|
![](../../../layout_images/leer.gif) |
Peter W. Schroeder
Marines müssen nicht müssen
Wie das Pentagon amerikanische Filme
manipuliert
Die Studiobosse in Hollywood, Produzenten und
Star-Regisseure nennen es "das kleine schmutzige Geheimnis der
Filmindustrie". Dabei ist es ein riesengroßes: Die
US-Militärs und der Geheimdienst CIA zensieren en gros
amerikanische Spielfilme und Dokumentationen. Sie verfälschen
historische Wahrheiten und reduzieren Unterhaltung für das
nichts ahnende Publikum zur glänzend gemachten
Regierungspropaganda. Alles für einen guten Zweck, versteht
sich: "Die Filme sollen Werbung für die Rekrutierung neuer
Soldaten sein", heißt es in einem Pentagon-Memorandum
unumwunden.
Die so oft als links, liberal und
unpatriotisch gescholtene Hollywood-Gemeinde lässt sich von
Militärs und Geheimdienstlern bereitwillig ins Handwerk
pfuschen, und das geht dann so: Regisseur X will einen Film drehen,
bei dem er Militär-Komparsen, Flugzeugträger, U-Boote,
Kampfjets, Hubschrauber, Panzer und Kanonen braucht. Das kostet
natürlich viel Geld und die Militärs machen gern den
Retter in der Not: Sie geben den Filme-Machern alles, was sie
brauchen. Völlig kostenlos, aber unter einer kleinen
Bedingung: Militär und Staat müssen in positivem Licht
erscheinen und Horden von jungen Leuten in die Anwerbebüros
treiben. Das militärische Personalproblem ist gegenwärtig
ja auch so drängend wie seit dem Vietnam-Krieg nicht mehr -
durch die aus dem fernen Irak kommenden unzensierten Fernsehbilder
vom amerikanischen Soldaten-Sterben hat die Attraktivität des
Soldaten-Berufs mächtig gelitten.
Schon 1948 hatte das Pentagon in Hollywood
ein seit Jahren von Philip Strub geleitetes "Verbindungsbüro
zur Filmindustrie" eingerichtet. Das erhält jedes Jahr mehr
als 100 Spielfilm-Drehbücher von Studios mit der Bitte um
militärischen Beistand. "Wenn wir mit dem Inhalt der Filme
einverstanden sind", sagt ein Strub-Helfer, "kriegen sie von uns
alles, was auf ihrem Wunschzettel steht. Und wenn nicht,
müssen sie ohne uns zurechtkommen." Hollywood-Insider David
Robb, ein Redakteur des Filmblattes "Daily Variety", der über
"die schmutzigen Militärfinger in unseren Filmen" das Buch
"Operation Hollywood" schrieb, kann darüber nur lachen: "Wenn
das alles wäre, brauchten wir uns keine großen Sorgen zu
machen." Tatsächlich setzten die Militärs die Studios
unter Druck: "Die machen ihnen klar: Als Gegenleistung für
unsere Hilfe habt ihr zu filmen, was wir wollen."
Dazu müssen die Studios die jeweiligen
Drehbücher in fünffacher Ausfertigung beim
Hollywood-Aufpasser des Verteidigungsministeriums abliefern. Je ein
Exemplar geht an die Führungen von Luftwaffe, Heer, Marine,
die Küstenwache und die Eliteeinheit der "Marines". Deren
Experten machen dann "Vorschläge" für Änderungen am
Film-Skript. Gestrichen werden alle Szenen mit fluchenden,
rassistischen, mangelnden Mut zeigenden oder gar "verlierenden"
US-Soldaten. Ein militärisches "Nein, danke" lösen auch
Szenen mit Drogenmissbrauch von Soldaten aus. Als
Image-schädlich werden zudem zwischenmenschliche Beziehungen
bei Bordellbesuchen eliminiert. "US-Soldaten im Film müssen
edel, hilfreich und gut sein", weiß Autor Robb.
Deshalb betätigen sich die Militärs
als Drehbuch-Umschreiber. Sie machen aus uniformierten
Bösewichtern selbstlose Ritter, dichten historisch belegte
militärische Niederlagen in grandiose Siege um, erfinden
Großtaten und verlegen Orte von Handlungen in andere Zeiten
und Weltgegenden. Wohl wissend, dass sie bei Nichterfüllung
der militärischen "Anregungen" keine Hilfe bekommen, knicken
die Filmbosse in der Regel sehr schnell ein. Manche nicht ganz so
schnell und gründlich wie Regisseur Cy Roth, der 1953 einen
Rassismus beleuchtenden Film über einen jüdischen und
einen schwarzen Piloten auf einem US-Flugzeugträger
während des Zweiten Weltkrieges drehen wollte. "Intoleranz hat
es beim US-Militär nie gegeben", bekam Roth von den
Filmoffizieren zu hören und sie empfahlen ihm dringend, einen
in den 50er-Jahren spielenden "modernen" Film mit den neuesten
Düsenjägern der US-Luftwaffe zu drehen, für die
dringend Pilotennachwuchs gesucht wurde.
