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Klaus Stiebert
Dresden hat die Frauenkirche wieder
Georg Bähr - der Schöpfer des
steinernen Kuppelwunders
Viele Text- und Bildbände sind in den letzten Jahren im
Zusammenhang mit dem erstaunlichen Wiederaufbau der Dresdner
Frauenkirche veröffentlicht worden. Die gelten vornehmlich dem
Bild der unzerstörten und neu entstehenden Kuppelkirche in der
sächsischen Residenz, - der wundervollen Stadt an der Elbe,
die am 13. Februar 1945 für immer in Trümmern sank.
Gepriesen seit ihrer Erbauung im ersten Drittel des 18.
Jahrhunderts, gemalt, besungen und immer erneut in Bildern
reproduziert, gab die Frauenkirche der Stadtsilhouette jenen
unverwechselbaren Ausdruck, der Johann Gottfried Herder bei ihrem
Anblick nach seiner italienischen Reise vom "deutschen Florenz"
sprechen ließ.
Bewohner und Besucher der Stadt trauerten nach Kriegsende mit
dem der Elbstadt zutiefst verbundenen Kunsthistoriker Fritz
Löffler (1899-1988) dem "Alten Dresden" nach. Dieser forderte
dort unbeirrbar in jeder Neuauflage seines Buches seit 1955: "Es
wird Aufgabe der Zukunft sein, das über der Stadt schwebende
Kuppelwunder, das als Wahrzeichen der Stadt des Barock die
Silhouette beherrschte, wiederherzustellen."
Nun steht die Einweihung nach reichlich zehn Jahren des
Wiederaufbaus unmittelbar bevor. In dieser Situation erscheint
Siegfried Gerlachs Blick auf George Bähr, den Erbauer der
Frauenkirche, gerade richtig. Der aus Sachsen stammende Verfasser
(geboren 1930) lehrte an den Pädagogischen Hochschulen in
Reutlingen und Ludwigsburg mit den Forschungsschwerpunkten Stadt-,
Wirtschafts- und Sozialgeografie. Sein Buch geht dem Leben und Werk
der "unbekannten Person Bähr" (1666-1738) nach, aber auch der
"Lebenswelt des augustinischen Sachsens" und verfolgt die
Entstehung der Frauenkirche bis zum Tode des Ratszimmermeisters und
der Vollendung des Monu-mentalbaus. Gerlach verknüpft die
Geschichte des Sakralbaus von der Grundsteinlegung am 26. August
1729 bis zur Fertigstellung am 24. November 1743 mit der
Lebensgeschichte Bährs und seiner Epoche.
Angesichts der spärlichen Zeugnisse über die Person
des Baumeisters aus dem kleinen Ort Fürstenwalde an der
sächsisch-böhmischen Grenze im Osterzgebirge ist die
Darstellung eines Lebensbildes kompliziert. Wahrscheinlich wuchs
der Sohn eines Zimmermeisters in der benachbarten Kleinstadt
Lauenstein auf und wählte den Beruf des Vaters - aufzubauen
gab es nach Krieg und Stadtbränden viel. Wann er nach Dresden
kam, ist ungewiss. 1705 wurde der 39-Jährige als
Ratszimmermeister vereidigt, ein "Zimmergeselle von Lauenstein". In
der Stadt mit etwa 25.000 Einwohnern belebte sich nach den Kriegen
des 17. Jahrhunderts das darniederliegende Bauwesen wieder. Den
Arbeiten am Schloss und Taschenberg mit Opern- und
Komödienhaus folgten mit dem Regierungsantritt Augusts des
Starken bald weitere prachtvolle Bauwerke.
Friedrich August I., seit 1694 Kurfürst (und seit 1697
König von Polen) verwandelte Dresden in eine glanzvolle,
barocke Residenz. Bähr arbeitete an vielen Bauwerken ganz oder
teilweise mit: An bürgerlichen Wohnhäusern,
Schlössern (Diesbar-Seußlitz, Hermsdorf), den Kirchen in
Schmiedeberg und Dresden-Loschwitz, an denen er den Zentralbau
erprobte; er wirkte an Um- und Neubauten mit in Forchheim (bei
Marienberg), Kesselsdorf, Hohnstein und Schmannewitz (im Band sind
diese Zeugnisse abgebildet).
