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Detlev Lücke
Aufgekehrt
Nach 71 Jahren wird jetzt am Lübecker Holstentor ein
Hakenkreuz abmontiert. Eine interessante Nachricht im Reigen der
Kino- und Fernsehfilme, die uns das Dritte Reich in mannigfaltigen
Formen und Farben widerspiegeln. Man wusste ja gar nicht, wie viele
Farbfilme die Nazis schon drehten. Und irgendwie scheint das braune
Deutschland für die Medien interessanter zu sein als das rote.
Hitler mit Mütze kommt halt besser rüber als Honecker mit
Hütchen. Zumindest in einem Hamburger Nachrichtenmagazin.
Vielleicht ist die DDR noch nicht entfernt genug, um ihr Epopoen
des Untergangs zu widmen. Obwohl so ein Titel wie "Speer und Er" zu
Parallelisierungen geradezu einlädt, seien es
nazimäßig "Heß und Es" oder kommunistisch "Krenz und
Fans". Zumal man da gleich ins Grübeln kommt über das
Verhältnis von Mensch und Kollektiv. Riesman hat dazu in
seinem Buch "Die einsame Masse" das Nötige gesagt.
Wobei das "Es" im historischen Kontext noch eine Sonderrolle
spielt, denken wir nur an den schönen Satz "?Es' war doch
nicht alles schlecht", etwa a) die Autobahnen oder b) die
Menschengemeinschaft. Vielleicht hat "Er", denkend an Speer,
heimlich gesungen "?Es' muss was Wunderbares sein, von Dir geliebt
zu werden". Frauen hatten schließlich beim Führer wenig
Chancen. Und erinnern wir uns doch nur an das schöne Lied zum
Untergang: "?Es' geht alles vorüber, es geht alles vorbei,
erst geht der Führer und dann die Partei". Damit soll "es"
genug sein.
Natürlich stellt sich die Frage, wie die ganze Chose
Vergangenheitsbebilderung weiter gehen soll. Irgendwann ist der
letzte Zeitzeuge in den ewigen Jagdgründen verschwunden, und
der Leibdiener von Rudolf Heß, ein gewisser Rochus Misch, der
auch schon als Funker aus dem Führerhauptquartier im TV
auftrat, wird für immer Augen und Mund schließen.
Vielleicht vorher noch der Film "Bunker und Funker" gefällig?
Warum nicht? Der so genannte kleine Mann ist noch nicht
genügend ausgeleuchtet worden. Andererseits: Der
Hobbyhistoriker Götz Aly hat gerade in seinem Buch "Hitlers
Volksstaat" die Verbindungskurve zwischen Adolf und seinen
Untertanen beschrieben, denen es im Krieg sehr gut ging, weil die
Renten erhöht wurden und sie seit 1938 sozialversichert waren.
Und das, obwohl das gigantische Ringen viele Beitragszahler
dahinraffte. Was natürlich auch wieder Renten sparte, die
Beamten einmal ausgenommen. Wie wäre es mit einem Film
über diese gigantische Kriegsmaschinerie, aus der dann die
soziale Marktwirtschaft erwuchs? "Krupp und Plupp"? Oder "Die Ju
und Du"?
Selbst Neonazis entwickeln Phantasie. Im Sächsischen
Landtag gegen Ausländer auf die Pauke haun und dann heimlich
in Polen das NPD-Zentralorgan "Deutsche Stimme" drucken lassen. Da
verliert die Parole "Grenzen dicht für Lohndrücker" auch
ihre Überzeugungskraft, die sie zum Glück schon vorher
nicht hatte. Und wir singen im Polkatakt: "Neo, wir fahr'n nach
Lodz".
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