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Martin Agüera
Kampf um die Euros im "Steinbruch der
Bundesregierung"
Haushaltslöcher bedrohen den Umbau der
Streitkräfte
Mit Sorge dürften die Verantwortlichen der Bundeswehr auf
die künftige Lage der Streitkräfte blicken. Gerade im
Jubiläumsjahr - 50 Jahre Bundeswehr in der NATO - ziehen sich
dicke Wolken am Haushaltshorizont zusammen, die den
militärischen Transformationsprozess zu verdunkeln drohen. Es
ist einmal mehr das liebe Geld, das den Planern im Bendlerblock zu
schaffen machen dürfte. Denn für ihren
Transformationsprozess muss die Bundeswehr in den kommenden Jahren
anstatt Mehrausgaben wohl weiterhin mit weniger Geld auskommen, wie
aus Militärkreisen zu hören ist.
Alleine die jüngsten Schätzungen von Experten sagen
für die nächsten vier Jahre Steuerausfälle von knapp
67 Milliarden Euro für Finanzminister Hans Eichel voraus, die
nicht ohne Folgen für den Verteidigungsetat bleiben
dürften. Diese Neuigkeiten allein haben nicht
zwangsläufig Auswirkungen für die Bundeswehr. Doch wer
die politischen Machtkämpfe in den jährlichen
Haushaltsdebatten kennt, der weiß nur allzu gut, dass gerade
der Verteidigungsetat in den vergangenen Jahren herhalten musste,
um notdürftig Finanzlöcher im Bundeshaushalt zu stopfen.
Oft wurde der Wehretat als "Steinbruch der Bundesregierung"
bezeichnet. Hier gab es immer was zu holen, egal ob
Militärexperten damit vor dem bevorstehenden Bankrott der
Streitkräfte warnten.
Wie gerne von der Politik im Verteidigungsbereich zugelangt
wird, zeigt die so genannte "globale Minderausgabe" des Bundes.
Bereits in diesem und im vergangenen Jahr musste Minister Peter
Struck jährlich knapp 250 Millionen Euro aus seinem Etat
hierfür bereitstellen. Im Vermerk des Finanzministers vom
November 2004 wurde deutlich, dass die Bundeswehr bei solchen
Ausgaben im Gegensatz zu anderen Ressorts überproportional
geschröpft wird. Nur das Bundesministerium für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen musste mit 244 Millionen Euro eine
ähnlich hohe Abgabe beisteuern. Andere Ressorts kamen mit weit
weniger als 100 Millionen Euro davon. Dennoch pendelte sich der
Wehretat am Ende der Haushaltsdebatten offiziell bei 23,9
Milliarden Euro ein, der zudem mit Verwertungen von
Bundeswehrliegenschaften auf rund 24 Milliarden Euro anwachsen
konnte. So zumindest verlautbarte es das Verteidigungsministerium.
Die globale Minderausgabe, die in dieser Rechnung noch nicht
einbezogen war, hatte letztlich wiederum einen deutlich geringeren
Etat zur Folge.
Zum künftigen Verteidigungsetat schreibt die Bundeswehr
offiziell in ihrem Internetauftritt: "In den nächsten Jahren
soll der Etat der Bundeswehr schrittweise weiter moderat wachsen:
Für 2006 ist ohne Berücksichtigung zusätzlicher
Erlöse ein Plafond von 24 Milliarden Euro vorgesehen. Für
2007 und 2008 liegen die Plafonds jeweils bei 24,7 Milliarden
Euro." Allerdings glauben Verteidigungsexperten vielmehr, dass der
Ressortinhaber in nächsten vier Jahren weiterhin mindestens
250 Millionen Euro pro Jahr an das Finanzministerium abgeben muss.
Insofern wäre die offiziell postulierte "moderate Steigerung"
des Etats bereits null und nichtig. Sollten sich die
Finanzlöcher tatsächlich weiterhin dramatisch ausweiten,
wären weitere Abgaben durchaus denkbar. Dann würde sich
die Entwicklung des Verteidigungsetats zu einem kritischen
Zeitpunkt ins Negative verkehren.
Denkbar unpassender Zeitpunkt
Ende letzten Jahres war schon an anderer Stelle darüber
spekuliert worden, ob Verteidigungsminister Peter Struck nicht
anstatt 248 Millionen Mark globaler Minderausgabe gleich das
Doppelte zahlen sollte. Das Finanzministerium hatte zu diesem
Zeitpunkt noch einen Fehlbetrag von einer Milliarde Euro, der nicht
aufgeteilt war. Damals lautete das Bestreben von Finanzminister
Hans Eichel, nach anderen Wegen zu suchen, um dieses Loch zu
füllen.
Der Zeitpunkt für solch eine haushalterische Entwicklung
könnte kaum unpassender sein. Die beschlossene
Weiterentwicklung der Bundeswehr, die mit dem Zauberwort
"Transformation" umschrieben wird, basiert im Wesentlichen auf der
Fähigkeitsanpassung der Streitkräfte. Die neuen
sicherheitspolitischen Herausforderungen verlangen von der
Bundeswehr neue Fähigkeitsprofile in fast allen
Tätigkeitsbereichen und insgesamt besser vorbereitete Soldaten
auf die wahrscheinlichsten Einsatzszenarien fernab des
Heimatterritoriums. Auf dieser Grundlage hat die Bundeswehr eine
Vielzahl von militärischen Beschaffungsmaßnahmen in
Auftrag gegeben, die gerade ab dem Jahr 2008 stetig der Truppe
zulaufen sollen. Hinzu kommt dann auch die Begleichung dieser
kostenintensiven Modernisierung, was sich angesichts leerer Kassen
als problematisch erweisen dürfte. "Dann trifft die
Tsunamiwelle den Haushaltsstrand", sagt Heinz Schulte,
Chefredakteur des Branchenhintergrunddienstes "Griephan Briefe". So
beschreibt er die bevorstehende Dramatik: Auslieferungen von
Rüstungsgütern wie den 60 A400M Transportflugzeug mit
einem Beschaffungswert von knapp neun Milliarden Euro oder den
geplanten 180 Eurofighter Kampfflugzeugen könnten dann
für massive Finanzierungsengpässe sorgen. Denn mit einer
sinkenden Finanzlinie könnten wohl nicht nur keine neue
Rüstungsprogramme mehr begonnen werden, sondern existente
Beschaffungen müssten neu überprüft werden, meint
Verteidigungsexperte Schulte.
