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Peter W. Schröder
Der Kampf von Gut und Böse in Amerikas
Heldenzirkus
Virtuos: Die USA inszenieren ihre Stars - nicht
nur auf der Leinwand
US-Präsident George W. Bush hat es - in der
für ihn so typischen Bescheidenheit - selbst gesagt: "Wir sind
ein Volk der Helden." Denn wer so Schlimmes durchgemacht hat wie
die Amerikaner - nach den Terroranschlägen des 11. September
2001 - ist zwangsläufig ein Held. Um einer der "Heroes" zu
sein, muss man in US-Amerika eben nicht unbedingt etwas
Heldenhaftes vollbringen. Einfach nur da sein, reicht schon. Dieser
inflationäre Heldenbegriff in den USA ist landestypisch und so
wie dort wird ihm nirgendwo anders auf der Welt gefrönt. Man
muss nur das amerikanische Fernsehen anschalten und man bekommt
laufend neue Helden präsentiert.
Sensations-Talker Maury Povich hat der Nation
in seiner gleichnamigen Nachmittags-TV-Sendung innerhalb von 30
Minuten Sendezeit - minus elf Minuten für Werbung - schon
viele Helden vorgestellt, die in anderen Ländern als alles
Mögliche durchgehen würden, nur nicht unbedingt als
Helden: Da war einmal der 60-jährige Feuerwehrmann, der weiter
löschen und partout nicht in Rente gehen will. Dann die
Volksschuldirektorin, die trotz gewalttätiger Schüler
nicht mit Schusswaffe zur Arbeit geht. Etwas später trat ein
Fastfood-Freund auf, der eines Tages fünf Zentner
Lebendgewicht auf die Waage brachte und sich innerhalb weniger
Monate gewichtsmäßig halbierte. Beim Kontrollwiegen vor
der Kamera tobte der Sendesaal vor Begeisterung.
Den Star-Helden einer Veranstaltung gab
schließlich ein massiv vorbestrafter ehemals
drogenabhängiger Schläger, Räuber und Einbrecher ab,
der "seit einem ganzen Jahr clean" ist und künftig als
Laienprediger vor seinesgleichen warnen will. "Ein wahrer Held",
verkündete Meister Povich, woraus man schließen kann,
dass eine moralisch verwerfliche Existenz die vorbedingende
Garantie für die Erhebung in den Helden-Stand ist.
Weil die Sendezeit nicht mehr reichte, musste
der noch eingeplante nächste Held in der Kulisse bleiben: Ein
gerade vom Irak-Einsatz zurückgekommener Unteroffizier, der
etwas von den Militärbemühungen beim Wiederaufbau eines
zerbombten Kinderkrankenhauses in Bagdad erzählen wollte.
"Diese Heldentaten werden viel zu selten gewürdigt", teilte
der Heldenpräsentator verbal Fahnen-schwingend mit und widmete
seine Sendung noch schnell "allen unseren Männern in Uniform,
die wahre Helden sind".
Das alles eignet sich nicht unbedingt zum
Naserümpfen in deutschen Landen, wo die Heldenetikettierung in
etlichen Fällen reichlich spät zurückgenommen wurde
und in einem anderen Fall nicht ganz der Lexikon-Interpretation
entspricht. Im ersten Fall waren es die "Helden" in jener Zeit der
deutschen Geschichte, die der Welt besser erspart geblieben
wären. Im Zuge der deutschen Neuordnung des Helden-Begriffs
wurden die entsprechenden Helden-Denkmäler geschleift und nach
dem Sprachgebrauch eines deutschen Regierenden Bürgermeisters
ist "das auch gut so".
