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Karl-Otto Sattler
Die kandadischen Dollars rollen nicht mehr
Konversion am Oberrhein
"Klar, es gab harte Verhandlungen", erzählt Rolf Wiehle,
"aber letztlich wurde zwischen Bonn, Freiburg und der
Landesregierung alles einvernehmlich geregelt, bei niemandem blieb
Bitterkeit zurück". Der Leitende Stadtverwaltungsdirektor, der
in den Neunzigern an der Dreisam die Konversion nach dem Abzug der
französischen Garnison managte: "Dies war angesichts des
angespannten Wohnungsmarkts eine große Chance."
Ein solch uneingeschränkt positives Fazit mag Lahrs
Oberbürgermeister Wolfgang Müller nicht ziehen, aus
dessen Stadt das Europa-Hauptquartier des kanadischen Militärs
abgerückt ist: Man habe das Beste aus jener Situation gemacht,
mit dem Zuzug von Aussiedlern habe sich der Ort verjüngt,
"doch die Zeit, als der kanadische Dollar rollte, ist vorbei" - und
vor allem laste auf der Stadt die Hypothek wegen der für die
Erschließung eines neuen Gewerbegebiets aufgenommenen
Millionenkredite. Deutlicher wird Harald Kraus, bei dem auch nach
über einem Jahrzehnt noch ein gewisser Zorn anklingt. Der
Bürgermeister von Eschbach am Oberrhein rät Gemeinden,
die von Standortschließungen der Bundeswehr betroffen sind:
"Man muss mit dem Finanzministerium knallhart um die
Grundstückspreise verhandeln." Der Schultes kann nur hoffen,
dass sich die von einem Zweckverband getätigten
Millioneninvestitionen in ein Gewerbeareal auf einem früheren
Luftwaffenstützpunkt bis 2015 wieder hereinholen lassen.
Der Fall des Eisernen Vorhangs bescherte eine Friedensdividende:
In Deutschland kam es zu einem gewissen Maß an Abrüstung.
Dort, wo Truppen abziehen, müssen sich Rathäuser freilich
mit den wirtschaftlichen Folgen herumschlagen. In Südbaden
machten dabei Freiburg, Lahr und die Gemeinden rund um Eschbach
recht unterschiedliche Erfahrungen. Aus Freiburg marschierte 1992
das mehrtausendköpfige französische Militär gen
Heimat, 1994 verschwanden aus Lahr plötzlich 10.000 Kanadier,
und im Fliegerhorst Bremgarten bei Eschbach knipste ein
Phantom-Geschwader mit 2.000 Mann das Licht aus.
Schon fast Geschichte ist in Freiburg die Konversion der
Militäreinrichtungen, die als Bundesbesitz weitgehend im
Zentrum der Stadt lagen. Diese jahrzehntelang blockierten
Filetstücke auf dem Grundstücksmarkt boten unversehens
frische Entwicklungsperspektiven. Von den 1.600 ehemaligen
"Franzosen- wohnungen" übernahm die kommunale
Wohnungsgesellschaft 600, "damit konnten wir die Kartei für
Sozialfälle weitgehend leeren", erinnert sich Wiehle. Auf
einem Teil des Flughafens errichtete das Land eine neue
Fakultät für die Uni, deren Rektorat residiert nun
komfortabel in einem ehemaligen Militärkomplex mitten in der
City. Auf dem Airport konnte die Stadt ein Messegelände
hochziehen. Auf einstigem Militärterrain steht mittlerweile in
exzellenter Lage das Konzerthaus als zentraler städtischer
Veranstaltungsort.
Als Highlight der Konversion gilt das heutige
Vauban-Wohnviertel, das bundesweit als autofreies
Öko-Vorzeigeprojekt in den Medien herumgereicht wird. 3.000
Leute leben dort, im Endausbau sollen es 5.000 sein. 20 Millionen
Euro zahlte die Stadt damals in die Bonner Kasse als Kaufpreis
für das Kasernenareal, aus Stuttgart flossen
Fördermittel. Im Rathaus ist man sicher, durch den Verkauf
aller Baugrundstücke letztlich sämtliche Ausgaben tilgen
zu können. Nicht wenige Freiburger würden im Übrigen
wegen des Drucks durch Sozialkontrolle und
Political-Correctness-Anpassungszwänge nie in dieses
"perfekte" Quartier ziehen.
