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"Die Befriedung kann scheitern"
Interview mit Dadfar Spanta
Bevor Rangin Dadfar Spanta Berater des
afghanischen Präsidenten Hamid Karsai für internationale
Beziegungen wurde, lebte er rund 20 Jahre in Deutschland und
unterrichtete an der Technischen Universität Aachen
Politikwissenschaft. Martin Gerner sprach mit ihm über die
bevorstehenden Wahlen und den Demokratisierungsprozess in
Afghanistan.
Das Parlament: Herr Dadfar Spanta, wie
wichtig sind die Parlamentwahlen in Afghanistan für die
Demokratisierung des Landes?
Dadfar Spanta: Diese zweiten Wahlen,
nach der Präsidentschaftwahl im vergangenen Jahr, sind eine
wichtige Etappe auf dem Weg zu einem selbständigen
Afghanistan. Ich sage aber auch ganz klar: Der Weg ist noch nicht
unumkehrbar. Die Befriedung des Landes kann immer noch scheitern.
Zum einen an der terroristischen Gefahr, zum anderen an der
verbreiteten Schattenwirtschaft, den darin involvierten
Drogen-Bossen, die an Recht und Gesetz vorbei persönliche
Interessen zum Schaden des Landes verfolgen.
Das Parlament: Was heißt das
für die Politik der Terrorismus- und
Drogenbekämpfung?
Dadfar Spanta: Die Bekämpfung der
Drogenwirtschaft ist nicht allein ein Sicherheits-, sondern vor
allem ein gesellschaftliches Problem. Man muss den Bauern konkrete
Alternativen in der Landwirtschaft aufzeigen. Das ist noch nicht in
ausreichendem Maß geschehen. Solange zudem aus dem Ausland
Reis und Weizen als Hilfsgüter weiter importiert werden, wird
es afghanischen Bauern schwer gemacht, auf dem heimischen Markt
konkurrenzfähig zu sein. Präsident Karsai hat das im
Kabinett und gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft
wiederholt kritisiert. Was die terroristische Bedrohung angeht,
sind wir dankbar und brauchen die Hilfe der Koalitions- und
ISAF-Kräfte im Land. Die Ausbildung der afghanischen Armee und
Polizei geht zwar gut voran, aber wir sind noch nicht in der, Lage
die Probleme im Inneren und an unseren Außengrenzen aus
eigenen Kräften zu bewältigen. Das wird noch einige Zeit
dauern.
Das Parlament: Deutschland hat eines
der größten militärischen Kontingente in
Afghanistan, beteiligt sich aber mit seinen Bundeswehrsoldaten
nicht aktiv an der Drogenbekämpfung. Was ist ihre Position
dazu?
Dadfar Spanta: Zur Jahreswende wird
die NATO eine vereinbarte Neuaufteilung der Zuständigkeiten in
Afghanistan vornehmen. Deutschland wird dann für weite Teile
im Norden des Landes zuständig sein. Dabei kann es immer zu
bewaffneten Auseinandersetzungen kommen, auch mit Drogen-Bossen.
Wenn geschossen wird, was wollen sie da machen? Zusehen? Ich denke,
Deutschland wird dann um eine aktivere Rolle nicht
herumkommen.
Das Parlament: Das Wahlrecht
garantiert keine repräsentative Darstellung des
Wählerwillens und ist von UN- wie EU-Vertretern als
ungenügend kritisiert worden. Auch stehen viele Kandidaten,
die nach wie vor mit bewaffneten Milizen in Verbindung gebracht
werden, auf dem Wahlzettel. Warum ist es nicht gelungen, das zu
verhindern?
Dadfar Spanta: Präsident Karsai
hat sich gegen den Rat vieler, auch gegen meinen Rat, für ein
Wahlsystem entschieden, das einzelnen Personen statt Parteien den
Vorrang gibt. Das hat mit dem Erbe aus der sowjetischen Zeit zu
tun, und der Rolle, die islamische und islamistische Parteien bei
der Zerstörung des Landes in der Vergangenheit gespielt haben.
Es ist auch etwas Populismus dabei. Statt starker Parteien werden
wir aller Voraussicht nach im künftigen Parlament - der Wolesi
Jirga - eine Ansammlung von Einzelinteressen haben. Die
Gesetzgebung und die Mehrheitsfindung werden dann in Hinterzimmern
vorbereitet werden und von Gefälligkeiten bestimmt sein. Ich
halte das nicht für die beste Lösung. Was die
zweifelhaften Kandidaten angeht: Karsai verfolgt seit längerem
eine Politik, die darin besteht, möglichst viele politische
Kräfte mit ins Boot zu nehmen, anstatt sie außen vor zu
lassen. Er will damit einen möglichst breiten Konsens
erreichen.
Das Parlament: Wie erfolgreich ist die
internationale Staatengemeinschaft bei der Demokratisierung des
Landes bisher ?
Dadfar Spanta: In Afghanistan hat 1919
mit König Amanullah eine Modernisierung eingesetzt, deren
Auswirkungen - trotz aller Rückschläge - bis heute
spürbar sind. Es gibt Werte und Menschenrechte, die ohne
Zweifel universelle Gültigkeit besitzen, auch und gerade
für Frauen, und deren Umsetzung werden wir weiter verfolgen
müssen. Ich setzte mich dafür ein und, die neue
Verfassung Afghanistans tut das auch. Natürlich ist unser Land
in mancherlei Hinsicht rück-ständig. Im Süden
beispielsweise geht es in manchen Gegenden konservativer zu als im
konservativen Saudi-Arabien, in den Städten aber geht es
vielfach freier zu als dort, auch, was Frauen angeht. Ich denke,
eines Tages werden wir in Afghanistan eine Demokratie westlicher
Prägung haben. Ich selbst werde das vielleicht nicht mehr
erleben, aber meine Kinder. Die Jakobiner zur Zeit der
französischen Revolution haben die demokratischen Früchte
ihrer Anstrengungen auch nicht selbst ernten
können.
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