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Susanne Kailitz
Jahrelanges Hin und Her
Damals ... vor zehn Jahren am 1. Dezember:
Kultusministerkonferenz reformiert die Rechtschreibung
Kaum ein Wort der deutschen Sprache löst so
vielfältige Reaktionen aus wie dieses: Rechtschreibreform.
Mittlerweile ist das Substantiv zum Synonym für ein nie
endendes Hickhack geworden, für erbitterte
Grundsatzdiskussionen und allgemeine Verwirrung. Und es blickt auf
eine lange Geschichte zurück: Vor zehn Jahren fasste die
Ständige Konferenz der Kultusminister einen "Beschluss zur
Neuregelung der deutschen Rechtschreibung". Erklärtes Ziel der
Regelung: "Sie soll das Schreiben vereinfachen." "Ungereimtheiten,
Fehlentwicklungen und Fehlerquellen", die "im Laufe der Jahre
entstanden sind", sollten damit beseitigt werden.
An dem, was die Kultusminister im Winter 1995 absegneten, hatten
Sprachwissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der
Schweiz jahrelang gewerkelt. Und schon lange vor ihnen hatten kluge
Köpfe sich Gedanken um die deutsche Sprache gemacht: Bereits
1876 fand in Berlin, einberufen von der preußischen Regierung,
eine "Konferenz zur Herstellung größerer Einigung in der
deutschen Rechtschreibung" statt. In den folgenden Jahren regelte
man die amtliche Orthografie auf Grundlage des Wörterbuchs von
Konrad Duden. Die Duden-Redaktion entwickelte die deutsche
Rechtschreibung auch in den folgenden Jahrzehnten weiter - 1955
erklärten die Kultusminister den Duden in allen
orthografischen Zweifelsfällen für verbindlich.
Die Reformdebatte und das amtliche Reformbedürfnis wurden
dadurch nur kurzfristig gestoppt: Mit dem Aufkommen der
68er-Bewegung wurde die Diskussion sogar politisch. Eine normierte
Rechtschreibung galt vielen Anhängern der Protestbewegung als
repressiv und Mittel der sozialen Selektion - sie forderten eine
grundlegende Vereinfachung der Rechtschreibung und vor allem eine
"gemäßigte Kleinschreibung", die das Großschreiben
von Substantiven außer bei Eigennamen beenden sollte.
Resultate brachten diese Forderungen nicht. Erst Ende der
80er-Jahre beauftragte die deutsche Kultusministerkonferenz das
Institut für Deutsche Sprache in Mannheim damit, gemeinsam mit
der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden ein
Regelwerk zu entwerfen. Doch das, was die Experten 1988 vorlegten,
wurde von Politikern, Experten und Öffentlichkeit
gleichermaßen als unannehmbar zurückgewiesen.
1995 waren die Proteste zunächst spärlich - was jedoch
daran lag, dass die Inhalte der geplanten Reform erst
öffentlich bekannt wurden, nachdem sich die deutschen
Bundesländer am 1. Juli 1996 gemeinsam mit Österreich,
der Schweiz, Liechtenstein und anderen Ländern mit
deutschsprachigen Bevölkerungsteilen darauf geeinigt hatten,
die neue Orthografie zum 1. August 1998 einzuführen. Bis zum
31. Juli 2005 sollten in einer Übergangsfrist "die bisherigen
Schreibweisen nicht als falsch, sondern als überholt
gekennzeichnet und bei Korrekturen durch die neuen Schreibweisen
gekennzeichnet werden". Neue Schreibweisen galten insbesondere
für die Verwendung von Doppel-s und ß, bei
Dreifachkonsonanten, bei der Groß- und Kleinschreibung und der
Zeichensetzung. Auch bei den Fremdwörtern und der Getrennt-
und Auseinanderschreibung sollte sich etliches ändern. Als
diese Details bekannt wurden, begann der Sturm von Neuem. Immer
wieder forderten Reformgegner die Rück-nahme der Neuregelung -
Schleswig-Holstein und Bayern kündigten nach erfolgreichen
Volksentscheiden an, zur alten Rechtschreibung
zurückzukehren.
Doch was nun alt und neu, orthografisch erlaubt oder verboten
ist, ging in den Wirren des Gefechts fast unter. Verstärkt
wurde das Durcheinander dadurch, dass die 1997 gegründete
Zwischenstaatliche Kommission und ihr Nachfolger, der Rat für
deutsche Rechtschreibung, die neue Rechtschreibung immer wieder
teilweise revidierten und modifizierten. Und diejenigen, die
künftig "Portmonee" statt "Portemonnaie", "aufwändig"
statt "aufwendig" und "Furcht erregend" statt "furchterregend"
schreiben sollten, weigerten sich entweder oder befolgten die
Regeln nur unter Protest: 77 Prozent der Deutschen, so eine Umfrage
aus dem Jahr 2004, lehnen die neue Rechtschreibung ab; fast 200
Zeitungen und Zeitschriften schreiben immer noch oder wieder nach
der alten Rechtschreibung und auch hochrangige Politiker fordern
immer wieder die komplette Rücknahme der Reform.
Dazu wird es wohl nicht kommen: Seit August 2005 ist die neue
Rechtschreibung für Schulen und Behörden verbindlich.
Allerdings nur in ihren "unstrittigen" Teilen, vieles wird
nachgebessert. Eine endgültige Fassung der deutschen
Rechtschreibung ist weiterhin nicht in Sicht.
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