Viele Branchenkenner im Berliner Raum spekulieren derzeit
über die "dritte Tranche" des Eurofighters. Sie glauben, dass
der letzte Beschaffungsabschnitt von rund 70 Flugzeugen in der
zweiten Hälfte des Jahrzehnts den Finanzengpässen zum
Opfer falle. Dagegen spricht, dass die Eurofighter-Verträge
bereits geschlossen sind und Abweichungen hiervon mit hohen
Konventionalstrafen verbunden wären. Selbst die kontroversen
Debatten um das Luftabwehrraketensystem MEADS zeigten die Besorgnis
einiger Parlamentarier über die Finanzierbarkeit solcher
Projekte vor dem Hintergrund des womöglich sinkenden
Bundeswehretats.
Befürworter anderer Rüstungsprogramme, beispielsweise
die des Schützenpanzers Puma, befürchten mit der Aufnahme
eines weiteren luftwaffespezifischen Programms wie MEADS, dass
für ihr Produkt weniger Geld im Haushalt zur Verfügung
stehen könnte. Denn über die Bestellung von 405 Pumas mit
einem Volumen von 2,7 Milliarden Euro ist erst Ende 2007 zu
entscheiden, wenn die Finanzmisere der Bundeswehr deutlich
erkennbar wird.
Trotz dieses Ausblickes scheint die Bundeswehrführung
dennoch guten Mutes, all die Aufgaben bewältigen und die
Kosten begleichen zu können. Denn ihr Generalinspekteur
Wolfgang Schneiderhan hält in seinem Bundeswehrplan 2006 fest,
man gehe weiterhin davon aus, dass der Verteidigungsetat von 24,2
Milliarden Euro ab dem nächsten Jahr auf 26,1 Milliarden Euro
im Jahr 2010 ansteige. Im Gegensatz zum Bundeshaushalt, der
jährlich vom Bundestag verabschiedet wird und somit bindend
ist, ist der Bundeswehrplan nicht verbindlich. Er ist das
allerdings das höchste Dokument der Bundeswehr, das sich an
der Finanzlinie des Bundeshaushalts zu orientieren versucht. Dabei
ist aber jede Orientierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt
äußerst schwierig. Die Bundeswehrplanung ist mit einer
Reihe von Unbekannten versehen. Im nächsten Jahr findet eine
Bundestagswahl statt. Eine neue Regierung könnte geneigt sein,
die gesamte Planung zu überprüfen und zu verändern.
Weiterhin sind die genannten Finanzlöcher, deren Entwicklung
sich erst zeigen wird, ein Unsicherheitsfaktor. Dass aber nicht nur
Optimismus bei der Bundeswehrführung herrscht, kommt im
Bundeswehrplan deutlich zum Ausdruck. Denn Schneiderhan führt
deutlich aus, was ein Abweichen der geforderten Finanzlinie
bedeuten würde. "Ein Zurückfallen hinter die dem
Bundeswehrplan 2006 zugrunde liegenden finanziellen
Rahmenbedingungen", schreibt er, "stellt aus konzeptioneller Sicht
die Zeitlinien der Transformation in Frage." In solch einem Falle
könnte das Transformationsprojekt wie ein fragiles Kartenhaus
in sich zusammenfallen - mit schwerwiegenden Konsequenzen sowohl
für die Ausrüstungslage der Bundeswehr als auch die
Personalumfänge und Strukturen.
In der finanzplanerischen Bewertung hält Schneiderhan auch
dementsprechend fest: "Eine fähigkeitsorientierte Ausstattung
der Bundeswehr erfordert in den nahen Planjahren einen Anstieg des
Plafonds sowie - mit Blick auf die unvermeidlichen
Preissteigerungen in allen Bereichen des Verteidigungshaushalts -
mindestens ein reales Halten des Plafonds in den ferneren
Planjahren." Seinen Plänen zufolge sollen gerade die Ausgaben
für militärische Beschaffungen ansteigen - von 4,05
Milliarden Euro im nächsten Jahr auf 6,07 Milliarden Euro im
Jahr 2010. Dies würde endlich die Ausgaben für
militärische Beschaffungen auf mehr als 30 Prozent anheben,
was die Experten seit je her fordern.
In den kommenden Wochen stehen vor und nach der
parlamentarischen Sommerpause noch einige wegweisende Verhandlungen
über den Bundeswehrhaushalt 2006 an. Am Ende dieser
Gespräche wird sich erweisen, wie tragfähig das Konzept
Schneiderhans wirklich ist. Im Verteidigungsministerium ist man
sich der schweren Aufgabe bewusst. "Wir werden wie jedes Jahr
wieder um jeden Euro kämpfen, da wir sie auch alle brauchen,"
betont ein Offizieller.
Martin Agüera ist Deutschland-Korrespondent des
us-amerikanischen Magazins "Defense News".
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