Für Freiburg bedeutete der Abzug des Militärs
wirtschaftlich keinen Verlust, die Franzosen hatten sich weitgehend
selbst versorgt. Die Präsenz des Bundeswehrgeschwaders in
Bremgarten bescherte der Region indes einen Gewinn von
jährlich 80 Millionen Mark: Das Handwerk profitierte massiv
von Aufträgen, Zeitsoldaten und Offiziere gaben gutes Geld
aus. Nach dem Abzug der Phantom-Maschinen fanden die meisten der
350 Zivilangestellten neue Arbeitsplätze, ein Teil ging in den
Vorruhestand. Schwieriger war und ist die Nutzung des Ex-Airports
mit seinen 560 Hektar. Ein Zweckverband mit zwölf Gemeinden
investierte 65 Millionen Euro für Kauf und Erschließung
von 130 Hektar für ein Gewerbegebiet. Fünf Millionen
waren Eigenmittel der Kommunen, 60 Millionen wurden als Kredite
aufgenommen, das Land gewährte als Fördermittel
Zinszuschüsse. "Eine bunte Mischung", so Verbandsvorsitzender
Kraus, hat sich inzwischen auf dem Gelände angesiedelt: eine
Müllverbrennungsanlage, Schlosser, Schreiner, Laserfirmen,
Labors, Transportfirmen, 700 Arbeitsplätze sind entstanden.
Aber trotz niedriger Preise sind erst 43 Prozent des Terrains
veräußert, "16 Millionen Euro Schulden sind noch nicht
zurückgezahlt", bilanziert Kraus. Eine Rolle spielt
natürlich auch die allgemeine Wachstumsschwäche der
Wirtschaft.
"Lahr war ein bewegtes Pflaster"
Ein regelrechter Schock war für Lahr das Verschwinden der
Kanadier, die fast ein Viertel der Bevölkerung stellten. Die
jungen Soldaten sorgten nicht nur für ein pulsierendes
Nachtleben, "Lahr war ein bewegtes Pflaster", erzählt OB
Müller. Die Kanadier pumpten auch jährlich 200 bis 300
Millionen Euro in die Region. Einzelhandel, Gastronomie, Hotels,
Handwerk und Gewerbe lebten bestens von Aufträgen des
Militärs und vom Konsum des Personals. Viele Kanadier
logierten auf dem freien Wohnungsmarkt, deutsche Vermieter bauten
für sie eigens Häuser. Zur Gänze lässt sich, so
Müller, der Kaufkraftschwund nicht ausgleichen.
Aber man habe die Zäsur "insgesamt recht gut
bewältigt", meint der Rathauschef. Rund 9.000
Spätaussiedler wohnen heute in ehemaligen
Soldatenunterkünften, die von der kommunalen
Wohnungsgesellschaft für 13 Millionen Euro vom Bund erworben
wurden. Zudem gingen 14 Millionen in die Renovierung. Über
Mieten fließen die Gelder zurück. Allerdings musste die
Stadt das Eigenkapital des Unternehmens um 2,5 Millionen Euro
aufstocken. Überdies kosten Integrationsprogramme für die
Aussiedler jährlich eine Million Euro. Deren Zuzug wertet
Müller positiv, haben sie doch die Einwohnerzahl
stabilisiert.
Die Kanadier betrieben einen 580 Hektar großen Airport, von
dessen 180-Hektar-Piste die größten Flugzeuge der Welt
starten können. Ein vor allem von Lahr getragener kommunaler
Zweckverband erstand vom Bund für 37 Millionen Euro einen Teil
des Geländes für ein neues Gewerbegebiet: "Damals dachte
man, das sei ein günstiger Preis", sagt Müller. Zwar
haben dort inzwischen Unternehmen 1.600 Arbeitsplätze
geschaffen, doch erst ein Viertel des Areals ist trotz
günstiger Preise belegt: Die Wirtschaftsflaute und die
Konkurrenz anderer Städte machen sich bemerkbar. Der OB:
"Bislang bleiben wir auf dem Terrain sitzen." Und auf der
Schuldenlast.
Derzeit streitet sich die Stadt mit der Landesregierung vor
Gericht über eine Genehmigung für Lahr als Standort eines
Passagierflughafens: Stuttgart verweigert diese Erlaubnis wegen der
"Marktsättigung" in der Region durch die Airports Basel,
Straßburg und Söllingen bei Karlsruhe. Müller hofft
auf einen Sieg wegen der wirtschaftlichen Impulse, die von einem
Flughafen ausgehen sollen. Die Stadt selbst ist vom Airport
finanziell nicht mehr betroffen: Die Betreibergesellschaft ist
privat, immerhin kostete die Privatisierungsaktion das Rathaus
500.000 Euro.
Auch über ein Jahrzehnt nach dem Abzug der Kanadier haben
Lahr und die Gemeinden um Eschbach noch mit dessen Konsequenzen zu
kämpfen. Die kritische Bilanz von OB Müller: "Der Bund
konnte sich kostengünstig einer militärischen Altlast
entledigen."
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