Das ihm von den Militärs geschickte
"revidierte Drehbuch" lehnte der Regisseur entrüstet ab und
beschwerte sich beim General gewesenen Präsidenten Dwight
Eisenhower. Am Tag darauf bekam Roth Besuch von FBI-Agenten, die
herausfinden wollten, ob er vielleicht Kommunist oder irgendwie
sonst die nationale Sicherheit gefährdend sei. Keine 24
Stunden später begann der Regisseur mit dem Drehen von "Air
Strike": Aus dem Juden und dem Afroamerikaner waren
wunschgemäß blonde Recken geworden, die ihren Spaß
mit Düsenjägern hatten und die ihr ideales Heimatland
nicht vor Stukas und Nazis schützten, sondern vor der "roten
Gefahr".
Im Drehbuch für den James-Bond-Film
"Golden Eye" missfiel den Militärzensoren, dass ein US-Admiral
als Verräter von Geheimnissen dargestellt werden sollte. Auf
Wunsch des Pentagon wurde aus dem Amerikaner flugs ein Franzose. In
"Top Gun" sollte Luftwaffen-As Tom Cruise ein Liebesverhältnis
mit einer von Kelly McGillis dargestellten Unteroffizierin haben,
was natürlich gegen den militärischen Ehrenkodex
verstieß. Nach der amtlichen Aufforderung, "die Sauerei fliegt
raus" machte der Regisseur aus der Dame schnell eine
Zivilangestellte.
Beim Film "Tuskegee Airman", der Geschichte
eines Regiments der ersten schwarzen US-Piloten im Zweiten
Weltkrieg, verlangten die Militärs die Ehrenrettung des damals
kommandierenden Generals Stevenson. Wie historisch belegt, sollte
er im Film als unverbesserlicher Rassist dargestellt werden, der
nur mit Mühe von einem einsichtigeren Senator aus Washington
"auf Vordermann" gebracht werden kann. Auf "Anraten" des Pentagon
wurde aus dem Schwarzen hassenden General ein Leuchtfeuer der
frühen Bürgerrechtsbewegung und aus dem Senator ein
dumpfbackiger Rassist.
Zumindest einmal unterlief den
militärischen Imagepflegern ein peinliches Versehen: Beim
geplanten Streifen des Filmsenders HBO über die Erbeutung
einer "Enigma"-Chiffriermaschine aus einem deutschen U-Boot im
Kriegsjahr 1940 durch die Besatzung eines britischen
Zerstörer, wollten die US-Filmoffiziere die militärische
Großtat amerikanischen Soldaten zugeschrieben haben. Und weil
die Produzenten auf die U-Boote und Kriegschiffe des Pentagon nicht
verzichten konnten, schrieben sie buchstäblich die Geschichte
um. Erst als sich hinterher die halbe Welt darüber lustig
machte, fiel den Zensoren auf, dass die Vereinigten Staaten ja erst
1941 in den Krieg eingetreten waren.
Gelegentlich kommt es jedoch vor, dass sich
Studios und Regisseure nicht unter Druck setzen lassen und lieber
auf Unterstützung verzichten, als sich den Wünschen des
Pentagon zu beugen. Im Film "G.I. Jane" mit Demi Moore stießen
sich die uniformierten Film-Beeinflusser beispielsweise daran, dass
die dargestellten Navy-Soldaten fluchen und zotige Witze
reißen. Entfernt haben wollten sie auch die Szene eines mit
der Kameradin in einem Schützengraben hockenden Offiziers mit
Blasendrang, der wegen des zwangsläufig zuschauenden
weiblichen Wesens nicht "kann". "Raus damit", verlangte
Marine-Kommandant Gary Shrout, denn: "In Gegenwart einer Dame
müssen US-Soldaten nicht müssen." Worauf Produzent und
Regisseur dankend auf Militärhilfe verzichteten.
