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Hartmann Wunderer
Deutscher Bürgerkrieg vor 1933
Das Ende der Weimarer Republik und der Aufstieg
der NSDAP
Welche Rolle spielten die letzten Jahre der Weimarer Republik
für die Etablierung der NS-Diktatur? Zu diesem Thema scheint
alles gesagt zu sein. Der Historiker Dirk Blasius stellt nun den
Bürgerkrieg zwischen den verfeindeten politischen und sozialen
Lagern in den Mittelpunkt seiner Überlegungen und analysiert,
wie sich die Weimarer Staatsordnung vor 1933 unter
maßgeblicher Beteiligung der bürgerlichen Eliten von
innen her selbst zerstörte.
In dieser spannenden Analyse gehört der Blick primär
den Stimmen und Einschätzungen der gebildeten
bürgerlichen Öffentlichkeit. Blasius wertet systematisch
meinungsbildende Presseorgane aus und gelangt auf diese Weise zu
einer politischen Selbstbeschreibung der späten Weimarer
Republik. Ausgeblendet wird dabei das Problem, in welcher Weise die
radikalen, demokratiefeindlichen Bewegungen in spezifischen
sozialmoralischen Milieus verankert waren.
Für die Zeitgenossen stellte die Bürgerkriegserfahrung
von 1918, 1923 und wieder in der Zeit der Weltwirtschaftskrise ein
entscheidendes Trauma dar. 1918 war zwar der Erste Weltkrieg zu
Ende, doch nun begann ein Bürgerkrieg der Worte, Taten und
Ideologien, denen nicht nur Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum
Opfer fielen, sondern auch Außenminister Walther Rathenau
sowie zahllose Arbeiter. Den Tätern attestierte die Justiz oft
ehrenvolle nationale Motive, ließ sie ungeschoren laufen und
sah nur die Bedrohung, die von der radikalen Linken ausging. In der
Weltwirtschaftskrise drehten die extremen politischen Lager erneut
an der Eskalierungsschraube politisch motivierter Bluttaten. Die
Politik reagierte darauf nicht mit einer vorausschauenden
Eindämmung, sondern mit einer kurzsichtigen Politik der
Gewaltankündigung.
Blasius befasst sich zentral mit den Präsidialregimen
Brüning, von Papen und von Schleicher und arbeitet heraus, wie
deren Krisenmanagement unbeabsichtigt der NSDAP in die Hände
spielte. So attestiert er dem Politikstil Brünings, dass
dieser an die Epoche des Kaiserreichs erinnere, als eine von der
Monarchie gestützte Beamtenregierung den Zug der Zeit
verpasste und demokratische Prinzipien missachtete. Brüning
stützte sich bei seiner Krisenpolitik auf Hindenburg, der -
inspiriert durch Repräsentanten "vaterländischer
Verbände" - das sozialdemokratisch regierte Preußen als
roten Diktatur-Staat betrachtete. Doch auch die Sozialdemokratie
fürchtete - aus ganz anderen Gründen - eine "rote
Diktatur" der Kommunisten und unterstützte unter Brüning
eine reaktionäre Politik bis hin zur Wiederwahl Hindenburgs
als Reichspräsidenten.
Im Mittelpunkt der Studie steht die Politik des
Präsidialregimes von Franz von Papen, die einerseits auf eine
Bekämpfung der NSDAP abzielte, andererseits meinte, diese
"zähmen" zu können, indem von Papen alles tat, um dieser
Partei den Weg zur Regierungsbeteiligung zu ebnen. Unter von Papen
und Kurt von Schleicher (Reichskanzler von Dezember 1932 bis Januar
1933) wurde das Arsenal geschaffen, aus dem sich Hitler auf seinem
Weg zur Diktatur bedienen konnte: zum Beispiel Ausnahmegesetze
gegen die politische Linke, Einführung der Schutzhaft,
Schaffung einer Sondergerichtsbarkeit, Listen von Personen, die bei
einem Ausnahmezustand sofort festgesetzt werden sollten.
Der einflussreiche Staatsrechtslehrer Carl Schmitt und viele
andere bürgerliche Intellektuelle entwickelten den Irrglauben,
erst der Nationalsozialismus garantiere die Wiederherstellung des
inneren Friedens, die Überwindung des Bürgerkriegs. Auf
diese Weise konnte sich die bürgerliche Öffentlichkeit
von liberalen Traditionen verabschieden. Die alten Eliten
begrüßten nun kniefällig die neuen
nationalsozialisten Machthaber als Retter der bürgerlichen
Ordnung. "Die Nationalsozialisten wurden nicht aus taktischen
Gründen gewählt, man bekannte sich zu ihnen als den
Beschützern bürgerlicher Sekurität."
Dirk Blasius
Weimars Ende.
Bürgerkrieg und Politik 1930 - 1933.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005; 188 S.,
24,90 Euro
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