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Geneviève Hesse
Weniger Sahne zum Kuchen, weniger wie ein Bonbon
verpackt
Filmemacherinnen und der "Frauenfilm"
Geht eine Filmemacherin per se mit sozialpolitischen Themen
anders um, weil sie eine Frau ist? Die Frage löst Unbehagen in
der Filmszene aus, da fast jede Regisseurin sich vor der Schublade
"Frauenfilm" fürchtet. Dennoch spiegeln die meisten Filme von
Frauen heute noch die gesellschaftliche Realität eher durch
feine psychologische Nuancen als durch Action-Szenen wider.
"Die Frage, ob eine Frau anders als ein Mann filmt, ist genauso
historisch geworden wie die Frage nach einer weiblichen
Ästhetik. Es ist ein Thema der 70er-Jahre", erklärt
Birgit Kohler, eine der drei Leiterinnen des Kinos Arsenal am
Potsdamer Platz in Berlin. "Seitdem wurde der Begriff Frauenfilm
aus guten Gründen verabschiedet und es gab eine Verschiebung
hin zu Gender-Fragen. Ohne eine starke Frauenbewegung im
Rücken agiert Feminismus heute individueller", sagt sie. Zwar
hätten sich damalige Wissenschaftlerinnen gefragt, ob
Regisseurinnen mehr taktil mit den Gegenständen oder anders
mit den Farben umgehen würden - doch ohne interessante
Ergebnisse.
Das weibliche Auge als Besonderheit - eine Sack-gasse in der
heutigen Filmwelt? Tatsächlich legen die meisten
Filmemacherinnen heute keinen Wert darauf, ihre Differenz zu
betonen, sondern in erster Linie ihr Recht auf die Hälfte der
Fördermittel für Filme. Dies war allerdings schon eine
Forderung der feministischen Regisseurinnen in den 70er-Jahren.
Die Kamerafrau Sophie Maintigneux, Vorstandsvorsitzende des 1979
gegründeten Verbandes der Filmemacherinnen, sammelt
Statistiken über die Vergabe von Geldern an Frauen durch die
Bundes- und Landesfilmförderungsanstalten. Lediglich 28
Prozent der Zahl der geförderten Projekte gingen 2004 an
Frauen. Der Anteil der Fördersummen für Regisseurinnen
bestätigt, dass sie im Durchschnitt viel kleinere Budgets als
Männer erhalten: 16 Prozent im selben Jahr.
Sind Fördergremien also frauenfeindlich? Nicht ganz. Die
ungleichen Zahlen sind zum größten Teil darauf
zurückzuführen, dass Frauen nicht so viele Projekte wie
Männer einreichen. Die Benachteiligung finde früher
statt, in den Produktionsfirmen, meint Maintigneux. Dort herrsche
noch oft die Vorstellung, eine Frau könne die anstrengende
Machtposition der Regie nicht so gut wie ein Mann übernehmen.
Auch Drehbücher von Frauen haben weniger Chancen. "Es liegt
daran, dass Frauen ihre Geschichten weniger wie ein Bonbon
verpacken. Als hätte der Kuchen weniger Sahne", beschreibt
Maintigneux das Besondere an Drehbüchern von Frauen.
Also doch anders als Männer? "Sicher guckt eine Regisseurin
anders auf die Welt als ein Mann", behauptet die Filmprofessorin
Annette Brauerhoch. "Aber das liegt an ihrer Sozialisierung - nicht
an ihrer Biologie." Es gebe eine durch Frauenerfahrungen
geprägte Ästhetik, sagt Brauerhoch. "Vielleicht nehme ich
zum Beispiel die Struktur der Tischdecke anders wahr, weil ich
dauernd meiner Mutter helfen musste." Einen Film wie "Beau Travail"
(1999) von Claire Denis hätte "kein Mann gemacht", meint die
Professorin: "Fremdenlegionäre werden bei weiblichen
Tätigkeiten wie Bügeln und Kochen gezeigt. Ihr
geschundener Körper gehört dem Staat, sie haben keine
Verfügung darüber - eine Erfahrung, die viele Frauen
kennen. Diese weibliche Wahrnehmung fehlt in Filmen von
Männern."
Die Neigung von Regisseurinnen, politische Ereignisse durch die
Lupe des Psychologischen zu schildern, sieht die
Filmwissenschaftlerin Judith Keilbach als problematisch an: "Es
besteht die Gefahr, komplizierte Strukturen zu vereinfachen.
Inwieweit ist es noch möglich, das Politische hinter dem
Privaten zu dekodieren?" Dennoch erwähnt sie zwei
autobiografische Filme von Frauen, die ihrer Meinung nach diese
Gefahr umschifft haben. In "Danach hätte es schön sein
müssen" (2000) recherchiert die Regisseurin Karin Jurschick
über den Selbstmord ihrer Mutter. Sichtbar wird vieles
über die Situation von Ehefrauen in den 40er-Jahren. Mit der
eigenen, halbjüdischen Mutter beschäftigt sich auch
Angelika Levi in ihrem Film "Mein Leben Teil 2" (2003). Über
das Autobiografische hinaus geht es hier um die Heimatlosigkeit
verfolgter Juden.
"Explizit politische Themen werden seltener verhandelt. Das
Politische wird durch den Blick auf das Private gefiltert, was
nicht heißen soll, dass Filme von Frauen weniger politisch
sind", stellt die Filmwissenschaftlerin Kerstin Herlt vom Deutschen
Filminstitut in Frankfurt (DIF) bei ihrer Recherche über
deutsche Regisseurinnen fest.
Die überwiegende Zahl der Regisseurinnen legt heute den
Schwerpunkt auf die feine Ausarbeitung der Charaktere ihrer Figuren
und lenkt den Blick auf Schicksale von Frauen. Das bestätigt
Silke Johanna Räbiger, Direktorin des Frauenfilmfestivals
"femme totale": "Natürlich drehen Kathryn Bigelow oder Ann Hui
Action-Filme - es sind aber Ausnahmen. Die gibt es genauso auf der
Seite von Männern". Agitatorische Filme von Frauen mit
direkten, politischen Themen wie in den 70er-Jahre seien eher
verschwunden, weil sie keine Entsprechung mehr in der Gesellschaft
finden und daher nicht gut ankommen würden.
Auch die junge Regisseurin Catharina Deus möchte mit dem
Begriff "Frauenfilm" nichts am Hut haben. Diesem mehrdeutigen Wort
hafte entweder das Tränenreiche aus speziell für Frauen
gedrehten Hollywood-Filmen oder das Kämpferische der
Frauenbewegung an. An dem ersten Film von Deus, "Die Boxerin"
(2005), hätten zwar eine Produzentin, eine Kamerafrau, eine
Drehbuchautorin, eine Cutterin und eine Komponistin gearbeitet -
das bedeute aber nicht, dass sie etwas gegen männliche
Kollegen hätte. Oft habe sie gehört, die Boxerin sei
besonders berührend. "Ich will aber nicht darauf reduziert
werden. Darauf wurden Frauen seit Jahrhunderten festgelegt und es
entsteht der Umkehrschluss, wir könnten nichts anderes machen.
Vielleicht möchte ich nächstes Mal einen Thriller
drehen", sagt Deus.
Also doch lieber Flexibilität als Differenz.
Geneviève Hesse arbeitet als freie Journalistin in Berlin.
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