Gerlach geht ausführlich auf den Wandel des
Lebensgefühls und der Kunstauffassung ein und zeigt, wie die
höfische Festkultur die Architektur der Residenzlandschaft
prägt. Die Veränderungen durch das
Repräsentationsverlangen des Fürstenhauses, die
Kunstsammelleidenschaft, das Musik- und Theaterleben finden ebenso
Berücksichtigung wie die Alltagskultur. Erst nach 1734 unter
Augusts Sohn und seines Günstlings, des Grafen Heinrich
Brühl, seit 1746 Premierminister, begann der politische und
wirtschaftliche Niedergang, der im Siebenjährigen Krieg zu
Sachsens Bedeutungslosigkeit führte.
Doch da war die barocke Residenz im Wesentlichen fertig:
Taschenbergpalais, Zwinger mit Redoutensaal und neuem Opernhaus,
Holländisches Palais, Jagdschloss Moritzburg, Schlossanlage
Pillnitz, Übigau, Großsedlitz, Chiaveris katholische
Hofkirche (erforderlich durch den Religionswechsel des
Fürstenhauses). Offenbar erwarb sich Bähr seit seiner
Bestellung zum Ratszimmermeister einen guten Ruf und viele
Auträge. So baute er sich das 1711 erworbene Haus "An der
Mauer 2"/Ecke Seestraße um und versah die schmucklose Fassade
mit Rokoko-Ornamenten.
Ein Gegenentwurf
Der Stadtrat beauftragte ihn 1722, Pläne für einen
Neubau der unzureichenden, baufällig gewordenen alten
Frauenkirche zu entwerfen. Es bleibt ein Rätsel, wie es ihm
gelang, Fähigkeiten für den Entwurf eines so imposanten
Baus zu erwerben, zumal er wahrscheinlich nie Kuppelanlagen
Italiens oder anderer europäischer Länder gesehen hat.
Zwar beauftragte der Generalintendant Graf von Wackerbarth 1725 den
Oberlandbaumeister Johann Christian Knöffler mit einem
Gegenentwurf, doch der Rat der Stadt setzte sich für
Bährs kühnen Entwurf ein.
Gerlach beschreibt genau Bauvorbereitungen und Baumaterialien,
Probleme und Arbeitsmittel, die Finanzierung sowie Baugeschehen und
Arbeitskräfte. Besonders geht es seit 1730 um die Frage, ob
die "Verfertigung der Kuppel von Stein anzurathen sey". Auch hier
setzte sich Bähr trotz großer Widerstände und
persönlicher Bedrängnisse durch. Zu seinem 70. Geburtstag
1736 war der Bau im Äußeren bis auf die krönende
Laterne vollendet. Kontroversen um Ausmalung, Altarbau, Orgel- und
Kanzeleinbau, Gestühl und anderes erschöpften seine
Kräfte. Am 28. Februar 1734 hatte der Superintendent der
Kreuzkirche, Valentin Ernst Löscher, erstmals in der Kirche
gepredigt. Bähr mag geahnt haben, die Vollendung nicht zu
erleben - am 16. März 1738 starb der Meister an "Stickfluss
und Verzehrung". Beigesetzt wurde er auf dem Johannisfriedhof vor
dem Pirnaischen Tore, 1854 umgebettet in die Katakomben seiner
Frauenkirche.
Noch fünf Jahre wurde weitergebaut, dann war der
mächtige, protestantische Kuppelbau vollendet. "Als Zeugnis
handwerklich-bürgerlicher Baukunst", wie Gerlach am Ende
seiner trefflichen Studie schreibt, "die der Stadt wie der
Flusslandschaft einen einzigartigen Akzent verleiht", verbunden mit
dem Namen Georg Bährs.
Siegfried Gerlach
George Bähr. Der Erbauer der Dresdner Frauenkirche. Ein
Zeitbild.
Böhlau Verlag, Köln/Weimar 2005; 236 S., 19,90
Euro
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