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Susanne Kailitz
Lieber alliierte Einigkeit als deutsche
Einheit
Die Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam
konnten den Kalten Krieg nicht verhindern
Es war ein eindeutiges Bild, das am Ende der Konferenz in den
Köpfen der Teilnehmer blieb: Deutschland solle
"zerstückelt werden und zerstückelt gehalten werden", und
die Sowjetunion werde die "einzige bedeutende militärische und
politische Kraft auf dem europäischen Kontinent" darstellen,
das "übrige Europa wäre auf militärische und
politische Impotenz reduziert". So fasste Charles Bohlen, der
Dolmetscher des amerikanischen Präsidenten Franklin D.
Roosevelt, in einem Memorandum für den amerikanischen
Botschafter in Moskau seine Eindrücke von dem Treffen der
"Großen Drei" in Teheran zusammen.
Dort waren vom 28. November bis zum 1. Dezember 1943 erstmals
die drei Hauptalliierten im Zweiten Weltkrieg zusammengetroffen, um
Festlegungen für die Zeit nach einem Sieg über das
nationalsozialistische Deutschland zu treffen. Während in
Europa noch der Krieg tobte, debattierten Franklin D. Roosevelt,
Winston Churchill und Josef Stalin das weitere militärische
Vorgehen und ihre Vorstellungen von der Nachkriegszeit - und waren
sich dabei der Bedeutung ihrer Zusammenkunft bewusst. Der britische
Premierminister Churchill formulierte selbstbewusst, es handele
sich bei der Konferenz um die "gewaltigste Konzentration von
Weltmächten, die es je in der Geschichte der Menschheit
gegeben" habe.
Noch herrschte gute Stimmung
Die Stimmung war gut: Schnell einigten sich die Regierungschefs
auf auf eine koordinierte militärische Operation, die die
Errichtung einer zweiten Front durch die Alliierten in Frankreich
und gleichzeitig eine sowjetische Offensive im Osten umfasste - und
auf die Teilung Deutschlands. Hierbei vertraten Stalin, Roosevelt
und Churchill jedoch höchst unterschiedliche Ansichten:
Während der britische Premier eine Zweiteilung Deutschlands in
eine nördliche und eine südliche Hälfte
favorisierte, schwebte Roosevelt die Bildung fünf autonomer
Einzelstaaten vor. Stalin, der sich bereits seit 1941 für eine
deutsche Teilung und die Bildung eines schwachen Mitteleuropas
ausgesprochen hatten stimmte dem amerikanischen Vorschlag zu,
signalisierte aber durch Äußerungen, es sei notwendig,
"die deutschen Stämme zu zersplittern", dass er auch noch
weiter gehen würde. Der Diktator konnte zufrieden sein mit dem
Ausgang des Treffens: Er kehrte mit der Sicherheit nach Hause
zurück, dass man seinen Konzeptionen den alliierten Segen
erteilt hatte und dass weder die Vereinigten Staaten noch
Großbritannien die Sowjetunion zur Herausgabe der zwischen
1939 und 1941 gewonnenen Territorien nötigen würden. Ganz
wohl schien seinen Verbündeten bei dieser neuen Freundschaft
nicht zu sein. Der Stabschef des Präsidenten, Admiral William
D. Leahy, fasste seine Eindrücke von den sowjetischen
Plänen unmissverständlich zusammen, als er zu Roosevelts
Ratgeber Harry Hopkins sagte: "Well, Harry, all I can say is, nice
friends we have now."
Schon 14 Monate später war das Bündnis denn auch
sichtbar brüchig geworden. Beim zweiten Treffen der
"Großen Drei", das im Februar 1945 in Jalta stattfand, hatte
sich die Situation gravierend verändert: Die Rote Armee hielt
fast ganz Südosteuropa und Ungarn besetzt und war bereits auf
deutschem Boden auf dem Weg nach Berlin. Auf der anderen Seite
hatten die anglo-amerikanischen Truppen die deutsche Armee in der
Normandie und Südfrankreich geschlagen und Frankreich, Belgien
und Holland besetzt. Der Krieg schien entschieden. Nachdem man
mehrere Jahre Seite an Seite gegen den einen Feind gekämpft
hatte, gerieten nun andere politische Interessen ins Blick-feld -
und diese differierten stark. Insbesondere die sowjetische
Interessenlage hatte sich stark verändert. Nach seinen
militärischen Erfolgen verfolgte Stalin nun das Ziel, die
eroberten Gebiete zu einem Teil seines Imperiums zu machen. Bestes
Beispiel dafür war seine Haltung in der Polenfrage. Dort hatte
Stalin, ohne sich um den Willen des Volkes zu kümmern, eine
Marionettenregierung eingesetzt und seinen Herrschaftsanspruch
durchgesetzt. Großbritannien hingegen betrachtete das
Erstarken des kommunistischen Diktators mit Misstrauen und
befürchtete, sein "ideologischer Imperialismus" (Hermann
Graml) könne das europäische Gleichgewicht vollkommen
zerstören. Churchill sah es als seine Aufgabe an, eine
kommunistische Alleinherrschaft in Polen zu verhindern - agierte
dabei jedoch ohne Erfolg. Auch die Vereinigten Staaten verfolgten
nun andere Ziele, als sie es in Teheran getan hatten. Der Einfluss
derer, die glaubten, die USA müssten aus wirtschaftlichen und
politischen Gründen ein Interesse an einem stabilen und
prosperierenden Europa haben, hatte sich verstärkt. Auch
Roosevelt neigte dem britischen Gleichgewichtsgedanken zu - und
erkannte gleichzeitig, dass das amerikanische Interesse auf dem
europäischen Kontinent ein weitgehendes Engagement
erforderlich machen würde, da Großbritannien allein als
"Weltpolizist" zu schwach sein würde, um die westlichen Ziele
effektiv zu verfolgen. Schon im Oktober 1944 hatte der
amerikanische Präsident seinem britischen Amtskollegen in
einem Telegramm mitgeteilt: "Sie verstehen natürlich, dass es
in diesem globalen Krieg buchstäblich keine Frage gibt, ob
militärischer oder politischer Natur, an der die vereinigten
Staaten nicht interessiert sind."
