sie
wurden in den Jahren 1946/47 auf der Grundlage bilateraler Abkommen
nach dem Abschluss von separat geführten Verhandlungen
zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion bei den
Oberbefehlshabern der vier Besatzungszonen eingerichtet. Bei ihnen
sollten die Missionen, denen Vertreter des Heeres, der Marine und
der Luftwaffe mit diplomatischem Status angehörten,
Verbindungsaufgaben wahrnehmen.
Rundum beschattet
Tatsächlich betrieben jedoch die "Spione in Uniform" bei
ihren Patrouillenfahrten - rund um die Uhr observiert von
gegnerischen Geheimdiensten - in ihrem jeweils zugewiesenen
Operationsgebiet keineswegs nur militärische Aufklärung.
Denn seit dem Beginn des Kalten Krieges war es mit der
Zusammenarbeit und der gemeinsam ausgeübten Kontrolle
über Nachkriegsdeutschland vorbei. Dennoch wollten alle vier
Mächte ungeachtet von schweren Zwischenfällen - einige
sogar mit tödlichem Ausgang bei Inspektionsfahrten auf
DDR-Gebiet - bis 1990 ihre Militärmissionen nicht aufgeben.
Und das nicht nur, weil sie den potentiellen Kriegsgegner auf
dessen Territorium im Auge behalten, sondern weil sie auch an den
letzten Resten des noch geltenden Besatzungsrechts in Deutschland
unbedingt festhalten wollten.
Klaus Behling, ein ehemaliger DDR-Diplomat, der heute
journalistisch für den Axel-Springer-Verlag tätig ist,
stützt sich in seinem im flüssigen Reportagestil
geschriebenem Buch hauptsächlich auf die vorhandene
Forschungsliteratur. Außerdem beruft er sich häufig auf
allerdings nicht namentlich genannte Informanten. Zu seinen
bevorzugten Quellen gehören einschlägige
Medienveröffentlichungen, - so bei der ausführlichen
Schilderung des Spionagefalles Reiner Fülle, dem Karlsruher
Atomspion, der nach seiner Flucht aus dem Gefängnis von
Angehörigen der sowjetischen Militärmission in
Baden-Baden in einer Kiste als "diplomatisches Gepäck" in die
DDR verfrachtet wurde.
SED verlangte Schlussstrich
Das vergebliche Bemühen der DDR-Führung, die Sowjets
von der Schließung der westlichen Militärmissionen in
Potsdam zu überzeugen, belegt der Verfasser aus Stasi- und
SED-Akten. Da sich Behlings Darstellung weitgehend auf bereits
bekannte Quellen stützt und nicht immer nachvollziehbar im
Zusammenhang zu seinem Thema steht, bietet die Lektüre dem
Fachmann keine neuen Erkenntnisse. Sie kann indes dem
deutschlandpolitisch interessierten Leser als nützlicher
Einstieg in die Nachkriegsgeschichte dienen.
Die Geschichte der Militärmissionen wird allerdings erst
dann geschrieben werden können, wenn auch die sowjetischen
Akten der Forschung zugänglich sind. Es müssten dann auch
die Akten der mit den sowjetischen Militärmissionen in der
Bundesrepublik befassten westlichen Geheimdienste zur
Verfügung stehen.
Klaus Behling
Spione in Uniform.
Die Alliierten Militärmissionen in Deutschland.
Hohenheim Verlag, Stuttgart / Leipzig 2004; 328 S.,19,90
Euro
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