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Hans-Martin Schönherr-Mann
Der alles zerstörende Hass
André Glucksmann zu den Wurzeln des
Terrorismus
Im Angesicht des Terrors ringt man um Worte. So
geht es auch André Glucksmann in seinem neuen Buch. Findet er
auch welche? Glucksmann gibt auf die Frage, was Terrorismus
überhaupt sei, eine brauchbare Antwort: Terrorismus treiben
uniformierte oder nicht uniformierte Gruppen, wenn sie ohne
Vorwarnung und überraschend die Bevölkerung
angreifen.
Damit lässt sich sowohl der individuelle
wie der staatliche und militärische Terror erfassen. Um
letzteren kommt man ja genauso wenig herum, sei es der Terror gegen
die Bevölkerung im Krieg oder der Terror, den Staaten wie der
Irak Saddam Husseins gegen politische Gegner, Kurden und Schiiten,
anwenden.
Doch wie der Titel des Buches schon
verheißt, fragt Glucksmann nicht nach den Formen des Terrors,
sondern nach den Motiven. Nicht erst seit dem 11. September 2001
bewegt die Frage nach dem Warum die Gemüter. Die Antworten
fallen dabei meist selbstkritisch aus, man denke nur an jenes Buch
von Ted Honderich "Nach dem Terror", der uns alle, die wir nicht am
Existenzminimumm knabbern, für die Armut in der Welt als
treibendes Motiv jener Attentäter verantwortlich macht und
auch noch palästinensische Selbstmordattentate für
moralisch legitim hält.
So forschen denn in der Tat Soziologen,
Psychologen, Politologen und andere nach den diversen Motiven, die
der sozialen, kulturellen, religiösen Diskriminierung
entspringen. Sie hält Glucksmann durchweg für verfehlt
und bestenfalls für selbstquälerisch bei jenen, die mit
den Terroristen viel zu milde ins Gericht gehen. Dagegen entdeckt
er ein altes Gefühl, das schon in der Antike fleißig
beschrieben wird: Den unglaublichen Hass, der Menschen
überfallen kann und der sie zum Äußersten
treibt.
Dafür mögen die Menschen
Anlässe haben. Doch selbst tiefe Verletzungen stehen meist in
keinem Verhältnis zu dem, was diese Menschen dann aus Hass
anderen und natürlich auch sich selbst antun - man denke an
Medea, die zuerst aus Liebe zu Jason mordet, wie dieser sie aber
verlässt, nicht nur dessen neue Frau in Flammen aufgehen
lässt, sondern auch die eigenen beiden Kinder vor den Augen
von Jason langsam erwürgt und sich an dessen Schmerz
ergötzt. Insofern besitzt der Hass eine Eigendynamik, die ihn
dafür prädestiniert, schlicht durch andere Menschen
erregt zu werden, man denke auch an jene Hassprediger in fast allen
Kulturkreisen.
Im Grunde fordert Glucksmann daher einen
härteren Umgang mit dem Terror. In Schwierigkeiten kommt er
dabei jedoch bei seinem Lieblingsthema, dem Tschetschenienkrieg, in
dem Russland ja nun besondere Härte zeigt, die Glucksmann
schon lange scharf kritisiert. Hier diagnostiziert er denn auch,
dass sich der Hass gegenseitig immer weiter aufschaukelt und eine
Spirale der Eskalationen in Gang setzt, in der sich die Beteiligten
allmählich in auswegloser Lage befinden. Daher reiche die
Härte alleine nicht, sondern eher Gelassenheit angesichts des
Terrors. So vernünftig das klingt, so ist es doch keine
Antwort auf den Terror, sondern verwickelt sich im Problem, wo denn
die Gelassenheit aufhören und die Härte anfangen
muss.
Glucksmann bemüht sich um
unkonventionelle Perspektiven, wenn er beispielsweise Israel eher
verteidigt, vor allem aber das gesamte Palästinaproblem
für schlicht überbewertet deklariert. Auch die USA kommen
beim Thema Irakkrieg erheblich besser weg als die französische
Regierung, der er hier Blauäugigkeit vorwirft. Wenn er die
Diskriminierung der Frau im fundamentalistischen Islam mit der
Ilias vergleicht, in der Trojas Ältestenrat vorschlägt,
Helena ob ihrer Schönheit zu verhüllen und an die
Griechen auszuliefern, so holt auch ihn ein Moment
abendländischer Selbstkritik ein, wiewohl er hier den Finger
kräftig in die Wunde interkultureller Konflikte
presst.
Das Buch hat kein unsympathisches Anliegen,
vor allem wenn europäisches Schuldbewusstsein immer wieder
droht, in Sympathie für Terroristen und kulturelle
Diskriminierungen umzukippen. Am Ende bleibt es doch nur ein
Ausdruck von Fassungslosigkeit. Aber was sonst?
André Glucksmann
Hass. Die Rückkehr einer elementaren
Gewalt.
Nagel & Kimche, München/Wien
2005; 286 S., 19,- Euro
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