Diese unterschiedlichen Interessen sorgten dafür, dass das
Treffen in Jalta nicht frei von Spannungen war. Einigkeit bestand
zwischen den drei Hauptalliierten jedoch darin, dass Deutschland
entwaffnet und bestraft werden müsse. In einer "Deklaration
über das befreite Europa" bekannten sich die Achsenmächte
dazu, in den befreiten Ländern und ehemaligen
Satellitenstaaaten "so bald als möglich durch freie Wahlen
Regierungen zu errichten, welche dem Willen des Volkes
entsprechen". Für seine Zusage, sich am Krieg gegen Japan zu
beteiligen, kamen Großbritannien und die USA Stalin weit
entgegen - und hofften so, die Entwicklung des sowjetischen
Einflusses insbesondere in Osteuropa und auf dem Balkan
kontrollieren zu können. Weniger Entgegenkommen zeigten die
westlichen Alliierten bei der Frage der Reparationen. Stalin
forderte eine umfangreiche Kompensation für die verheerenden
Schäden, die die Sowjetunion in diesem Krieg erlitten hatte,
aber weder Großbritannien noch die USA wollten einer
Reparationsregelung zustimmen, die Deutschland langfristig
schwächen würde. Die Vereinbarungen von Jalta blieben
allerdings schöne Rethorik. Stalin ließ die
Mitverantwortung Großbritanniens und der USA für Ost- und
Südosteuropa, die er eben noch anerkannt hatte, "zu Makulatur
werden, noch ehe die Signatur unter den Papieren von Jalta ganz
trocken geworden war", so der Historiker Hermann Graml.
Weil daher die Spannungen zwischen den Mächten immer weiter
zunahmen, schlug Churchill nur wenige Monate später ein
drittes Treffen vor: Die Potsdamer Konferenz im Juli und August
1945 machte jedoch nur allzu deutlich, dass das Bündnis an
seinem Ende war. Außer in Verfahrensfragen schien es
unmöglich, zu Kompromissen zu gelangen. Zwar war man sich
einig über die fünf Ds, die künftig für
Deutschland gelten sollten - Denazifizierung, Demilitarisierung,
Demokratisierung, Dezentralisierung und Dekartellisierung - aber zu
konkreten politischen Übereinkünften gelangte man auf
Schloss Cecilienhof, wo das Treffen stattfand, nicht.
Großbritannien, vertreten zunächst durch Churchill und
dann durch dessen Nachfolger Clement Attlee, und die USA, für
die der neue Präsident Harry S. Truman angereist war, sahen
das sowjetische Expansionsstreben mit Misstrauen - ließen aber
gleichzeitig keine Schmälerung ihrer Interessen im
Mittelmeerraum und dem mittleren Osten zu. Ebenso kompromisslos
verhandelten die Mächte in der Reparationsfrage. Die
Alliierten waren sich zwar einig, auf dem Territorium der vier
Besatzungszonen die politische und wirtschaftliche Einheit zu
erhalten, aber Stalin war nicht bereit, auf seine hohen Forderungen
zu verzichten. Zudem hatte er Truman und Churchill bereits im
Vorfeld mit seinem Willkürakt verärgert, Teile
Ostdeutschlands an Polen zu übereignen, um es für seine
Verluste zu entschädigen.
So drohte die Konferenz, für alle sichtbar, zu scheitern.
Um diese Blamage zu verhindern, schlugen Truman und sein
Außenminister James F. Byrnes eine Paketlösung vor: Die
Sowjetunion sollte danach auf die Festlegung einer genauen Summe
bei den Reparationen verzichten, sich aus ihrer eigenen
Besatzungszone bedienen und zusätzlich Lieferungen aus den
Westzonen erhalten. Im Gegenzug dafür würden die USA
bereit sein, wie von Stalin gewünscht, die Lausitzer
Neiße als neue polnische Westgrenze hinzunehmen. Der
Kompromiss wurde angenommen. Im Potsdamer Protokoll wurde vage
festgehalten: "Die Bezahlung der Reparationen soll dem deutschen
Volke genügend Mittel belassen, um ohne eine Hilfe von
außen zu existieren" - quasi ein Freibrief für Stalin,
sich in seiner Besatzungszone nach Belieben zu bedienen. Zum
wirtschaftlichen Schutz der Westzonen gab man ihm die sowjetische
Zone zur freien Verfügung. Auf "endgültige Regelungen"
zur Deutschlandfrage verzichtete das Potsdamer Protokoll. Die
wirtschaftliche Einheit Deutschlands war so zerbrochen und im Zuge
des Kalten Krieges, der bald nach der Potsdamer Konferenz in voller
Härte ausbrach, war auch die politische Einheit des Landes
keine realistische Option mehr. Die deutsche Teilung war damit
zementiert - zur Rettung der Einigkeit der Alliierten nach
außen hatte man die Einheit Deutschlands geopfert.
Susanne Kailitz ist Volontärin bei "Das Parlament".
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