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Susanne Kailitz
Mädchen können alles werden
Der Girls-Day soll für technische Berufe
begeistern
Am Anfang wirken die Mädchen noch etwas unsicher. Die 16
Teenager tragen Zöpfe, Ringel-shirts und Turnschuhe - und sie
haben eine langen Tag im Deutschen Bundestag vor sich. Sie hatten
Glück und verbringen ihren "Girls-Day" am, so
Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner euphorisch,
"schönsten Arbeitsplatz der Bundesrepublik". Hier sollen die
Mädchen einen Blick hinter die Kulissen des
Parlamentsbetriebes werfen und dabei insbesondere ein Bild von den
technischen Berufsfeldern bekommen.
Dafür steht der "Girls-Day", der in Deutschland seit 2001
einmal jährlich stattfindet: Schülerinnen sollen
Einblicke in Jobs bekommen, die sie bei der Berufswahl noch immer
wenig in Betracht ziehen. Sie sollen insbesondere für
sogenannte Zukunftsberufe, etwa in der Informations- und
Kommunikationstechnologie, gewonnen werden. Denn trotz aller
proklamierten Gleichberechtigung sind die Lieblingsberufe der
Mädchen auch heute noch Bürokauffrau, Arzthelferin und
Friseurin, während Jungen am liebsten Kfz-Mechaniker,
Elektriker und Maler werden wollen. Damit die Mädchen sich
später nicht automatisch für "typisch weibliche" Berufe
entscheiden, sollen sie an diesem Tag sehen, was ihnen
Tätigkeitsfelder bieten, die bislang vorwiegend von
Männern dominiert sind - denn, so Bundeskanzler Gerhard
Schröder, "Mädchen sind genauso begabt wie Jungen".
Eine, die das verinnerlicht hat, ist Vizepräsidentin
Susanne Kastner. Sie empfängt die Mädchengruppe im
Jakob-Kaiser-Haus und erzählt, dass sie es in ihren
beruflichen Anfängen als Frau nicht leicht hatte. "Mein Mann
ist Pfarrer - und da hat man von mir erwartet, dass ich als
Pfarrfrau daheim bleibe und mich um die Familie kümmere. Als
ich 1976 in die Politik ging, war es noch schwer, sich als Frau zu
behaupten. Ein Bürgermeister hat damals, als ich mich in einer
Besprechung mehrfach zu Wort gemeldet habe, glatt zu mir gesagt:
?Du hältst jetzt auch mal den Mund'. Diese Zeiten haben sich
glücklicherweise geändert!" Dennoch sei noch immer nicht
alles perfekt. Auf die Frage von Tina, wieso Frauen und Männer
in bestimmten Berufen unterschiedlich bezahlt würden, muss
Kastner passen: "Das versteht eigentlich keiner."
Nach dem Gespräch unter Frauen wird es für die
Schülerinnen Zeit, den Bundestag zu erkunden. Der Weg
führt sie zuerst in Richtung Plenarsaal. Dort lernen sie die
Abteilungen "Regieführung" und "Tontechnik" im
Reichstagsgebäude kennen, erfahren, was man als Tontechniker
den ganzen Tag so tut. Das ist spannend - viel spannender als der
Besuch der hauseigenen EDV-Werkstatt. Schnell wird klar: Jedes der
Mädchen hat zwar einen Computer, aber keine hat bislang den
Wunsch verspürt, den aufzuschrauben und nachzusehen, was sich
im Inneren verbirgt. Und außerdem: "Ach, das mit dem PCs finde
ich nicht so interessant, da haben wir schon viel in der Schule
drüber gehabt", meint Sandra.
Auch bei der Führung durch den
Gas-Wasser-Sanitär-Bereich des Hauses stellt sich schnell
heraus, dass dieser Ort für die Wenigsten als Arbeitsplatz in
Frage kommt. Melanie rümpft die Nase: "Naja, in diesem
stinkenden Raum finde ich es nicht ganz so angenehm." Nur Anja
findet es hier spannend: "Das ist ein Beruf, in dem man sich viel
bewegt und herumschraubt. Man sitzt nicht so viel am Schreibtisch,
das finde ich ganz gut." Nun muss die Schülerin nur noch
entscheiden, ob sie vielleicht lieber Installateurin werden will -
und nicht Ballett-Tänzerin, so wie bisher geplant.
Wirklich begeistert ist die Mädchengruppe von den
Fernsehstudios des Bundestags. Dort können sie alles
ausprobieren und anfassen. Ronda strahlt: "Das ist Klasse. Da kann
man die Kameras bewegen und erleben, wie das in einem Studio
wirklich ist." Hier würden fast alle gern arbeiten und die
Mitteilung, dass man im Deutschen Bundestag auch
Schülerpraktika machen kann, stößt auf großes
Interesse - dennoch kann sich am Ende des Girls-Day im Bundestag
kaum eins der Mädchen wirklich vorstellen, später einmal
einen typischen "Männerberuf" auszuüben. Hoffnung gibt da
die Aktion "Neue Wege für Jungs", die von Familienministerin
Renate Schmidt unterstützt wird. Hier sollen junge Männer
in typische Frauendomänen reinschnuppern - und wenn Frauen
Installateurinnen werden können, dann ist die Zeit auch reif
für männliche Kindergärtner.
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