Im zweiten Fall erinnern wir uns kurz an die
Fußballtreter, die wir im nationalen Freudenüberschwang
1954 zu den "Helden von Bern" beförderten. Über die
Kicker-Helden wurde sogar ein sehenswerter deutscher Film gedreht
("Das Wunder von Bern"), denn nichts eignet sich zur Verfestigung
des Heldenbegriffs und des individuellen Heldentums besser als ein
an Emotionen zerrendes Lichtspiel. Schwenk zu den
Hollywood-Amerikanern, denen man eines lassen muss: So virtuos und
auch nachhaltig überzeugend wie sie schafft die
Heldenproduktion sonst niemand.
Das fing ja schon früh bei den fürs
Kino und später auch fürs Fernsehen produzierten und in
aller Welt eifrigst konsumierten Cowboy-Filmen mit der
Unterabteilung Wildwest an. Beim endlos variierten Zweikampf
zwischen Gut und Böse, zwischen "Hero" und "Villain", sind die
Kontrahenten zur besseren Unterscheidung bekanntlich genau
etikettiert: Die "Guten" laufen in hellen Hüten herum, die
"Bösen" in dunklen. Die gelegentlich auftauchenden "Indianer"
haben keine Hüte auf dem Kopf, sondern allenfalls Federn im
dunklen Haar. Aber bei denen weiß ja jeder von Anfang an, dass
sie skalpierende und auch sonst viele Grausamkeiten begehende
"Böse" sind. Ja, es gibt die Regel bestätigende seltene
Ausnahmen.
Jeder Cowboy-, Wildwest- und
Indianer-Film-Fan weiß, dass die als bemerkenswert
vorgeführten Taten von "Heroes" und "Villains" in aller Regel
darin bestehen, den jeweiligen Widerpart ratzfatz vom Leben zum Tod
befördern. Das ist per Definition nicht nett und erst recht
nicht heldenhaft. Aber das moralische Dilemma wird mit dem
Kunstgriff der Notwehr gelöst. Der "Gute" muss den
"Bösen" nur dazu reizen, mit der Hand nach seiner Waffe zu
zucken und ihn dann schneller erschießen, als er es kann.
Peng, und schon wieder eine Heldentat. Und da behaupte noch jemand,
dass "Präventivkriege" die Erfindung moderner Politiker
seien.
Ein Großteil der Film-Bösen ist
auch erkennbar "unamerikanisch", was vielleicht zum Umkehrschluss
des prinzipiell "guten" Amerikaners führen soll. Das wäre
eine längere Betrachtung darüber wert, ob vielleicht auch
Amerikas Ureinwohner filmisch ausgegrenzt und ausgebürgert
werden sollen. Zum Glück fehlt dazu an dieser Stelle der
Platz. Denn sonst müsste auch noch eine Begründung
dafür gesucht werden, warum so viele "Villains" im US-Film
eine schwarze Hautfarbe haben. Aber nachdenklich macht schon, dass
die vielen Film-Bösen mit dem dunklen Teint, den
südamerikanischen, asiatischen und auch den arabischen
Gesichtszügen nicht dem demografischen US-Durchschnitt
entsprechen.
Und wenn Film-Böse schon mal so
aussehen, wie "gute" Amerikaner, ist oft an ihrer Sprache zu
erkennen, dass sie es nicht sind. Schnarrende Stimmen und
"Sauerkraut"-Akzent signalisieren sofort, dass hier ein Schlimmes
im Schilde führender oder ebensolches schon auf dem Kerbholz
habender Nazi daherkommt. Akzentfrei Englisch sprechende Germanen
kommen ganz, ganz selten vor. Und wenn schon, dann fällt den
fließend Englisch sprechenden und beim Aushecken von
Missetaten klassische Musik hörenden Deutschen reihenweise das
Monokel aus dem Gesicht.
Das renommierte American Film Institute hat
zu seinem 100-jährigen Bestehen vor zwei Jahren eine Liste mit
den 100 "größten" Helden und Bösewichtern im US-Film
zusammengestellt. Da erscheint "Terminator" Arnold Schwarzenegger,
der amtierende Gouverneur Kaliforniens, prominent auf beiden
Listen. Womit ausreichend klar gemacht ist, dass nicht die
jeweiligen Darsteller heldenhaft oder böse sind, sondern die
jeweilige Figur, die sie porträtieren.
