|
|
Karl-Otto Sattler
Stolpersteine beim Start in den Wahlkampf
Baden-Württembergs SPD muss erst noch in
Fahrt kommen
Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Eigentlich
sollte der Karlsruher Bundesparteitag der
baden-württembergischen SPD vier Monate vor der Landtagswahl
Rückenwind verschaffen, schließlich war zu diesem Zweck
der Tagungsort gewählt worden. Und dann das: Ausgerechnet die
südwestdeutsche Spitzenkandidatin Ute Vogt erhielt mit gerade
mal zwei Dritteln der Stimmen bei der Kür der fünf
Stellvertreter des neuen Vormanns Matthias Platzeck das
schlechteste Ergebnis - das Gegenteil eines Schubs für den
Wahlkampf. Natürlich wurde versucht, diesen Makel
herunterzuspielen. Wolfgang Drexler, Fraktionsvorsitzender im
Landtag, sprach von einem "ehrlichen Ergebnis", das "im Rahmen"
liege. Vogt selbst meinte, wer ehrlich durch das Leben gehe, "der
hat's manchmal nicht bequem".
Nasenstüber auf dem Parteitag
Der Nasenstüber beim Parteikonvent war die Quittung
für Vogts Agieren beim Rücktritt Franz Münteferings
vom SPD-Vorsitz wegen der gescheiterten Wahl Kajo Wasserhövels
zum Generalsekretär. Und der Ärger über die Rolle
Vogts in Berlin ist an der schwäbischen und badischen Basis
trotz eines "reinigenden Gewitters" (Drexler) bei einer Debatte in
der Landtagsfraktion noch keineswegs verraucht. Die Schramme von
Karlsruhe ist indes nicht die einzige Hypothek, die den Start ins
Rennen für den Urnengang am 26. März belastet. Hinzu
kommt, dass die Südwest-SPD anders als die Landes-CDU nicht in
der Berliner Ministerriege präsent ist. Die Große
Koalition in Berlin dürfte sich zwischen Neckar und Oberrhein
auch politisch vor allem für die Opposition als Hemmschuh
erweisen. Bei einem Parteitag im Dezember müssen Vogt und
Drexler einiges tun, um die SPD für die nächsten Monate
in Schwung zu bringen. Am 18. September war die Partei in
Baden-Württemberg auf 30,1 Prozent gefallen - und bei
Bundestagswahlen pflegt man meist besser abzuschneiden als auf
Landesebene, wo Vogt 2001 auf 33,3 Prozent geklettert war.
Frohgemut hatte die Spitzenkandidatin noch Ende Oktober
verkündet, CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger
sei ein leichterer Gegner als dessen Vorgänger Erwin Teufel.
Vorläufig hat sie es jedoch selbst nicht gerade einfach.
Hunderte Telefonate und E-Mails von Parteimitgliedern waren auf die
Landtagsabgeordneten und andere führende Mandatsträger
eingeprasselt. Tenor: Protest gegen Vogts Taktik in Berlin beim
Abgang Münteferings. Zum einen wurde ihr vorgehalten, dass sie
mit ihrem Votum für Andrea Nahles zur Krise beigetragen hatte.
Vor allem aber wurde Vogt ein TV-Interview verübelt, das in
den Augen vieler von Naivität und Unprofessionalität
zeugte: Hätte sie vor der Abstimmung im Bundesvorstand
gewusst, welche Folgen ein Votum für Nahles hat, "hätte
ich mir das noch einmal überlegt". Der Landtagsabgeordnete
Rainer Stickelberger meinte danach, es werde "sehr, sehr schwierig
sein, Ute Vogt noch als Spitzenkandidatin zu vermitteln".
Nun, kurz vor einem Urnengang wechselt man nicht die Pferde.
Nach einer kontroversen Debatte in der Fraktion, die "sehr offen,
kritisch und selbstkritisch geführt wurde" (Drexler), wurden
die Reihen geschlossen: Niemand habe "die Spitzenkandidatin in
Frage gestellt", verkündete der Fraktionsvorsitzende. Vogt
unterstreicht: "Ich habe Rückendeckung auch von denen, die
mich kritisiert haben."
