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Hermann Horstkotte
Absolventen mit Auslandserfahrung werden für
deutsche Firmen zu Türöffnern
Internationales Hochschulmarketing bringt die
deutsch-russische Wissenschaft und Wirtschaft zusammen
Die Ingenieurstudentin Ekaterina Petrich lernt in ihrer
Heimatstadt Sankt Petersburg eine Schlüsseltechnologie unserer
Zeit, den Öl- und Gastransport durch Pipelines. Für ihre
Doktorarbeit will sie alsbald in Deutschland forschen, an der
Technischen Universität Freiberg in Sachsen. Auf einer
Talentbörse des Deutschen Akademischen Austauschdienstes
(DAAD) in der Zarenmetropole konnte Ekaterina ihr Auslandsstudium
jetzt niet- und nagelfest machen. Eine Ingenieurin des Freiberger
Lehrstuhls für Gastechnik war vom Leistungsprofil der jungen
Russin beeindruckt und übernahm gleich die ganze Angelegenheit
von der Visaerteilung bis zum Arbeitsplatz im Institut und der
Unterkunft im Studentenwohnheim.
Voneinander lernen
Die Verflechtung zwischen der russischen und deutschen
Wirtschaft wird immer enger, erklärt Wilfried Bergmann vom
DAAD-Generalsekretariat. Deshalb ist es wünschenswert, gerade
im wissenschaftlich-technischen Austausch möglichst früh
viel voneinander zu lernen und damit wechselseitiges
Verständnis aufzubauen. Der Energiesektor spielt in den
bilateralen Wirtschaftsbeziehungen die wichtigste Rolle. So ist
E.ON Ruhrgas Miteigentümer am russischen Giganten Gazprom, der
seinerseits am deutschen Vertriebsnetz Wingas Aktien hält. Die
Freiberger Gastechniker sind mit im Spiel, weil sie fachlich und
personell mit E.ON dicht vernetzt sind, wie Ekaterina schon bei
Internetrecherchen feststellen konnte. Daraufhin machte sie sofort
ihre erste Deutschstunde. "In diesem August war ich auch schon auf
einem Sprachkurs an der Uni Bonn", so die Petersburgerin.
Nirgendwohin sonst vergibt der DAAD heute so viele Stipendien
wie nach Russland. Ihre Zahl hat sich in den vergangenen zehn
Jahren auf jährlich rund 3.000 mehr als verdoppelt.
Gegenwärtig studieren hierzulande insgesamt etwa 10.000
Russen. Umgekehrt gehen momentan nur 2.500 deutsche
Hochschüler ins Partnerland - die Physikstudenten Felix Hoehne
und Matthias Fehr von der Technischen Universität München
wollen das ändern: "Wenn wir in einem Jahr zurückkommen,
werden wir Propaganda machen, wie hoch die Qualität der Lehre
in Petersburg ist und was die Stadt an Kultur und Kneipen zu bieten
hat. Hier tanzt der Bär!" Die beiden sind jetzt im
fünften Semester und noch nicht auf Jobsuche. Sie wissen aber,
wie Felix betont: Der Akademikerarbeitsmarkt in den großen
Städten, namentlich auch in Moskau, ist leergefegt. In- und
ausländische Privatfirmen suchen händeringend
Fachkräfte für gutes Geld. Russland, das ist zumal
für internationale Hochschulabsolventen Boomland!
Vor fünf, sechs Jahren befürchteten Bildungspolitiker
noch einen Brain Drain, eine Drift der jungen russischen
Intelligenz ins westliche Ausland, und zwar ohne jede
Rückfahrkarte. Die Wirklichkeit sieht mittlerweile anders aus.
Vadim Schestopalov beispielsweise machte von 2004 bis 2005 mit
einem Stipendium des Russland-Fonds der deutschen Wirtschaft ein
zehnmonatiges Aufbaustudium in Aachen und wurde danach sofort als
Wirtschaftsprüfer bei KPMG Consulting Moskau eingestellt -
während Hochschulabsolventen hierzulande meist erst monatelang
Billigpraktika absolvieren müssen, bevor sie einen
Fristvertrag bekommen.
