Christoph Spöckner
Aufgekehrt ...
Wer in diesen Tagen mit der Berliner U-Bahnlinie 6 unterwegs
ist, vernimmt aus dem Lautsprecher neuerdings eine Stimme, die sich
anhört wie die von Angela Merkel. Natürlich ist es nicht
die desig-nierte Regierungschefin in persona.
Wäre sie es tatsächlich, gäbe das zu denken:
Schließlich ruft nicht nur ein 35-Milliarden-Euro-Sparpaket
bei den Bürgern Unmut hervor - auch Meldungen über
Verspätungen oder Schienenersatzverkehr können den Puls
des Steuerzahlers beim morgendlichen Pendeln ordentlich
beschleunigen.
Man stelle sich das vor: Angela Merkel und ein Nebenjob bei den
Berliner Verkehrsbetrieben. Könnte das ein Zeichen an die
arbeitende Bevölkerung sein, auch im Berufsleben künftig
mehrgleisig zu fahren? Vor allem aber wäre es eine gute
Übung im Überbringen noch viel unangenehmerer
Nachrichten: Schließlich müssen die Deutschen
demnächst wohl noch länger arbeiten und können erst
mit 67 in Rente gehen - toll, wenn da die eigene Bundeskanzlerin
mit gutem Beispiel vorangeht und ein paar Überstunden schiebt.
Und was ist schon ein kleiner Pendelverkehr gegen explodierende
Arbeitslosenzahlen oder finstere Konjunkturdaten?
Wenn Sie bis hierhin nur Bahnhof verstehen, könnte Sie
Folgendes wieder auf die Spur bringen: Sollte die Bundesrepublik
wirtschaftlich aus der Kurve geraten oder die Koalition aus Union
und SPD im Reformstau stecken bleiben, müsste zumindest Angela
Merkel keine Angst vor Hartz IV haben. Sie würde einfach in
der U6 verkünden: "Meine sehr geehrten Damen und Herren, der
Zug nach Aufschwung und Wohlstand für alle ist abgefahren. Ein
Konjunktur-Ersatzprogramm gibt es nicht. Beachten sie die
nächsten Arbeitslosenzahlen und wenden sie sich an den
nächsten Wahlkreisabgeordneten. Wir bitten um Ihr
Verständnis."
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