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Alexander Weinlein
Aufgekehrt...
"Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist
schön; ja da kann man manche Leute an der Reling spucken
seh'n. Hollahi, hollaho..." In den Zeiten der Wellness- und
Fit-for-Fun-Touristik muss niemand mehr befürchten, all die
Köstlichkeiten des Captains-Dinner als unverdauten Tribut an
Neptun zu zollen. Heute gleiten Kreuzfahrtschiffe unbeeindruckt von
den Tü-cken der See über die Weltmeere. Auf den
schwimmenden Bastionen der westlich-zivilisierten Seefahrt erinnert
die erholungsbedürftigen Landratten - abgesehen vom Blau des
Meeres und der goldbetressten Uniformen der kellnernden
Dienstleistungsmatrosen - nur noch wenig an die Seefahrerromantik
vergangener Tage. Selbst an Bord eines im Retro-Look vom Stapel
gelaufenen Fünf-Mast-Segelkreuzfahrtschiffs wie der "Royal
Clipper" ist die Muskelkraft alter Seebären längst durch
computergesteuerte Hydraulikanlagen ersetzt worden, "und der Koch
in der Kombüse, dieses zenterschwere Schwein..." hat seinen
Platz einer Crew von Fünf-Sterne-Köchen räumen
müssen. Irgendwie doch reichlich langweilig. Es mag ja ganz
nett sein, auf dem Sonnendeck mit All-inclusive-Cock-tails in den
Urlaubsrausch hinüberzugleiten, abends in der Borddisco einen
heißen Urlaubsflirt anzubahnen oder sich beim Shuffelboard in
der Schiffs-Bestenliste zu verewigen. Doch muss man dafür eine
Kreuzfahrt buchen? Wo bleibt denn da der maritime Kick?
Aber keine Angst, die Tourismusbranche muss nicht fürchten,
in seichte Gewässer abzudriften. Wie wäre es mit einem
Abenteuer-Törn durch die piratenverseuchten Gewässer vor
der Ostküste Afrikas? Nervenkitzel garantiert. Sicherlich, die
Nachfahren von Captain Blackbeard und Francis Drake entern wahrlich
nicht so charmant über die Bordwand wie die Hollywood-Piraten
Errol Flynn und Jonny Depp. Sie rauben den jungen Damen die
Diamentenkolliers auch nicht mehr mit verwegenen Küssen von
deren Hälsen. Die Wirklichkeit ist bar jeder Romantik - nichts
als brutale Straßenräuberbanalität. Doch diese reale
Gefahr lässt sich ja minimieren, ohne dass der Freizeit-Event
deswegen an Spaß verlieren muss - im Gegenteil. Die
Bundesmarine macht es möglich. So traf sich die Fregatte
"Lübeck", deren Bug derzeit im Rahmen der Operation "Enduring
Freedom" die Gewässer am Horn von Afrika durchpflügt,
stilecht im Sonnenuntergang des 18. November mit dem
Kreuzfahrtschiff "MS Deutschland", um dies ein Stück ihres
beschwingten Weges sicher zu geleiten.
Das wäre doch ein krisensicheres Finanzierungskonzept
für die Truppe: Kreuzfahrten unter dem Schutz unserer "blauen
Jungs" mit integriertem Austauschprogramm. Gefechtsübungen
statt Animationsprogramm, Zapfenstreich statt Borddisco,
Flaggenappell statt Frühstücks-Buffet. Und so ein
Kriegsschiff-Kommandant hat ja auch mehr Sex-Appeal als jeder
Traumschiff-Kapitän. Eine gewinnbringende Abwechslung zum
alten Slogan "Wir buchen, Sie fluchen" des Reiseunternehmens
Y-Tours.
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