Amerikanische Film-Helden sind im wirklichen
Leben prominent - und ausweislich der von Polizeidienststellen bei
Festnahmen und Verhaftungen angefertigten erkennungsdienstlichen
Aufnahmen taugen sie bedauerlich jedoch oft nicht als heldenhafte
Vorbilder. Reihenweise mussten sich Hollywood-Helden vor Gerichten
schon für Ladendiebstähle, Einbruch, Vergewaltigungen,
Drogenvergehen, sowie Mord und Totschlag verantworten. O. J.
Simpson und "Baretta"-Serienstar Robert Blake gehören zu den
prominenteren ("im Zweifel für den Angeklagten"
freigesprochenen) Helden-Mimen.
Die Film-Instituts-Liste belegt, dass den
Hollywood-Produkten zufolge so ziemlich jedes Verhalten und
Vorgehen zum Helden-Prädikat führen kann. Beim gegen
Rassismus kämpfenden "Atticus Finch" in "To Kill a
Mockingbird" (Nummer1), bei "Oscar Schindler" in "Schindlers Liste"
(Nummer 13), "Mahatma Gandhi" in "Gandhi" (Nummer 21), bei dem von
Humphrey Bogart dargestellten "Rick Blane" in "Casablanca" (Nummer
4), und der Pro-Gewerkschafts-Heroine Norma Ray Webster in "Norma
Ray" (Nummer 15) ist die Helden-Sache klar. Da sind Menschen
über sich hinausgewachsen, wenn auch nicht alles in ihrem
jeweiligen Leben ohne Fehl und Tadel war.
Aber was "James Bond" in "Dr. No" (Nummer 3),
"Rocky Balboa" in "Rocky" (Nummer 7), "T.E. Lawrence" in "Laurence
of Arabia" (Nummer 10), "Harry Callahan" in "Dirty Harry" (Nummer
17), und "General Maximus Decimus Neridus" in "Gladiator" (Nummer
50) nun zu Helden machte, ist angesichts der vielen Leichen auf
ihrem Lebensweg, von den vielen Knochenbrüche und anderen
Gesundheitsbeschädigungen ganz abgesehen, nicht so leicht zu
erkennen. Es scheint, dass aktive Lebensverkürzung viel
schneller zur filmisch verklärten Heldenbestimmung führt
als aktives Streben zur Lebensverlängerung. Aber auch anderswo
gibt es ja mehr Denkmäler für Kriegshelden als für
Kriegsdienstverweigerer.
Filmischer Heldenstatus wird auch
Comic-Figuren zugesprochen. Und so sind "Superman" im gleichnamigen
Streifen (Nummer 26), "Zorro" in "The Mark of Zorro" (Nummer 45),
und "Tarzan" in "Tarzan the Ape Man" (Nummer 34) auf die
Allzeit-Heldenliste des Filminstituts gekommen. Schwanzwedeln und
nichtaufrechter Gang sind ebenfalls kein Grund zum Versagen des
Heldenstatus: "Lassie" in "Lassie Come Home" ist auf der Liste
unter Nummer 39 registriert.
Und was sagt uns das alles? Dass
Präsident George W. Bush Recht hat. Alle sind Helden im Volk
der Amerikaner. Na ja, vielleicht nicht alle. Schließlich hat
das Amerikanische Film Institut ja auch eine Liste mit den 50
schlimmsten Bösewichtern aufgestellt. Und ein paar, wie die
straffällig gewordenen US-Militärpolizisten im irakischen
Abu Ghraib-Gefängnis, sind da noch gar nicht vermerkt. Aber
vielleicht kommt das ja noch. Hoffentlich auf die eine und nicht
auf die andere Liste.
Peter W. Schroeder ist Korrespondent in Washington und schreibt
für verschiedene deutsche Zeitungen.
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