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Das Parlament
Nr. 44 / 31.10.2005

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Emmeram Weis

"Die Sardelle zwischen den Walen"

Eine Geschichte Koreas auf knappstem Raum

Größer kann der Kontrast zwischen beiden koreanischen Ländern, die nun seit 60 Jahren geteilt sind, kaum ausfallen: Während der Wandel des Südens zu einem modernen und demokratischen Industriestaat erfolgreich voran ging, sorgen Atomprogramme, Menschenrechtsverletzungen und Hungersnöte des Nordens regelmässig für negative Schlagzeilen. Dennoch versucht das abgeschottete Land immer wieder, dem mächtigen Amerika die Stirn zu bieten. Mit dem vorliegenden Büchlein deckt der Verlag die Geschichte eines bislang oft vernachlässigten Landes ab.

Über welche politische Sprengkraft historische Themen für den Nationalstaat verfügen, demonstrierte ein heftiger Streit, der 2004 zwischen koreanischen und chinesischen Historikern nicht ohne staatliche Mitwirkung entbrannte: War das Kokuryo-Reich ein Vorläufer der sich bildenden koreanischen Nation oder eine in das chinesische Reich integrierte ethnische Minderheit? Sollen mit diesem Vorstoß historische begründete territoriale Ansprüche eines künftig wiedervereinigten Koreas frühzeitig abgewehrt werden?

Nationalistisch geprägte Geschichtsinterpretationen beherrschen auch die Frage, welchen Anteil der Kulturtransfer des damals fortgeschritteneren Korea auf das japanische Archipel beträgt und inwieweit die japanische Kultur auf Eigenleistung fußt.

Die Autoren zeigen den mühsam und mitunter sehr blutigen Weg der Nationwerdung und Unabhängigkeit des koreanischen Volkes: Er ist wegen der nicht vollzogenen Wiedervereinigung bis heute nicht abgeschlossen. Trotz der Fülle schriftlicher Quellen gibt es erstaunlich wenig Literatur über die Geschichte Koreas. Möglicherweise steht die Historiegrafie noch zu sehr in einer Tradition, die Korea nicht als unabhängige Nation identifiziert.

Obwohl sich Korea gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach westlichem Muster entwickelte, trugen soziale Spannungen, Flügelkämpfe zwischen Reformern und restaurativen Kräften dazu bei, dass Korea in den Strudel der expansiven imperialistischen Mächte geriet, aus dem es sich nicht mehr selbst befreien konnte. Japan setzte sich im Kampf um die Vorherrschaft in Nordostasien durch und zwang Korea in eine demütigende Kolonialisierung und radikale Assimilation. Unzählige Koreaner starben in japanischen Bergwerken, an der Kriegsfront im amerikanischen Bombenhagel auf japanische Städte und infolge der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.

Ihre "Befreiung" konnten die Koreaner kaum genießen; rasch wurde ihr Land zu einem Frontstaat des Kalten Krieges zwischen der Sowjetunion und den USA. Der katastrophale Korea-Krieg mit seinem Doppelcharakter als Bürger- und Stellvertreterkrieg zementierte die Teilung des Landes. Das südkoreanische Regime rechtfertigte seine diktatorischen Maßnahmen mit dem von den USA zugewiesenen Staatsziel der militärischen und ideologischen Eindämmung des Kommunismus.

Das umfassende Korruptionsnetzwerk der Elite, die dominante Rolle der Sicherheitsdienste und des Militärs, die gezielte Förderung der Schwer- und chemischen Industrie, die Schaffung von leistungsfähigen Chaebol (Konglomerate) und die Interdependenzen zwischen Staat und Wirtschaft belasteten einen Großteil der Bevölkerung. Das von den USA geduldete brutale Vorgehen der Staatsmacht gegen die Studentendemonstrationen löste die "Volksmassen-Bewegung" aus. Die kritische Distanz, die heute ein Großteil der jüngeren koreanischen Parlamentsabgeordneten gegenüber den USA einnimmt, stammt aus dieser Zeit.

Heute wird Korea gern als "Musterschüler" einer erfolgreichen Demokratisierung bezeichnet. Nordkorea hingegen gehört inzwischen zu den ärmsten Ländern der Welt: Energie- und Lebensmittelknappheit stehen einem unbedingten Überlebenswillen einer von der Außenwelt isolierten Führung gegenüber. Zaghafte wirtschaftliche Reformen nach chinesischem Vorbild deuten möglicherweise einen vorsichtigen Kurswechsel an. Der vom Süden angeregte Dialog ("Sonnenscheinpolitik") könnte eine allmähliche Annäherung herbeiführen.

Das Buch weckt den Appetit auf mehr. Leider erlaubt der eng gesteckte Rahmen nur eine komplexe, bisweilen unklare Darstellung der koreanischen Geschichte, zumal keine Landkarte beigefügt ist. Am aktuellen Tagesgeschehen interessierte Leser vermissen die Nennung der von China angestoßenen Sechser-Gespräche unter Einbeziehung von Japan, USA und Russland: Diese sind zunächst darauf angelegt, Nordkorea von der Entwick-lung eigener Atomwaffen abzuhalten; allerdings könnten sie künftig die Keimzelle für eine weiter zu fassende ostasiatische Sicherheitsarchitektur bilden.


Marion Eggert und Jörg Plassen

Kleine Geschichte Koreas.

becksche reihe, Bd. 1666.

Verlag C.H. Beck, München 2005; 190 S., 10,90 Euro

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