Aber lässt sich die Motivationsdelle der SPD-Basis mit
Krisenmanagement so ohne weiteres überwinden, zumal dann ja
noch die Scharte von Karlsruhe folgte? Viel wird davon
abhängen, ob Oettingers Herausforderin politisch Power in den
Wahlkampf zu bringen vermag. Der Glanz von Bundesprominenz wird
wohl eher matt strahlen. Minister stellt die Südwest-SPD in
der Großen Koalition keine. In der zweiten Reihe sind der
Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler,
Gesundheits-Staatssekretärin Marion Caspers-Merk und
Verkehrs-Staatssekretärin Karin Roth vertreten. Doch solche
Funktionen schlagen nicht so stark durch. Vogt selbst hat keinerlei
Amtsbonus mehr, mit dem sie wuchern könnte: Die
41-Jährige ist nicht mehr Innen-Staatssekretärin in
Berlin und sitzt weder im Bundestag noch im Landtag. So muss sie
sich allein als Spitzenkandidatin behaupten.
Die Union hat es da besser. Innenminister Wolfgang
Schäuble, Bildungsministerin Annette Schavan und der
Fraktionsvorsitzende Volker Kauder vermögen mit ihrem
jeweiligen Berliner Amtsbonus auch im Landtagswahlkampf zu punkten.
Politisch dürfte die Landes-Union die Große Koalition auf
Bundesebene ebenfalls leichter als die SPD verkraften können.
Zwar werden unpopuläre Maßnahmen wie die
Mehrwertsteuererhöhung, die Eingriffe ins Rentensystem
über Nullrunden und Lebensarbeitszeitverlängerung oder
der Abbau des Kündigungsschutzes auch der CDU im Wahlkampf das
Leben schwer machen. Ob die Partei Oettingers Ende März noch
bei 45 Prozent stehen wird, wie es eine Umfrage im Auftrag der
Regierung jüngst ermittelte, ist nicht ausgemacht.
Der SPD droht jedoch Konkurrenz durch die Linkspartei, die
frustrierte Wähler anlockt. Am 18. September kam Ulrich
Maurers Truppe im Südwesten immerhin auf 3,8 Prozent, doch das
ist natürlich auch noch ausbaufähig. Auf Landesebene ist
Oettinger zudem in der komfortablen Lage, als
Ministerpräsident im Wahlkampf nicht angreifen zu müssen,
sondern sich auf das staatstragende Werben für sich und seine
Politik beschränken zu können. Die Opposition hingegen
muss angreifen: Und es ist unvermeidlich ein Spagat, in Stuttgart
eine Partei zu attackieren, mit der man in Berlin in einem Kabinett
sitzt.
Ute Vogt will sich auf Bildungspolitik konzentrieren, in der Tat
ein Landesthema. Doch mit einem Programm zum Ausbau von
Ganztagsbetreuung hat die Regierung der SPD bereits etwas Wind aus
den Segeln genommen. Ohne Zweifel weist dieses Konzept Defizite
auf, weil es ihm an der pädagogischen Qualität mangelt.
Doch ob der Streit über diese Frage für einen
Wahlkampfknüller reicht? Erstaunlich mutet ein anderer
Schwerpunkt an, den Vogt setzen will: Sie wirft der CDU vor, ihre
Aufgaben bei der inneren Sicherheit und der Polizei zu
vernachlässigen - wobei gerade Baden-Württemberg seit
jeher einen betont restriktiven innenpolitischen Kurs fährt.
Da wäre eher das Plädoyer für mehr Liberalität
und Bürgerrechte eine Alternative, aber so etwas liegt wohl
nicht im Trend der Zeit. Man darf sehr gespannt sein, mit welchem
Profil sich die Spitzenkandidatin der SPD im Wahlkampf in Szene zu
setzen gedenkt.
Zurück zur
Übersicht
|