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Marianne Wollenweber
Wege aus der Globalisierungsfalle
Wohlstand oder Gerechtigkeit?
Wohin führt die Globalisierung?
Während die einen sich Wohlstand für alle erhoffen, sehen
die anderen vor allem die negativen Folgen einer weltweiten
Ausbreitung der westlichen Wirtschafts- und Lebensweise, die kaum
noch zu stoppen ist. Eine Gruppe von Wissenschaftlern des
Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie hat nun den
weitgehend geglückten Versuch unternommen, die
ökologischen und sozialen Folgen der Globalisierung einmal
genauer unter die Lupe zu nehmen und Ideen für den Ausweg aus
der moralischen Krise zu formulieren.
In ihrem Report "Fair Future" gehen die
Wuppertaler Wissenschaftler davon aus, dass auf dem Wohlstands- und
Verbrauchsniveau der Industrienationen keine Gerechtigkeit in der
Welt herzustellen ist. Ihre Einschätzung: "Entweder bleibt die
Mehrheit der Welt vom Wohlstand ausgeschlossen oder das
Wohlstandsmodell wird so umgestaltet, dass alle daran teilnehmen
können, ohne den Planeten ungastlich zu machen."
Inzwischen seien auch die reichen Länder
des Nordens von den "Kollateralschäden der Globalisierung"
betroffen. Die Verwundbarkeit durch terroristische Anschläge
und die Ohnmacht angesichts der Grenzenlosigkeit von Kommunikation,
Arbeitsteilung und Denkweisen sei nicht mehr zu übersehen.
Bisher habe die Globalisierung fast durchgängig zu mehr
Ungleichheit und zu mehr Armut geführt - auch wenn in der
chinesischen Wachstumsgesellschaft einige Millionen Menschen nun am
Wohlstand teilnehmen könnten. Zudem beweise schon ein kurzer
Blick auf wichtige Ressourcen wie Wasser, Boden, Wälder und
Fischgründe, dass die Menschheit vor ein paar Jahrzehnten
angefangen habe, die Elastizität globaler Ökosysteme zu
überspannen, und Jahr für Jahr mehr Ressourcen
verbrauche, als die Natur erneuern könne.
Deshalb müssten die Schlüsselfragen
beantwortet werden, welche Globalisierung gerecht und
zukunftsfähig sei - nicht zuletzt, um im Jahr 2050 neun
Milliarden Menschen ernähren zu können. Die Wuppertaler
Wissenschaftler bringen den Begriff des begrenzten globalen
"Umweltraums" in die Diskussion, den sie schon in ihrer viel
beachteten Nachhaltigkeitsanalyse "Zukunftsfähiges
Deutschland" definiert haben. Sie weisen nach, dass es die "Triade
der Allesfresser" - Nordamerika, die EU und Japan - ist, die einen
enormen Anteil am Verbrauch natürlicher Ressourcen
beansprucht, die zu einem großen Teil aus den armen
Ländern des Südens stammen, ohne dort zur
Wirtschaftsentwicklung nennenswert beizutragen.
Dagegen sind die armen Länder gerade von
den ökologischen Folgen - Trinkwassermangel,
Klimaerwärmung - besonders betroffen. Zudem stellt eine neue
Klasse von wirtschaftlich erfolgreichen Aufsteigern aus den
Schwellenländern die ökologische Tragfähigkeit der
Erde vor neue Herausforderungen, da ihr Verbrauch an
Konsumgütern innerhalb von wenigen Jahren den Stand des
Westens erreichen wird. Ressourcenkonflikte um Öl,
Ackerflächen, Wasser und Patente auf die Artenvielfalt werden
zunehmen - auch dies meist zu Lasten der armen Länder des
Südens.
Wie können Leitbilder der
Ressourcengerechtigkeit aussehen und was ist
gerechtigkeitsfähiger Wohlstand, fragen die Wuppertaler
Wissenschaftler im weiteren Verlauf ihres spannenden Reports und
appellieren an die Verantwortung der Akteure in den internationalen
Beziehungen. Globalisierung dürfe keine Einbahnstraße
sein, sie mache verwundbarer, aber auch einflussreicher. Es gehe
nicht nur um die gerechte Verteilung von Ressourcen, sondern um ein
neues Weltbürgertum, das die Grundfähigkeiten moralischen
Handelns noch lernen müsse: Anerkennung der unterlegenen armen
Länder, Gerechtigkeit bei der Verteilung und die
Übernahme von Verantwortung für die rücksichtslose
Ausbeutung der heutigen Entwicklungsländer durch die Vorfahren
der Bewohner der westlichen Industrieländer. An zahlreichen
Beispielen lässt sich belegen, dass Chancengleichheit und
fairer Handel möglich sind, auch wenn sie heute auf dem
Weltmarkt noch die Ausnahme bilden.
Verträge für Fairness und
Ökologie
Das alles wird nicht reichen. Ein
"gerechtigkeitsfähiger" und umweltverträglicher Wohlstand
ist nach den Analysen der Wuppertaler nur über den
Rückbau des Ressourcenverbrauchs möglich. Der Süden
kann auf seinem Sprung nach vorne viele Fehler des Nordens
vermeiden - durch eine dezentrale Stromversorgung, eine
Mobilität, die nicht primär auf das Auto setzt und durch
regenerativen Landbau. Der Westen müsste ihm dazu allerdings
mit entsprechenden Finanzhilfen zur Seite stehen.
Zudem seien Verträge für Fairness
und Ökologie notwendig. Die Politik der internationalen
Regierungsorganisationen müsse elementare Existenzrechte,
freie Entwicklungsmöglichkeiten und Vorgaben für gerechte
Produktions- und Konsummuster in den Fokus ihres Handelns stellen.
Im 21. Jahrhundert darf die Welt nicht mehr den Stärkeren
gehören. Der Report sieht den Ausweg in einem
Weltbürgertum, das sich auch an den in Europas Geschichte
erkämpften Werten orientieren sollte.
"Fair Future" ist ein außerordentlich
faktenreiches Kompendium und eine glänzende Analyse der
Globalisierung, die Fluch und Segen zugleich bedeutet. Die von den
Autoren immer wieder angemahnte Moral wird nicht jedem gefallen,
doch die Fakten belegen eine beschämende Ungerechtigkeit der
Globalisierung; sie legen einen tiefen Schatten auf die
vermeintlichen Segnungen der freien Welt. Dem Report ist ein
breiter Einsatz in der politischen Bildung zu
wünschen.
Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt,
Energie (Hrsg.)
Fair Future. Begrenzte Ressourcen und
globale Gerechtigkeit. Ein Report.
Verlag C.H.Beck, München 2005; 278
S., 19,90 Euro
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