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Alexander Weinlein
Aufgekehrt...
Hand aufs Herz: Gehören Sie auch zu jener Menschengattung,
die bereits am frühen Morgen, noch vor dem ersten Kaffee, nach
der Schlagzeile auf der Titelseite Ihrer Tageszeitung schielt?
Schaffen Sie es abends nicht ohne "heute-journal" oder
"Tagesthemen" ins Bett? Stehen Sie am Montag noch vor Sonnenaufgang
mit leicht zittrigen Fingern am Kiosk, bis Sie endlich den
"Spiegel", "Focus" oder gar "Das Parlament" in Händen halten?
Sind Sie ab Donnerstag nicht mehr wirklich ansprechbar, weil Sie so
in "Die Zeit" vertieft sind, dass das Geschehen um Sie herum nur
noch eine untergeordnete Rolle spielt? Dulden auch Sie neben Sabine
Christiansen, Maybritt Illner und Sandra Maischberger keine anderen
TV-Göttinnen? Kommen Sie beim Lesen der Tageszeitung
regelmäßig nur schwer über den Politik-Teil
hinaus?
Dann ist Vorsicht angesagt! Auch wenn Sie es nicht gerne
hören, Sie sind gefährdet - extrem suchtgefährdet.
Ja, Politik ist eine Droge, wenn auch eine süße, wie uns
der WDR am vergangenen Mittwoch zu fortgeschrittener Stunde in
seiner 45-minütigen Dokumentation "Im Rausch der Macht"
eindringlich vor Augen führte. Als Kronzeugen sagten eine
Reihe prominenter Polit-Junkies aus, die sich mehr oder minder
offen zu ihrem Suchtproblem bekannten: "Ich bin süchtig,
politiksüchtig" (Horst Seehofer), "Wenn mich auf fünf
Schritten keiner erkennt, werde ich depressiv" (Heide Simonis) oder
"Die Öffentlichkeit ist ein Stück Rausch, natürlich"
(Helmut Kohl).
Achtung, liebe Leserinnen und Leser, auch wenn Sie nicht zur
politischen Klasse gehören, der Stoff als solcher, den sie
tagtäglich konsumieren, ist ein harter, ist keine softe Droge!
Schnell rutscht man rettungslos in Parallelwelten ab: "Das ist das
Agieren und Leben auf Seite eins in der Schlagzeile" (Joscka
Fischer). Lassen Sie sich von Verharmlosungen wie "Das ist die
Begeisterung für die Demokratie" (Wolfgang Thierse) nicht in
die Irre führen. Einmal angefixt kommen Sie nicht mehr los von
dem Zeug. Fragen Sie mal eine Ministerin oder einen Parlamentarier
nach der Abwahl - Polit-Abstinenz ist so grausam wie ein kalter
Entzug.
Doch nun wird endlich dieser heimtückischen Droge der Kampf
angesagt. Die ARD-Programmdirektoren reagierten bereits: Sie wollen
in ihren Sendeanstalten gnadenlos aufräumen mit dem
unverantwortlichen Dealen und planen deshalb in einem ersten
Schritt die Sendezeit ihrer Politmagazine wie "Monitor",
"Panorama", "Report" oder "Kontraste" von derzeit 45 auf 30 Minuten
Sendezeit zu beschneiden. Auch im Europäischen Parlament in
Straßburg berät zur Stunde eine Selbsthilfegruppe von
Abhängigen, ob politische Printmedien - ähnlich wie
Zigarettenpackungen - mit Warnhinweisen ("Das Lesen politischer
Artikel gefährdet die Gesundheit - fangen Sie erst gar nicht
an") versehen werden sollen. Bis zu einem Drittel der Titelseite
sollen diese schwarz umrandeten Warnhinweise einnehmen. In diesem
Sinne: Bleiben sie clean!
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