hib-Meldung
066/2005
Stand: 07.03.2005
Diskriminierungsverbote heftig umstritten
15/4538) zum Auftakt einer Anhörung bei
Sachverständigen aus Wissenschaft und Forschung
gestoßen. Experten wie etwa Professor Peter Derleder
(Universität Bremen) oder Professorin Sibylle Raasch
(Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik)
bezeichneten die Vorlage als längst überfälligen
Schritt. Raasch begrüßte es ausdrücklich, dass der
Entwurf über die EU-Vorgaben hinausgeht. Andere
Sachverständige wie Professor Thomas Pfeiffer von der
Universität Heidelberg werteten das Gesetz als inakzeptablen
Eingriff in das Grundrecht auf Vertragsfreiheit. Aus Sicht der
Rechtsanwältin Andrea Nicolai ist es "in keiner Weise
vertretbar", dass Unternehmer nicht nur ihrerseits
Diskriminierungen unterlassen, sondern auch bei ihren Arbeitnehmern
und selbst bei ihren Geschäftspartnern für ein solches
Verhalten sorgen müssen. Ziel des geplanten Gesetzes ist es,
im Arbeits- und Zivilrecht Diskriminierungen wegen des Alters, der
ethnischen Herkunft, der Religion, des Geschlechts, der
Weltanschauung, der sexuellen Orientierung oder einer Behinderung
zu verbieten. Heiner Bielefeldt vom Deutschen Institut für
Menschenrechte erklärte, das Verbot von Diskriminierung sei
ein "strukturelles Prinzip der Menschenrechte", das auch für
Privatpersonen gelten müsse. Zwar stünden
Hauseigentümern und Religionsgemeinschaften eigene
Freiheitsrechte zu, doch trage die Gesetzesvorlage diesen
Erfordernissen differenziert Rechnung. Professor Eberhard
Eichenhofer von der Universität Jena sagte, das Anliegen des
Gesetzes sei bereits im deutschen Verfassungsrecht verankert.
Matthias Mahlmann von der Freien Universität Berlin sprach von
einer "gelungenen Umsetzung der EU-Richtlinien". Die praktische
Wirksamkeit der über das EU-Recht hinausgehenden Regelungen
sei jedoch begrenzt, Behindertenverbände sollten keine allzu
großen Erwartungen hegen. Als Befürworter des Gesetzes
meinte Rainer Nickel (Universität Frankfurt/Main), das
deutsche Schmerzensgeldrecht werde dafür sorgen, dass bei
Schadensersatzklagen wegen einer Diskriminierung "die Bäume
nicht in den Himmel wachsen". Professorin Ulrike
Wendeling-Schröder von der Universität Hannover
führte aus, das Arbeitsleben sei zwar nicht von
Diskriminierungen geprägt, sie kämen aber durchaus vor,
und deswegen sei das Gesetz notwendig. Unternehmer könnten
zwar nicht haftbar gemacht werden, wenn etwa ein Kunde einen
Arbeitnehmer belästige, doch müssten Arbeitgeber
gezwungen werden, etwas gegen derartige Vorfälle zu tun.
Volker Leienbach vom Verband der privaten Krankenversicherung und
Professor Kurt Wolfsdorf von der Deutschen Aktuarvereinigung
erläuterten, dass höhere Beiträge in der privaten
Kranken- und Lebensversicherung etwa für Alte, Behinderte,
Drogenabhängige oder Homosexuelle nicht das Resultat von
Diskriminierung, sondern eine Folge der Risikokalkulation seien.
Anwältin Nicolai nannte das Gesetz "missbrauchsanfällig".
Schon heute würden gegenüber Arbeitgebern angebliche
geschlechtsspezifische Diskriminierungen für
Schadensersatzklagen ausgenutzt, Abmahnvereine würden
künftig verstärkt aktiv werden. Professor Franz
Jürgen Säcker (Freie Universität Berlin) betonte mit
Blick auf das Diskriminierungsverbot wegen einer Weltanschauung,
die Meinungsfreiheit werde faktisch abgeschafft, wenn man sich bei
solchen Themen gegenüber einem eventuellen Vertragspartner
zwecks Vermeidung möglicher Klagen nicht mehr unbefangen
äußern könne. Auch sei es nicht vertretbar, so
Säcker, dass in einer Ortschaft mit mehreren Gaststätten
jedermann ein Zutrittsrecht zu allen Lokalen reklamieren
dürfe: Dann müssten auch Rechtsradikale in eine von
Linken dominierte Gaststätte eingelassen werden, und das
stifte Unfrieden. Die Vertragsfreiheit ist für Thomas Pfeiffer
ein "Lebensprinzip der Gesellschaft", der Staat dürfe nicht
bestimmen, welche Verträge zustande kommen. Kern jeder
Freiheit sei es, auch irrational handeln zu können, ohne sich
dafür rechtfertigen zu müssen. Pfeiffer sieht in dem
Gesetz eine "unbarmherzige Radikalität": Im Falle einer
Körperverletzung hafte der Verursacher nur bei schuldhaftem
Verhalten, bei einer Diskriminierung solle es diese Eingrenzung
nicht geben. Professor Volker Rieble (Universität
München) stufte das Diskriminierungsverbot wegen des Alters
als besonders problematisch ein: Dieses Prinzip greife tief in das
Tarifrecht ein, da die bislang übliche differenzierte
Entlohnung nach Berufsjahren oder ein stärkerer
Kündigungsschutz bei älteren Beschäftigten in Frage
gestellt würden.
Berlin: (hib/KOS) Auf ein außergewöhnlich
gegensätzliches Echo ist der von den Koalitionsfraktionen
vorgelegte Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes (
Quelle:
http://www.bundestag.de/bic/hib/2005/2005_066/01