|
|
Susanne Kailitz
Wahlkampfduell im Plenum
Schuldzuweisungen dominierten den letzten
Sitzungstag des Parlaments
Von einem Land auf dem "Weg der Erneuerung" war
die Rede - und gleichzeitig von einem Staat der in den vergangenen
"sieben Jahren unter Wert regiert worden" sei: Bei der letzten
Bundestagsdebatte vor den Neuwahlen entstand gelegentlich der
Eindruck, Regierung und Opposition sprächen über zwei
unterschiedliche Länder. Während Kanzlerkandidatin Angela
Merkel Rot-Grün eine dramatische Schlussbilanz attestierte und
FDP-Chef Guido Westerwelle der SPD vorwarf, ihr Programm habe keine
Zukunft, betonte Bundeskanzler Gerhard Schröder, sein
Reformkurs sei richtig und müsse fortgesetzt werden.
Kaum etwas von dem, was Regierung und
Opposition sich am 7. September im Plenum gegenseitig vorzuwerfen
hatten, war nicht schon längst auf unzähligen
Wahlkampfauftritten auf den Marktplätzen der Republik
verkündet worden - und entsprechend routiniert wurden die
Reden gehalten. Der Ton nahm an Schärfe jedoch deutlich zu.
Schröder attackierte seine Herausforderin während seiner
45-minütigen Regierungserklärung hart und warf ihr vor,
einen "völlig verkehrten Weg" einzuschlagen. Die von der Union
geplante Senkung der Ökosteuer bei einer gleichzeitigen
Erhöhung der Mehrwertsteuer sei ein "riesiger Betrug" - und
auch die Darstellung der Arbeitsmarktstatistiken durch die Union im
Wahlkampf sei eine Fälschung und verlogen. Das geplante
Steuermodell des CDU-Finanzexperten Paul Kirchhof sei "in einer
Weise sozial ungerecht, die kaum noch zu überbieten
ist".
Kanzlerkandidatin Angela Merkel konterte
Schröders Ausführung mit dem Vorwurf, es sei dem
Regierungschef "nicht einmal im Ansatz gelungen", ein Konzept
für die Zukunft aufzuzeigen, vielmehr sei Rot-Grün
"grandios gescheitert". Die Regierung habe es in den vergangenen
Jahren nicht vermocht, die Arbeitslosigkeit zu senken oder
Bürokratie abzubauen. Schröder habe seine Chance gehabt -
sei aber an seiner Partei, sich selbst und seiner Wahrnehmung der
Realität gescheitert. Die Union hingegen werde Deutschland
einen Neuanfang ermöglichen. Merkel betonte auch, sie werde
sich nicht "davon abbringen lassen", dass eine Vollmitgliedschaft
der Türkei in der EU falsch sei. Eine Haltung, die ihr scharfe
Kritik von Außenminister Joschka Fischer einbrachte: Damit
"versündige" die Herausforderung sich "an den
Sicherheitsinteressen Europas und Deutschlands". Merkel habe nicht
den "kühlen Kopf" und "die Fähigkeit zur Analyse", die
sie als Kanzlerin bräuchte. Merkel werde am 18. September die
"Mehrheit nicht bekommen", denn man werde klarmachen, dass
"ökologische und soziale Erneuerung" die Alternative zu "einer
Politik der kalten Herzen und der Systemveränderung von
rechts" seien.
Auch FDP und CSU warfen der Regierung
Versagen vor. FDP-Chef Guido Westerwelle bilanzierte, Gerhard
Schröder habe das Land "schlecht regiert". Auch sein
Finanzminister Hans Eichel, von Westerwelle als "der Lehrer aus
Kassel" bezeichnet, sei gescheitert - während "der Professor
aus Heidelberg" es "in jedem Falle besser machen" werde. CSU-Chef
Edmund Stoiber dankte Gerhard Schröder dafür, dass er dem
Land ein Jahr Rot-Grün "erspart" habe. In den sieben Jahren
seiner Regierungszeit habe er viele Versprechen gemacht und
gebrochen. Er habe immer wieder Maßnahmen gegen die
Arbeitslosigkeit angekündigt und erklärt, Deutschland
habe die Talsohle durchschritten - die Menschen seien diese
"Täuschungen" leid. Die einzige Alternative sei nun
Schwarz-Gelb. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement warf der
Opposition vor, sie brauche das "Krisengerede" für den
Wahlkampf. Doch damit sei Schluss: "Die Situation bessert sich und
die Bürgerinnen und Bürger nehmen offensichtlich wahr,
dass sie sich ändert."
Die unterschiedlichen Einschätzungen
spiegelten sich auch in den Anträgen der Fraktionen, über
die am Ende der Debatte abgestimmt wurde: Während der -
angenommene - Antrag von SPD und Grünen den optimistischen
Titel trug "Deutschland auf Wachstumskurs halten, die soziale
Erneuerung fortsetzen, standhaft für den Frieden - für
mehr Arbeit, Sicherheit und Menschlichkeit", waren die -
abgelehnten - Anträge der Opposition mit "Sieben Jahre
Rot-Grün - Deutschland braucht den Neuanfang" und "Ehrliche
Abschlussbilanz als grundlage einer neuen Politik für
Wachstum, Arbeit und Sicherheit" überschrieben.
Zurück zur Übersicht
|