Juri Mitschurin arbeitete als Diplom-Ingenieur bei BASF in
Norddeutschland - und wäre jetzt nicht als Repräsentant
einer anderen Firma nach Moskau gegangen, wenn das Gehaltsangebot
nicht gestimmt hätte. Die - inzwischen zweisprachige - Tochter
macht in diesem Jahr in Diepholz noch ihr Abitur und wird dann in
Osnabrück studieren. Das klopften Vater und Mutter soeben auf
der DAAD-RoadShow in Moskau fest. In Russland bildet sich eine neue
Mittelschicht mit internationalen Erfahrungen und internationalen
Abschlüssen heraus, die im globalen Wettbewerb den Nachwuchs
mit rein provinziellem deutschen Bildungshorizont schnell hinter
sich lässt.
Die gerade zu Ende gegangene Moskauer Messe "Career and
Education" zeigte ganz deutlich: Der globale "War for Talents", um
Begabungen aus Russland wie von überall, ist voll entbrannt,
mit Bildungsangeboten von den Niederlanden bis Korea und Taiwan.
Wie kann und soll der Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort
Deutschland da mithalten? Ein Musterbeispiel gibt die International
Graduate School der Uni Paderborn. Es handelt sich um ein
dreijähriges Doktorandenstudium an den Schnittstellen von
Computerwissenschaften, Elektrotechnik und Maschinenbau, also
für die Autoindustrie beispielsweise. Die 50 Teilnehmer, davon
die Hälfte Ausländer, erhalten ein sattes Stipendium von
1.600 Euro netto im Monat. "Für weniger bekommt man keine
Spitzenbegabungen, die sind dann längst weg in die Industrie
oder an amerikanische Unis", erläutert Eckard Steffen, der
Geschäftsführer der Graduiertenschule. Die Besten gewinne
man nicht durch Studiengebühren, sondern nur über ein
anständiges Studiengehalt, bekräftigt
DAAD-Generalsekretär Christian Bode. Das nötige Geld
geben in Paderborn Sponsoren wie Siemens, natürlich
unverbindlich - allerdings in der Hoffnung, dass der eine oder
andere Siemens-Fellow vielleicht nach der Promotion beim
Unternehmen anbeißt. Studienbegleitende Einladungen an
Firmenstandorte in Deutschland können eine solche Entscheidung
atmosphärisch begünstigen. Unsere internationalen
Absolventen werden in ihrem Heimatland oft zu Türöffnern
für deutsche Firmen, betont Steffen. Das Stipendium für
einen Fellow ist mithin mindestens so gut angelegt wie das Honorar
für einen Headhunter, der einen fremden Hoffnungsträger
präsentiert.
Traditionell haben die deutschen Hochschulen Hemmungen, sich mit
Wirtschaftspartnern zu zeigen. Dahinter steht die Angst, sonst
einen falschen Anschein von Abhängigkeit hervorzurufen.
Tatsächlich fragen aber gerade internationale Studenten immer
öfter nach einer Ausbildung plus Einstiegschance. Der
Messetitel Career and Education bringt diese Erwartung in einer
fast schon paradoxen Reihenfolge zum Ausdruck. Heinz Pöhlmann
vom Marketingverbund der bayerischen Hochschulen folgert daraus:
Demnächst werden auch wir zugleich mit unseren
Indus-triepartnern werben, die unsere fachliche Exzellenz beweisen
können: mit den bekannten Automarken aus Bayern,
Sportausrüstern und Versicherern. Cross-Marketing heißt
das neue Zauberwort für den dynamischen Zusammenhang von
Wissenschaft und Wirtschaft am Hochtechnologiestandort Deutschland.
Eben dafür kommt jemand wie Ekaterina von Petersburg nach
Freiberg.
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