Bei mehr als 70 Prozent aller eingereichten
Drehbücher lehnen die Militärs von Anfang an jede Hilfe
ab, weil die geplanten Filme entweder "keinen militärischen
Werbewert" haben oder das US-Militär angeblich "in einem
ungünstigen Licht darstellen". Zu den prominenten
Ablehnungsopfern gehört "Forrest Gump" mit Tom Hanks in der
Hauptrolle. "Unannehmbar" war für die Zensoren, dass der Held
des Films nur über eine "beschränkte Intelligenz"
verfügte. Und dass der Film-Forrest dem amerikanischen
Präsidenten eine Gesäßnarbe zeigte, stuften sie als
"schockierend" ein: "Dass jemand unserem Oberkommandieren den
nackten Hintern zeigt, werden wir nicht
unterstützen."
Selbst bei Kinder- und Jugendsendungen im
Fernsehen rückt das Filmbüro des Pentagon das
Militär in ein gutes Licht. Die Produzenten der "Mickey Mouse
Club"-Serie wollten auf einem Flugzeugträger drehen, doch die
Propaganda-Experten hatten eine andere Idee: Sie verfrachteten eine
Kindergruppe auf ein Nuklear-Unterseeboot. "Damit wollen wir
dokumentieren, wie harmlos und völlig ungefährlich diese
Technik ist", hielten sie schriftlich fest. Die Dreharbeiten
für die Fernseh-Serie "Lassie" stoppten sie. In der
betreffenden Folge entdeckt der gute Hund ein abgestürztes
Militärflugzeug. "Zu traumatisch und unsere Flugzeuge fallen
nicht vom Himmel", verfügten die Militärs.
Als eine der Bedingungen für die
Militärhilfe müssen die Filmemacher die Anwesenheit
"militärischer Berater" bei den Dreharbeiten akzeptieren (und
als solche werden sie später auch im Abspann der Filme
bezeichnet). Aber in Wahrheit sind sie weniger Berater als
Aufpasser. "Wenn sich die Film-Leute nicht an unsere
Änderungswünsche halten", erklärte der bei etlichen
Filmen als Berater eingesetzte Major David Georgi, "nehme ich denen
meine Spielzeuge weg und gehe nach Hause."
Vertraglich müssen sich die Studios auch
verpflichten, die fertiggestellten Filme vor dem Kinostart dem
Pentagon für ein "Pre-Screening" zur Verfügung zu
stellen. Bei diesen Kontrollen äußern die Militärs
oft noch Änderungswünsche, die von den Film-Bossen in der
Regel auch schnell erfüllt werden. Verhindern können die
Militärs die Veröffentlichung eines unliebsamen Films
nicht. "Aber wer beim nächsten Film wieder Hilfe von denen
haben will", weiß Hollywood-Autor Robb, "der knickt ganz
schnell ein."
Einer der wenigen Nicht-Einknicker ist Clint
Eastwood. Er weigerte sich, nach dem "Pre-Screening" seines Films
"Heartbreak Ridge" eine Szene zu entfernen, in der ein US-Soldat
einen verwundeten Gegner erschießt. Denn das seien
"Grausamkeiten, zu denen unsere Leute nicht fähig sind".
Hinterher wunderte sich der starke Mann in Hollywood nicht, dass
sein Film in den Kinos auf den US-Militärbasen im In- und
Ausland nicht gezeigt wurde.
Hollywood-Insider geben zu, dass sich das
Gewerbe "von den Militärs für Propaganda und
Schönfärberei" missbrauchen lässt. Hinzu komme auch
noch eine beklagenswerte Selbstzensur: "Viele Drehbücher, bei
deren Verwirklichung die Hilfe der Militärs notwendig ist,
werden doch schon so geschrieben, dass sie bei den Zensoren keinen
Anstoß erregen." Aber beim "schmutzigen Geschäft"
mitzumachen, sei eine Notwendigkeit: "Die großzügige
Hilfe der Militärs spart den Studios Millionen und ohne Hilfe
könnten viele Projekte gar nicht verwirklicht
werden."
Gleichzeitig zeichnet sich aber schon das
Ende der Pentagon-Einmischung in das Filmgewerbe ab. "Ich weiß
nicht, wie lange wir den Job noch machen können", sagt
Pentagon-Verbindungsmann Strub. "Die Digitalisierung in der
Filmindustrie macht gewaltige Fortschritte. Die Studios simulieren
die Flugzeugträger, U-Boote und Kampfjets selbst am Computer
und müssen uns immer seltener um kostenlose Leihgaben bitten."
Und wenn das Pentagon in Hollywood nicht mehr mitmischen kann,
werden sich die Militärs etwas anderes einfallen lassen
müssen, wie sie dem amerikanischen Nachwuchs den Soldaten-Job
schmackhaft machen können.
Zurück zur Übersicht
|