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Daniela Schröder
Beitrittskandidaten auf Beobachtungsposten
Rumänien und Bulgarien auf dem Weg nach
Brüssel
Rumänien und Bulgarien sind auf dem Weg
nach Brüssel schon fast beim Endspurt: Am 1. Januar 2007
sollen die NATO-Länder offiziell in die EU aufgenommen werden.
Aber es bleibt ein Termin mit Fragezeichen, denn bis dahin haben
sie noch einige Hausaufgaben zu erledigen: Reform der Justiz, Kampf
gegen Korruption, Umbau der Verwaltung und Eingliederung von
Minderheiten sind nur einige Punkte. Erfüllen die Länder
bestimmte Reformen nicht, kann der Termin auch um ein Jahr auf 2008
verschoben werden. Beobachter aus beiden Staaten haben aber
trotzdem schon einmal auf den Brüsseler Stühlen Probe
gesessen.
Noch planen sie "Verlaufzeit" ein. Zehn
Minuten mindestens. Wenn sich Kristian Vigenin und Ioan Pascu auf
den Weg zu Ausschusssitzungen oder Treffen ihrer Fraktion machen,
wünschen sie sich oft einen Suchhund. Oder wenigstens etwas
mehr Logik in der verwirrenden Struktur des Europaparlaments in
Brüssel. Denn ihren Spitznamen "Laune der Götter"
trägt die monströse Glas-Stahl-Konstruktion nicht zu
Unrecht. "Sich in diesen Gebäuden zu orientieren, ist alles
andere als einfach", sagt Pascu und lacht. "Die Architektur passt
gut - sie ist ein Labyrinth wie die EU selbst."
"Mission Beobachter" lautet die Aufgabe des
Rumänen Pascu und seines bulgarischen Kollegen Vigenin. Seit
Ende September diskutieren sie mit in den Sitzungen ihrer Fraktion
im Parlament, der Sozialistischen Gruppe. Außerdem nehmen die
beiden Politiker an den Debatten im Ausschuss für
Auswärtige Angelegenheiten und an den Plenartagungen teil. So
lernen sie die Arbeitsabläufe im Parlament kennen und bekommen
ein Gespür dafür, wie Europas Volksvertreter Politik
machen. Die Neuen im EP verfügen allerdings weder über
ein Stimmrecht, noch dürfen sie während der Plenarsitzung
das Wort ergreifen. "Wir sind hier, um zu beobachten und um
beobachtet zu werden", erklärt der 56-jährige
Politikprofessor Pascu das Ziel der Beobachter-Delegationen. Zudem
will er natürlich Zweifler in Entscheidungspositionen von der
Europatauglichkeit Rumäniens überzeugen, von dem es immer
wieder heißt, es sei nicht nur zu arm, sondern auch zu korrupt
und kriminell. "Vielleicht ist es Flitterwochen-Euphorie, die wir
gerade erleben", sagt Andrei Tarnea, Direktor des rumänischen
Informationszentrums in Brüssel. "Doch diese Beobachter sind
eine extrem engagierte Gruppe."
Schon während der jüngsten
Erweiterungsrunde hatte das Europaparlament die neuen Länder
eingeladen, Abgeordnete nach Brüssel zu entsenden. 35 so
genannte Beobachter hat Rumänien nun geschickt, 18 Delegierte
kommen aus Bulgarien. Alle arbeiten in ihren Heimatländern als
Parlamentarier. Ihre Zahl entspricht der Zahl der Abgeordneten, die
nach dem für den 1. Januar 2007 angepeilten Beitritt der
Länder im Europaparlament vertreten sein werden. "Eine
Eingewöhnungsphase braucht dann niemand mehr", beschreibt
Vigenin den Vorteil der Mission. "Die künftigen
Europaabgeordneten werden sofort loslegen können." Das genaue
Datum dieses "Sofort" bleibt jedoch noch abzuwarten. Die
Beobachter-Mission gilt zwar als nächster Schritt in der
Beitrittsrunde. Doch ob der angepeilte Aufnahmetermin 1. Januar
2007 gehalten werden kann, hängt von den Länderberichten
der Kommission ab. Für den 25. Oktober sind die nächsten
Beurteilungen der EU-Reformen in Bukarest und Sofia
angekündigt.
Rumäniens Minister für
europäische Integration wurde bereits mit den Worten zitiert,
der Bericht für sein Land sei "positiv, aber nicht 100 Prozent
positiv". Fällt das Urteil schlecht aus, müssen die
Länder ein weiteres Jahr auf grünes Licht aus
Brüssel warten.
Wegen des Schwebezustandes hatte sich die
Christdemokratische Fraktion vor der Sommerpause gegen den Start
der Beobachtermission ausgesprochen. Die große Mehrheit der
Parlamentsabgeordneten stimmte jedoch gegen eine Initiative, die
die Ankunft der Beobachter bereits von April auf September
herausgezögert hatte.
Politikprofessor Pascu, mit Nickelbrille und
ohne Krawatte Typ Alt-68er, ist auf europäischem
Politikparkett ein alter Hase: Von 2000 bis 2004 war er
Rumäniens Verteidigungsminister. "Was die Auswahlkriterien
für den Beobachter-Posten angeht, sind die Delegierten ein
bunt gemischter Haufen", sagt Tarnea. Ausschlaggebend für die
Auswahl der Kandidaten seien sowohl politische Erfahrung
möglichst auf internationaler Bühne als auch eine gute
Ausbildung und Sprachkenntnisse gewesen. Während der Woche in
Brüssel und Straßburg reisen die Beobachter freitags in
ihre Heimatwahlkreise. "Es ist nicht einfach, das Gleichgewicht
zwischen den Aufgaben als Parlamentarier auf nationaler Ebene und
auf EU-Ebene zu halten", findet Pascu. Die politische Agenda in
Bukarest und Sofia ist voll gepackt, da fehlen die EU-Delegierten
an allen Ecken und Enden, sagt Andrei Tarnea, Leiter des
rumänischen Informationszentrums in Brüssel. Schwierig
sei die Balance zudem, weil die Menschen in den Heimat-Wahlkreisen
derzeit andere Probleme hätten als die, mit denen sich
Brüssel plagt. "Unsere Debatten zu Hause sind keine
Europa-Debatten", urteilt auch Vigenin. Zunächst gelte es,
grundlegende Reformen wie eine neue Gesetzgebung umzusetzen, bevor
sich Rumänen und Bulgaren über Themen wie
europäische Verfassung, EU-Haushaltsplan und die
Vollmitgliedschaft der Türkei den Kopf zerbrechen
könnten. "Es braucht Zeit, um nationale Politik und EU-Politik
in Einklang zu bringen, und es braucht Zeit, die Menschen darauf
vorzubereiten, dass sie bald EU-Bürger sind", sagt Pascu.
Vigenin und Pascu sind zufrieden mit ihren bisher im EU-Labyrinth
gesammelten Erfahrungen als Lobbyisten ihrer Länder. "Wir sind
Vermittler zwischen dem, wie die Dinge in Brüssel und wie sie
zu Hause bewertet werden", sagt Pascu. Die Beobachter-Mission soll
beiden Seiten Orientierungshilfe geben. Eine Vorlaufzeit werden die
53 angehenden Europaabgeordneten bei Arbeitsantritt nicht mehr
brauchen. Von Suchhunden ganz zu schweigen.
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